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Wolf Biermann: Wolf Biermann im Bundestag: Wenn der "Drachentöter" auf die Linke trifft

Wolf Biermann

Wolf Biermann im Bundestag: Wenn der "Drachentöter" auf die Linke trifft

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    Wolf Biermann liest der Linken im Bundestag die Leviten.
    Wolf Biermann liest der Linken im Bundestag die Leviten. Foto: Wolfgang Kumm, dpa

    Er kann es einfach nicht lassen. Ein Lied soll Wolf Biermann singen, um die Gedenkfeier des Bundestags zum 25. Jahrestag des Mauerfalls am Freitag musikalisch zu umrahmen, mehr nicht.

    Doch der unbequeme und streitbare Liedermacher und Lyriker, der im Jahre 1976 von der SED aus der DDR ausgebürgert wurde, belässt es nicht bei einem Lied. Wann hat man schon die Gelegenheit, im Deutschen Bundestag das Wort zu ergreifen und zu sagen, was man schon immer sagen wollte?

    Wolf Biermann nennt Linke "Reste der Drachenbrut"

    So kommt es, wie es wohl kommen muss. Bevor Wolf Biermann im Plenarsaal des Reichstagsgebäudes in die Saiten seiner Gitarre greift, legt er los und wendet sich direkt an die Abgeordneten der Linkspartei, die Nach-Nachfolger der einstmals allmächtigen DDR-Regierungspartei SED. Er sei ja von dem „Ironiker“ Norbert Lammert eingeladen worden, um der

    „Aber das kann ich nicht, ich war ja der Drachentöter“, meint er mit Blick auf seine frühere Rolle als furchtloser Kritiker und Gegner des SED-Regimes. Doch den Drachen gebe es längst nicht mehr. „Ein Drachentöter kann nicht mit großer Gebärde die Reste der Drachenbrut tapfer niederschlagen.“

    Lammert kann Wolf Biermann nicht bremsen

    Von "Arschloch" bis "Drachenbrut": Pöbeleien im Bundestag

    Der Auftritt des "Drachentöters" Wolf Biermann im Bundestag zum Mauerfall-Gedenken war ungewöhnlich. Zumeist geht es im Hohen Haus gesittet zu. Über die Jahrzehnte kam es im Plenarsaal aber schon oft zu aufsehenerregenden Szenen. Berühmt: Nach Tumulten wirft Bundestagsvizepräsident Richard Stücklen (CSU) 1984 den späteren Außenminister Joschka Fischer aus dem Plenarsaal. Der reagiert grob: "Mit Verlaub, Herr Präsident, Sie sind ein Arschloch!" Unzählige, teils kreative Parlaments-Pöbeleien vom Betonbolschewisten bis zum Petersilien-Guru sind fast schon in Vergessenheit geraten. Eine kleine Auswahl:

    "Schnauze, Iwan!" - Franz Josef Strauß (CSU) zu Heinz Renner (KPD), 1951.

    "Geistiges Eintopfgericht." - Herbert Wehner (SPD) über Georg Kliesing (CDU), 1956.

    "Übelkrähe." - Herbert Wehner (SPD) zu Jürgen Wohlrabe (CDU), 1970.

    "Sie Frühstücksverleumder." - Herbert Wehner (SPD) zu Friedrich Zimmermann (CSU), 1979.

    "Christliche Dreckschleuder." - Joschka Fischer (Grüne) zu Walter Althammer (CSU), 1983.

    "Mini-Goebbels." - Dietmar Kansy (CDU) über Otto Schily (damals Grüne), 1983.

    "Wild gewordener Gartenzwerg." - Ottmar Schreiner (SPD) über Hansheinz Hauser (CDU), 1990.

    "Zuhälter." - Michael Glos (CSU) zu Joschka Fischer (Grüne), 2004.

    "Reste der Drachenbrut" - Liedermacher Wolf Biermann bei seinem Auftritt zum Mauerfall-Gedenken zur Linksfraktion, 2014. (dpa/AZ)

    Zwar versucht Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU), mit Hinweis auf die Geschäftsordnung den Redefluss Biermanns zu stoppen („Sobald Sie für den Bundestag kandidieren und gewählt werden, können Sie auch reden. Heute sind Sie zum Singen eingeladen.“), doch Biermann ist ganz in seinem Element.

    „Aber natürlich habe ich mir in der DDR das Reden nicht abgewöhnt – und das werde ich hier schon gar nicht tun“, kontert er unter dem Beifall der Unionsfraktion. Und dann geht er frontal auf die Linken los. „Ihr seid dazu verurteilt, das hier zu ertragen. Ich gönne es Euch.“ Es sei „Strafe genug“, dass sie „hier sitzen müssen und sich das anhören müssen“. Die Linken seien „der elende Rest dessen, was zum Glück überwunden ist“.

    Wolf Biermann im Bundestag: Eine Wahl ist kein Gottesurteil

    Die Linke ist bemüht, Haltung zu bewahren und nicht zu reagieren, um einen Eklat bei der Gedenkveranstaltung zu vermeiden. Katja Kipping und Petra Sitte in der ersten sowie

    Zum Video: "So beschimpfte Wolf Biermann die Linke im Bundestag".

    Nach diesem Wortwechsel trägt er seinen Song „Ermutigung“ aus dem Jahre 1968 vor, der einst in der DDR so populär war, dass er als eine Art Volkslied oder gar als heimliche Hymne der Gegner des SED-Regimes galt. Biermann selber nennt das Lied „ein Stück Seelenbrot“, mit dem viele Verfolgte des SED-Regimes „in der Zelle überlebt haben“.

    Wolf Biermann ist nicht der Einzige, der im Bundestag spricht

    Der ungewöhnliche Auftritt Biermanns verleiht der Gedenkfeier im Bundestag einen besonderen Akzent. Und auch die Redner tragen dazu bei, dass diese Stunde am frühen Freitagvormittag anders verläuft als üblich. CSU-Landesgruppenchefin Gerda Hasselfeldt gehört zu den elf Abgeordneten im Parlament, die schon 1989 dem Bundestag angehörten. Sie war dabei, als das Parlament am Abend des 9. November 1989 angesichts der bewegenden Bilder aus Berlin spontan die Nationalhymne sang.

    Iris Gleicke von der SPD, die Ost-Beauftragte der Bundesregierung aus Thüringen, versagt zeitweise die Stimme vor Rührung. Sie kämpft mit den Tränen, als sie an die einzigartige Stimmung erinnert, die damals im ganzen Lande herrschte. „Manchmal sehne ich mich zurück an den November ’89, als sich die Deutschen in den Armen lagen.“

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