Kurz vor dem EU-Sondergipfel wegen der Massenproteste in Belarus (Weißrussland) hat Russland vor einer Einmischung des Auslands gewarnt. Zuvor hatte Bundeskanzlerin Angela Merkel mit Russlands Präsident Wladimir Putin telefoniert. Merkel habe dabei von Minsk einen „nationalen Dialog mit Opposition und Gesellschaft“ gefordert, teilte Sprecher Steffen Seibert mit. In der Ex-Sowjetrepublik gab es auch am Dienstag Streiks in Staatsbetrieben. Ausgelöst wurden die Proteste durch die offenkundig manipulierte Präsidentschaftswahl. Die Gegner von Präsident Alexander Lukaschenko wollen das Land mit einem Koordinierungsrat aus der Krise führen. Ziel sei eine friedliche Machtübergabe. Diesen Rat hatte Präsidentenkandidatin Swetlana Tichanowskaja vorgeschlagen. Von der Regierung gab es erste Angebote, auf die Proteste einzugehen. „Wir sind offen für einen Dialog“, schrieb Gesundheitsminister Wladimir Karanik in einem offenen Brief.
Staatschef Lukaschenko selbst sieht Belarus umzingelt von Feinden, das Ausland stehe hinter den Massenprotesten. „Litauen, Polen und die Ukraine befehlen uns, Neuwahlen abzuhalten. Aber wenn wir uns von denen am Gängelband führen lassen, dann geraten wir ins Trudeln“, hatte er in Minsk vor eigenen Anhängern erklärt. Besonders auf Litauen und Polen hat sich „Europas letzter Diktator“ eingeschossen. Litauen, weil es seiner Herausforderin Tichanowskaja Exil gewährt. Und Polen, weil Ministerpräsident Mateusz Morawiecki mit Tschechiens Regierungschef Andrej Babis den EU-Sondergipfel anregte.
Friedlicher Umbruch als Ziel in Belarus: Präsident Lukaschenko aber sieht Land von Feinden umzingelt
Polen und Litauen – beide in EU und Nato – engagieren sich seit langem für die Menschen in Belarus. Die Länder verbindet eine gemeinsame Geschichte. Das Gebiet wurde im 14. Jahrhundert vom Großfürstentum Litauen erobert, später war es Teil des polnisch-litauischen Doppelstaates. Mit den Teilungen Polens Ende des 18. Jahrhunderts kam es unter russische Herrschaft. Bis heute gibt es in Belarus eine polnische Minderheit. Polen finanziert seit 2007 den Fernsehsender Belsat und fördert die Ausbildung junger Menschen, denen in Belarus ein Studium verwehrt wird. Polens Regierungschef Morawiecki hat ein Hilfspaket von 11,5 Millionen Euro angekündigt, um unabhängige Medien und Nicht-Regierungsorganisationen in Belarus zu unterstützen.
Litauen hat seine Einreisebestimmungen für Belarussen gelockert, die ersten machen davon aus humanitären Gründen Gebrauch. Die kleine Baltenrepublik ist ein Hoffnungsträger für die Opposition in Lukaschenkos Reich geworden. Lautstark und unmissverständlich prangert Litauen die Gewalt und das Vorgehen der autoritären Führung in Minsk an und drängt auf ein entschlossenes Handeln der EU. Außenminister Linas Linkevicius hat seine diplomatische Zurückhaltung längst abgelegt. Die Hauptstadt Vilnius liegt nur 40 Kilometer von der Grenze entfernt. Sie ist auch Standort der Europäischen Humanistischen Universität, die 2004 von Lukaschenko geschlossen wurde. Seitdem haben rund 2000 Studenten die Hochschule absolviert. (dpa)
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