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Zeitgeschichte: Die Rastlose und ihr General

Zeitgeschichte

Die Rastlose und ihr General

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    Petra Kelly und der frühere Bundeswehrgeneral Gert Bastian. Das Foto entstand 1987.
    Petra Kelly und der frühere Bundeswehrgeneral Gert Bastian. Das Foto entstand 1987. Foto: imago

    Petra Kelly war immer unterwegs. In den späten 1970er Jahren prägte Protest die politische Stimmung in Deutschland. Es wurde gegen Atomkraftwerke demonstriert und gegen die Aufrüstung mit Mittelstreckenraketen, gegen den Raubbau an der Natur und gegen die Benachteiligung der Frauen. An allen Fronten war eine zierliche junge Frau als Anklägerin präsent: Petra Kelly. Die gebürtige Günzburgerin, die damals als Beamtin für die Europäische Kommission in Brüssel arbeitete, war der erste Star der Partei „Die Grünen“, die 1980 entstand, und die sich aus all diesen Protestbewegungen speiste.

    Doch Petra Kelly blieb nicht viel Zeit, um sich zu verwirklichen. Vermutlich in der Nacht zum 1. Oktober 1992, heute vor 20 Jahren, kam die Rastlose im Alter von nur 44 Jahren ums Leben. Ihr Lebensgefährte Gert Bastian erschoss sie im Schlaf und tötete sich dann selbst.

    Die Pazifistin und der ehemalige Panzergeneral

    Es war das tragische Ende einer ungewöhnlichen Liebe. Die Pazifistin und der 24 Jahre ältere ehemalige Panzergeneral, der gegen den Nato-Doppelbeschluss aufbegehrt und sich der Friedensbewegung angeschlossen hatte, lebten mehr als ein Jahrzehnt lang zusammen. Zeitweise saßen sie gemeinsam im Bundestag. Bis heute wird gerätselt, was die persönliche Katastrophe ausgelöst hat. Wollte Bastian sich töten und seine Lebensgefährtin nicht alleine zurücklassen? Hatte ihn Petra Kelly womöglich darum gebeten? Oder handelte er vielleicht sogar aus Eifersucht?

    Die Tragödie ereignete sich in einem Reihenhaus in der damaligen Bundeshauptstadt Bonn, im Stadtteil Tannenbusch. Entdeckt wurden die Leichen erst nahezu drei Wochen nach der Tat. Dies belegt, dass sich die beiden bereits weitgehend aus ihrem früheren politischen Umfeld gelöst und isoliert hatten.

    Kelly war eine gefragte Interviewpartnerin

    Dabei kann Kellys Bedeutung für die Grünen in deren Gründungszeit nicht hoch genug bewertet werden. Die prägnant formulierende Schnellsprecherin war nicht nur gefeierte Rednerin auf Kundgebungen, sondern auch gefragte Interviewpartnerin der Medien. Ein typisches Kelly-Zitat war: „Wir brauchen das klare Nein zum Militarismus und das klare Nein zum ökologischen Selbstmord.“ Zudem machte sie das Schlagwort von der „Antiparteien-Partei“ populär. Die Grünen verstand sie als Gegenentwurf zum Establishment.

    Petra Kelly marschierte stets vorneweg. Bei der Europawahl 1979, ein Jahr vor der Gründung der grünen Partei, trat sie als Spitzenkandidatin der „Sonstigen Politischen Vereinigung – Die Grünen“ an. Nach dem Gründungskongress gehörte sie zum Sprecherrat der Partei, und nach dem ersten Einzug in den Bundestag 1983 wurde sie Fraktionsvorsitzende neben Marieluise Beck und Otto Schily.

    Kelly war in Günzburg aufgewachsen

    Doch es gab auch Brüche in ihrer politischen Karriere. Sie widersetzte sich dem damals geltenden Rotationsbeschluss und blieb die ganze Legislaturperiode im Bundestag. Später begründete sie dies mit ihrem Kampf für krebskranke Kinder, für die sie erstmals Mittel aus dem Bundeshaushalt habe lockermachen können. Kellys Halbschwester Grace war zehnjährig an Krebs gestorben – ein Auslöser für ihren Feldzug gegen die Atomkraft.

    Die Basis verzieh Petra Kelly und stellte sie 1987 erneut auf. Doch 1990 endete ihre Parlamentskarriere abrupt, als in der ersten Wahl nach der Wiedervereinigung Deutschlands die West-Grünen aus dem Bundestag flogen. Kelly engagierte sich in der Folgezeit besonders stark für Tibet.

    Heute wird nur noch selten an Petra Kelly erinnert. Immerhin wurde im vergangenen November in Nürnberg – wo sie ebenfalls eine Zeit lang lebte – ein Platz im Stadtteil Gostenhof nach ihr benannt. In Günzburg erinnern ein Wegname sowie eine Gedenktafel an die charismatische Politikerin. Petra Kelly, die den Namen ihres amerikanischen Stiefvaters trug, war in der schwäbischen Kreisstadt bei ihrer Oma aufgewachsen und hatte bis zur zeitweiligen Übersiedelung der Familie in die USA das Maria-Ward-Gymnasium besucht.

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