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Zeitgeschichte: Mathias Rust: Der Absturz kam nach der Landung

Zeitgeschichte

Mathias Rust: Der Absturz kam nach der Landung

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    Rust wird zu vier Jahren Haft verurteilt, aber nach 14 Monaten begnadigt. Heute arbeitet der 43-Jährige als Finanzfachmann in der Schweiz.
    Rust wird zu vier Jahren Haft verurteilt, aber nach 14 Monaten begnadigt. Heute arbeitet der 43-Jährige als Finanzfachmann in der Schweiz.

    Mathias Rust ist gerade mal 18. Er ist Hobbypilot, ein recht unerfahrener. Mit einer geliehenen Cessna fliegt er absichtlich auf 700 Meter Höhe, wo er gut vom Radar erfasst werden kann. Denn keinesfalls sollte jemand ihm fragwürdige Absichten unterstellen. Das sowjetische Militär, das ist dem jungen Mann aus Norddeutschland bewusst, könnte ihn jederzeit abschießen. Nur einmal fliegt ein sowjetischer Abfangjäger dicht an ihm vorbei. Doch er kann ungehindert weiterfliegen. Warum, das weiß bis heute niemand.

    Mathias Rust landet vor dem Roten Platz

    Am 28. Mai 1987 landet Mathias Rust unmittelbar vor dem Roten Platz in Moskau. Vor 25 Jahren, in der Zeit des Kalten Krieges, gelingt dem „Kreml-Flieger“ eine Weltsensation. Nach der Landung steigt er aus, unterhält sich ein wenig mit

    Rust stellt die Sowjetunion bloß

    Doch seine Hoffnung zerschlägt sich, er wird festgenommen. Während die Weltöffentlichkeit noch staunt, landet das Wunderkind hart auf dem sowjetischen Gefängnisboden. Wegen illegaler Einreise, Verletzung der internationalen Luftverkehrsregeln und Hooliganismus verurteilt ihn ein Gericht zu vier Jahren Haft. Denn der Teenager im einmotorigen Flugzeug made in USA machte ungewollt nicht nur die stolze Luftabwehr der Sowjetunion zur Lachnummer, sondern stellte die ganze Weltmacht bloß.

    Rust stach auf Schwesternschülerin ein

    „Wenn ich gewusst hätte, was sich daraus entwickelt – ich würde es nicht noch mal wagen“, sagt er heute. Seine naive Friedensidee hat ihn zwar zu einem gefragten Mann gemacht. Sogar ein Theaterstück ist über ihn entstanden. Doch was sich anhört wie ein Märchen, wurde für Rust auch zur Tragödie. Erst mal hatte er damals tatsächlich Glück im Unglück: Er kam nach 14 Monaten Haft in Russland vorzeitig frei. Das Magazin Stern hatte sich bereits für viel Geld die Interview-Exklusivrechte gesichert. Dann aber wurde er vom jungen Medien- und Volkshelden zum Medienopfer, viele Blätter äußerten sich abschätzig über den jungen Mann nach dem Motto: Er sei nur ein Spinner. Dann 1989 kam es zur Katastrophe: Rust stach als Zivildienstleistender in einem Hamburger Krankenhaus zweimal auf eine Schwesternschülerin ein. Sie soll ihn barsch zurückgewiesen haben, wie er später erklärte. Sie habe einen wunden Punkt getroffen. „Ein Schnellfilm lief ab. Der Flug, die Journalisten, die Verschmähungen“, sagte er vor Gericht. „Da riss etwas in mir.“ Das Mädchen überlebte mit viel Glück, Rust kam wieder ins Gefängnis, für zweieinhalb Jahre.

    Heute ist Rust 43 Jahre alt, arbeitet als Finanzanalyst in der Schweiz, auch eine Ausbildung zum Jogalehrer hat er begonnen. 2009 kam er wieder in die Schlagzeilen. Rust, mittlerweile professioneller Pokerspieler, berichtete, 750000 Euro beim Pokern gewonnen zu haben.

    Die Frage, ob der Flug ein Glück oder Unglück für sein Leben war, hat Rust nur andeutungsweise beantwortet. „Zwischenzeitlich habe ich das mal bereut. Hätte ich es nicht gemacht, hätte ich zwar ein einfacheres Leben gehabt“, sagt er.

    Fußnote der Geschichte

    Bleibt noch die Frage, was sein mutiger Friedensflug in der Weltgeschichte bewirkt hat. „Ich denke, meine Aktion hat zur Wende beigetragen“, behauptet Rust. Das bezweifeln allerdings nicht nur Historiker. Bewegt hat er jedoch in der Tat etwas: Gorbatschow, der gerade seinen Reformkurs verkündete, ergriff 1987 die günstige Gelegenheit für seine Pläne. So entließ er etliche Generäle, offenbar Hardliner, die sich seinem Öffnungskurs gegenüber dem Westen widersetzt hätten.

    Der deutsch-russische Historiker Wladislaw Below hält Rust dagegen ungeachtet der Folgen allenfalls für eine Fußnote der Geschichte, aber für keinen, der Aussöhnungsprozesse zwischen Ost und West in Gang gesetzt oder sogar ein bisschen am Eisernen Vorhang gesägt hätte. „Er hat niemals eine Rolle für die deutsch-russischen Beziehungen gespielt“, sagt Below. Vielmehr habe im selben Jahr noch der damalige CSU-Chef Franz Josef Strauß am Steuer einer Cessna nach Moskau und bei Gesprächen mit Gorbatschow Geschichte geschrieben. (mit dpa)

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