Die Zahl der Neuinfektionen mit dem Coronavirus sinkt – und die Ungeduld vieler Unternehmer wächst. Die Diskussion um Lockerungen für Geschäfte, Wirte und Friseure nimmt an Tempo auf. Die Unternehmer verlangen über ihre Verbände von der Bundesregierung und den Ministerpräsidenten der Länder einen Fahrplan, wann sie ihre Geschäfte wieder aufschließen dürfen. Eine nochmalige Verlängerung des harten Lockdowns ohne Ausstiegsplan lehnen sie ab.
„Es geht darum, vorzugeben, bei welchen Pandemie-Zahlen welche Lockerungen möglich sind. Wir können nicht weiter von einem Lockdown in den nächsten stolpern“, betonte der Chef des Handelsverbandes Deutschland, Stefan Genth, gegenüber unserer Redaktion. Die Geschäfte bräuchten Planungssicherheit. Genth nennt das Beispiel der Modehändler: Sie müssen bald wissen, ob sie jetzt die Kollektionen für den Herbst bestellen sollten oder nicht. „Wir brauchen ein Licht am Ende des Tunnels“, meinte Genth.
Handwerkspräsident warnt: Pleitegefahr für Friseure und Gastronomen ist real
Auch im Handwerk drängen die von der Schließung betroffenen Firmen auf ein Zeichen von Bund und Ländern. „Unsere Betriebe sind für eine Öffnung gut vorbereitet, haben in engster Zusammenarbeit mit den Berufsgenossenschaften höchst anspruchsvolle Hygienekonzepte entwickelt und umgesetzt“, sagte Handwerkspräsident Hans Peter Wollseifer unserer Redaktion. Er warnte vor der Pleitegefahr für Friseursalons, Kosmetikstudios, Uhrmacher oder Gastwirtschaften, die mittlerweile sehr real sei. „Umso wichtiger ist es jedoch, jetzt unzweideutig und für alle einleuchtend die Voraussetzungen festzulegen, die für eine Öffnung erfüllt sein müssen“, verlangte Wollseifer. Das Handwerk plädiert für eine Art „Corona-Ampel“, die anhand von Infektionszahlen regelt, wann Betriebe in einer Region öffnen dürfen oder schließen müssen.
Zuvor hatte der stellvertretende Vorsitzende der Unionsfraktion, Georg Nüßlein (CSU), im Gespräch mit dieser Reaktion einen Einstieg in den Ausstieg ab Mitte Februar verlangt – vorausgesetzt, die Zahl der Neuansteckungen wegen der Mutation des Erregers schieße nicht noch einmal drastisch nach oben.
Grünen-Chefin Annalena Baerbock fordert Schnelltests für Schulen und Kitas
Kanzlerin Angela Merkel hält die Diskussion über die Lockerung der Seuchenpolitik für unangebracht. Über ihren Sprecher Steffen Seibert ließ sie ausrichten: „Wir sind auf einem guten Weg. Diesen guten Weg jetzt zu früh zu unterbrechen, wäre falsch.“ Die Kanzlerin ist in großer Sorge, dass sich die viel stärker ansteckende England-Mutation auch in Deutschland durchsetzt und die Krankenhäuser überlastet.
Auch Grünen-Chefin Annalena Baerbock sagte im Live-Interview unserer Redaktion, es gehe jetzt nicht darum, über Öffnungen zu diskutieren, sondern über die dafür nötigen Bedingungen: „Wir können nicht auf einen Kalenderdatum schauen, sondern wir müssen doch sagen, unter welchen Voraussetzungen, Schulen so sicher sind, dass die Kinder wieder hingehen können.“
Für Kitas und Schulen wären dabei Schnelltests zur Selbstanwendung besonders wichtig. Doch CDU-Bundesgesundheitsminister Jens Spahn habe bislang versäumt, eine Zulassung vorzubereiten. „Jetzt können zwei Hersteller, endlich solche Schnelltests anbieten, aber jetzt sagt Herr Spahn, dass er nicht so weit ist, sie zuzulassen“, kritisierte die Grünen-Politikerin. „Das ist wirklich fatal.“ Österreich habe schon vor zwei Wochen begonnen, hunderttausende solcher Tests an Bildungseinrichtungen zu verteilen."
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