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Zekarias Kebraeb aus Eritrea: In Deutschland angekommen

Zekarias Kebraeb aus Eritrea

In Deutschland angekommen

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    Zekarias Kebraeb (26) ist vor acht Jahren aus Eritrea nach Europa geflohen. In Deutschland fühlt er sich mittlerweile zu Hause. Doch Heimweh hat er immer noch.
    Zekarias Kebraeb (26) ist vor acht Jahren aus Eritrea nach Europa geflohen. In Deutschland fühlt er sich mittlerweile zu Hause. Doch Heimweh hat er immer noch. Foto: Olivier Favre

    Das Wasser sprudelt, die Zitronenscheibe schaukelt im Glas hin und her. Zekarias Kebraeb trinkt, schluckt und sagt: „Der Durst war das Allerschlimmste.“ Er blickt ins Leere: „Ich war kurz vor dem Tod, ich habe mit Gott gehadert. Und mich immer gefragt: Warum hast du das Glas Wasser nicht ausgetrunken?“ In seinen Augen lässt sich erahnen, was der dünne, dunkelhäutige Mann mit dem leuchtend grünen Pullover vor fast zehn Jahren erlebt haben muss. Er sagt: „Ich habe es verdrängt.“

    Die Strapazen haben sich gelohnt

    Mit 17 Jahren floh Zekarias Kebraeb aus Eritrea, am Roten Meer im Nordosten Afrikas, über den Sudan, Libyen und das Mittelmeer nach Europa – ein Höllentrip, den jedes Jahr unzählige Afrikaner auf sich nehmen. Für Kebraeb haben sich die Strapazen gelohnt: Der heute 26-Jährige ist in Deutschland angekommen. Im doppelten Sinne.

    Für das Buch „Hoffnung im Herzen, Freiheit im Sinn“, das er zusammen mit der Tübinger Journalistin Marianne Moesle schrieb, hat er sich daran erinnert. Nun sind die beiden auf Lesereise – unter anderem in Donauwörth und in Kaisheim (Kreis Donau-Ries). Mit der Region verbindet der Mann viel. Im nahen Solnhofen (Kreis Weißenburg-Gunzenhausen) lebte er im Asylheim. Mit dem Sozialpädagogen Kurt Jenning aus Donaumünster ist er seit Langem befreundet.

    Europa – das galt aus der Ferne als Paradies

    Noch ein Schluck und dann liest Kebraeb in ganz ordentlichem Deutsch vor, warum er seine Heimat verlassen hat. Dass er nicht unter Drill und Folter den Militärdienst leisten, dass er frei sein wollte. Das Bergland Eritrea leidet immer noch unter dem angespannten Verhältnis zum Nachbarland Äthiopien. Tausende fliehen jedes Jahr aus der ehemaligen italienischen Kolonie. Auch der Teenager Kebraeb wollte nach Europa. Ins Paradies.

    Es herrscht wohlige Behaglichkeit im Kaisheimer Stüberl des Klosterkellers. Autorin Moesle und Kebraeb sitzen in der Mitte des Gastraums. Die Geschichte von Flucht, Dreck und Armut passt nicht recht in eine Gaststätte dieser Marktgemeinde. Kebraeb beschreibt, wie die Schlepper 70 Flüchtlinge auf drei Pick-ups packen, wie sie die Frauen vergewaltigen und der junge Zekarias am sechsten Tag beinahe verdurstet wäre. Er liest: „Ich spüre keinen Körper mehr. Nichts und gleichzeitig jedes Sandkorn, das durch die Haut rieselt, in meine Eingeweide und mich zerbröselt.“ Jemand in der Gaststätte seufzt laut: „Oh Gott!“

    Auf dem Schiff roch es nach Verwesung

    Kebraeb sieht niemanden an. Es ist seine Geschichte. Nach der Wüste kam das Meer. Kebraeb liest weiter: „Braune Jauche unter uns, süßlich, sauer, gärig, es riecht nach Verwesung, so schauderhaft, dass ich nur noch einen Gedanken habe. Mit diesem Geruch musst du jetzt sterben.“ Doch er und die anderen 150 Flüchtlinge werden vor Sizilien gerettet. Darauf folgt die Ernüchterung: „Haben mich die Schlepper betrogen? Haben sie mich in ein falsches Europa gebracht? Wovor hat Europa Angst?“, beschreibt er die Ablehnung, mit der die Flüchtlinge aufgenommen werden.

    Deutsch gelernt vor dem Fernseher

    Wochenlang lebte er als Obdachloser auf der Straße in Mailand, bevor er weiter nach Norden zog und schließlich im mittelfränkischen Zirndorf (Landkreis Fürth) und in Nürnberg landete. Er durfte nicht arbeiten und nicht lernen. Die Zeit in den Asylheimen war für Kebraeb keine leichte. Über das Fernsehen brachte er sich Deutsch bei. Mit den Ämtern lag er in ständigem Streit.

    Er liest, sein Vortag wird lebhafter: „Die Ausländerbehörde ist wie eine Mauer, gegen die ich anlaufe, immer wieder: Dies dürfen Sie nicht, das geht nicht, dorthin dürfen Sie nicht, arbeiten und lernen erst recht nicht. Ich bin genauso unfrei wie in Eritrea.“ Als das Asylverfahren läuft, fragt man ihn im Verwaltungsgericht in Ansbach, ob er die Flucht noch einmal auf sich nehmen würde. „Nein, niemals. Wenn ich gewusst hätte, was mich erwartet...“ Das ist sieben Jahre her. Heute sagt er: „Deutschland ist meine neue Heimat. Hier bin ich frei!“

    Kebraeb hat ein Stuipendium bekommen

    Kebraeb gilt als Beispiel für gelungene Integration. Er lebt in Berlin. Von der Deutschlandstiftung Integration hat er ein Stipendium bekommen; er schreibt einen Internet-Blog und will Politikwissenschaft studieren. Mit anderen Exil-Eritreern setzt er sich für einen politischen Umschwung ein. Nicht ohne Grund: Kebraeb hat Heimweh. „So wie ich in Eritrea von Europa träumte, träume ich jetzt von Eritrea – von einem freien, demokratischen Eritrea“, sagt er. Lächelt und trinkt den letzten Schluck Wasser.

    Termin Bei den Europäischen Flüchtlingsgesprächen lesen Zekarias Kebraeb und Marianne Moesle am Sonntag, 13. Mai, im Taschenbuchladen Krüger in Augsburg. Der Eintritt ist frei.

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