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Zukunftsdialog: Die Kanzlerin will mit dem Volk sprechen

Zukunftsdialog

Die Kanzlerin will mit dem Volk sprechen

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    Ein Gesprächsangebot: Bundeskanzlerin Angela Merkel will mit Tausenden von Bürgern und hundert Experten einen Zukunftsdialog über das Thema Leben und Arbeiten in Deutschland führen.
    Ein Gesprächsangebot: Bundeskanzlerin Angela Merkel will mit Tausenden von Bürgern und hundert Experten einen Zukunftsdialog über das Thema Leben und Arbeiten in Deutschland führen. Foto: Foto: Angelika Warmuth, dpa

    Berlin Gerhard Schröder hatte seine Agenda 2010 – Angela Merkel hat sich für ein anderes, etwas unverbindlicheres Format entschieden, den sogenannten Zukunftsdialog. Mehr als 100 Experten und Tausende von Bürgern sollen sich in den nächsten Monaten Gedanken über das künftige Leben und Arbeiten in Deutschland machen. Ob am Ende dieser Diskussionen auch Gesetze wie die umstrittenen Sozialreformen ihres Vorgängers stehen, lässt die Kanzlerin allerdings im Unklaren. Sie sieht ihre Initiative, ganz Physikerin, vor allem als Experiment. Dessen Ausgang, bestätigt einer ihrer Vertrauten, sei völlig offen.

    Bereits im Herbst hat die Regierungschefin mit ihrer Beraterin Eva Christiansen begonnen, Wissenschaftler und Manager, aber auch Praktiker wie den Polizeikommissar Christian Horn, der im Berliner Problembezirk Neukölln arbeitet, für die neue Aktion zu gewinnen. In insgesamt 18 Arbeitsgruppen diskutieren die Fachleute aus den verschiedensten Sparten jetzt darüber, wie eine große Industrienation nachhaltig wirtschaften kann, wie Arbeitswelt und Gesellschaft mit den demografischen Veränderungen zurechtkommen, was der Mensch von morgen an digitalen Kompetenzen mitbringen muss, welche Rolle die Familie für ihn noch spielt und wie in anderen Ländern eigentlich über die Deutschen gedacht wird.

    In drei Städte kommt die Regierungschefin persönlich

    Zu den Teilnehmern der verschiedenen handverlesenen Runden gehören unter anderem der Ulmer Kinderpsychiater Jörg M. Fegert, der Augsburger Soziologe Fritz Böhle, der baden-württembergische Maschinenbauer Manfred Wittenstein, die Kriminologin Britta Bannenberg aus Gießen, der Vorsitzende des Deutschen Familiengerichtstages, der Karlsruher Richter Gerd Brudermüller, die ehemalige Familienministerin Ursula Lehr, der Theologe Richard Schröder und der Vorsitzende der Gewerkschaft Bergbau, Chemie und Energie, Michael Vassiliadis. Das Thema ihrer Arbeit hat die Kanzlerin dabei eher vage formuliert: Deutschland soll erfolgreich und menschlich bleiben.

    Von Februar bis Mitte April läuft nun die zweite Phase des Zukunftsdialoges. Auf einer eigenen Internetplattform können interessierte Bürger dann unter www.dialog-ueber-deutschland.de auch selbst Ideen beisteuern. Außerdem wird Angela Merkel sich in drei Veranstaltungen in Erfurt, Heidelberg und Bielefeld jeweils eineinhalb Stunden lang100 ausgewählten Bürgern stellen – in einem sogenannten Townhall Meeting, einer Art öffentlicher Fragestunde, wie sie vor allem aus dem amerikanischen Präsidentschaftswahlkampf bekannt ist.

    Der Vorwurf, auch die Kanzlerin habe bei ihrem neuen Dialog bereits die nächste Wahl im Hinterkopf, wird in Regierungskreisen allerdings empört zurückgewiesen. Angela Merkel, heißt es dort, wolle ganz bewusst über den Tellerrand der Tagespolitik und die laufende Legislaturperiode hinaus blicken. In ihrer Neujahrsansprache hatte sie das bereits angedeutet und die Deutschen aufgefordert, sich stärker einzumischen: „Wie wollen wir denen helfen, die noch am Rande stehen“, hatte sie da gefragt. „Wie sichern wir unseren Wohlstand, wie lernen wir als Gesellschaft?“

    Ob das Experiment gelingt, ist alles andere als sicher. Ende vergangenen Jahres hatte eine ähnliche Aktion mit der Kanzlerin im Internet als wichtigste Aufgabe für die nächsten Jahre die Legalisierung von Cannabis zutage gefördert – offenbar hatten sich aus dieser Szene überdurchschnittlich viele Menschen an der Online-Abstimmung beteiligt. Auch von einem Bürgerforum mit Bundespräsident Christian Wulff, das die Nixdorf- und die Bertelsmann-Stiftung im vergangenen Jahr im Internet organisiert hatten, ist nichts Bleibendes in Erinnerung geblieben.

    Was am Ende aus ihrem Zukunftsdialog wird, weiß bisher vermutlich auch die Kanzlerin selbst noch nicht so genau. Sicher ist bislang nur eines: Seine Ergebnisse erscheinen anschließend als Buch.

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