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Wirecard-Skandal: Olaf Scholz stellt sich nach Druck im Wirecard-Skandal

Wirecard-Skandal

Olaf Scholz stellt sich nach Druck im Wirecard-Skandal

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    Um Akteneinsicht und Wissensstände geht es am Mittwoch nächster Woche in einer Sondersitzung des Finanzausschusses im Bundestag.
    Um Akteneinsicht und Wissensstände geht es am Mittwoch nächster Woche in einer Sondersitzung des Finanzausschusses im Bundestag. Foto: Kay Nietfeld, dpa (Archiv)

    Der Ablauf steht noch nicht genau fest – der Tag, an dem Olaf Scholz verbal gegrillt werden soll, aber schon. Am 29. Juli kommt der Finanzausschuss des Bundestages zu einer Sondersitzung zusammen, Hauptthema ist die Insolvenz der Wirecard AG. Der Bundesfinanzminister wird voraussichtlich teilnehmen, er wird sich bohrenden Fragen zum Skandal um mutmaßliche Luftbuchungen von rund 1,9 Milliarden Euro stellen. Opposition und zu Teilen auch der Koalitionspartner CDU/CSU erhoffen sich ein Scholz-Schlachtfest. Dabei wird ihnen aber bewusst sein, dass weder der SPD-Finanzminister noch sein Staatssekretär Jörg Kukies allein die politische Verantwortung tragen. Auch Kanzlerin Angela Merkel (CDU) gerät in den Fokus.

    „Sie hat es angesprochen“, bestätigte Vize-Regierungssprecherin Ulrike Demmer am Montag, dass sich die Regierungschefin bei ihrer China-Reise im September 2019 für Wirecard eingesetzt hat. Was nicht unüblich ist, denn Auslandsreisen deutscher Politiker dienen regelmäßig dazu, Unternehmensinteressen zu vertreten. Bei ihrem Besuch in Peking nannte die Kanzlerin seinerzeit Investitionen des BASF-Konzerns und sprach allgemein von der Öffnung der chinesischen Finanzmärkte: „Das gilt sowohl für Banken als auch für Versicherungen.“ Merkel lobte, dass auch Deutsche profitieren könnten und dürfte auch Wirecard im Sinn gehabt haben.

    CSU-Finanzexperte erwartet "umfassende Offenheit"

    Das Problem: Die Finanzaufsicht BaFin hatte schon weit vorher auf mögliche Unregelmäßigkeiten bei Wirecard verwiesen, das im hochsensiblen Bereich des elektronischen Zahlungsverkehrs tätig war. Die Aufsicht erließ unter anderem am 18. Februar 2019 ein sogenanntes Leerverkaufsverbot gegen Wirecard. Leerverkäufe sind ein kompliziertes, hochspekulatives Börsenkonstrukt, bei dem Anleger auf den Kursverfall einer Aktie wetten. Anlass für die BaFin waren mögliche Kursmanipulationen bei dem aufstrebenden Unternehmen. Aufmerksam geworden war die Behörde am 30. Januar 2019 durch einen Bericht der Financial Times.

    Finanzminister Scholz hatte sich Mitte Januar 2019 beim deutsch-chinesischen Finanzdialog in Peking aufgehalten. Aus Diplomatenkreisen verlautete anschließend, es sei dabei auch „um Zugangsfragen im Bankenbereich und um Lizenzen sowohl für Versicherungen als auch für Privatbanken“ gegangen. Gut möglich, dass Wirecard damals ein Thema war. In der gemeinsamen Abschlusserklärung begrüßte China jedenfalls „den Einstieg deutscher Unternehmen im Bereich Zahlungsverkehr“.

    Soweit die Rückschau. Die nun anstehende Sondersitzung des Finanzausschusses nennt der CSU-Finanzexperte Hans Michelbach „erforderlich, um mehr Transparenz in die Vorgänge um die Insolvenz der Wirecard AG zu bringen“. Es gebe nach wie vor zahlreiche offene Fragen, die beantwortet werden müssten. „Es muss auch geklärt werden, wer dafür die Verantwortung trägt, dass nicht früher Gegenmaßnahmen ergriffen wurden und dadurch erheblicher Schaden für Anleger entstanden ist“, sagte Michelbach unserer Redaktion und betonte: „Ich erwarte vom Bundesfinanzminister und seinem zuständigen Staatssekretär umfassende Offenheit“.

    Scholz gilt als gewiefter Taktiker

    Scholz allerdings gilt als gewiefter Taktiker und lässt sich, ein gutes Jahr vor der Bundestagswahl, nicht hinter die Fichte führen. „Klar ist, dass sich verschiedene Vorwürfe gegen Wirecard über Jahre gestreckt haben; teilweise gab es ja schon im Jahr 2008 Vorwürfe“, heißt es in seinem Ministerium. 2008 war Scholz’ Parteifreund Peer Steinbrück Finanzminister, es folgten Wolfgang Schäuble und Peter Altmaier von der CDU. Die Union wird kaum Lust verspüren, durch allzu bohrendes Nachfragen die eigenen Leute zu beschädigen.

    Opposition und Union können auch Staatssekretär Jörg Kukies kaum in die politische Haftung nehmen. Dessen Treffen mit Wirecard-Chef Markus Braun sind an sich erst einmal nichts Anrüchiges. Der anerkannte Finanzexperte von der US-Investmentbank Goldman Sachs wurde von Scholz im April 2018 unter anderem genau wegen solcher Kontakte ins Ministerium geholt. Seitdem hat sich Kukies parteiübergreifend einen guten Ruf erworben mit seiner Arbeit, die auf seinem Netzwerk aufbaut. Ein Netzwerk, zu dem auch BaFin-Chef Felix Hufeld gehört. Kukies ist Vorsitzender des BaFin-Verwaltungsrates, beide sind laut Internetseite auch Alumni des McCloy-Programms, das Nachwuchskräften aus Deutschland ein Masterstudium an der Harvard Kennedy School ermöglicht.

    Die eigentlich spannende Frage wird der Finanzausschuss nicht klären können. Laut Vize-Regierungssprecherin Demmer hatte Merkel bei ihrem Besuch in Peking „keine Kenntnis von Unregelmäßigkeiten bei Wirecard“. Wenn das so stimmt, stellt sich die Frage, warum Scholz die Kanzlerin nicht bereits im Februar 2019 informierte? Ein Ministeriumssprecher erklärte, dazu lägen ihm keine Informationen vor und ergänzte, die dem Minister seinerzeit vorliegenden Details seien „im Wesentlichen öffentlich bekannt“ gewesen. Mit anderen Worten: Die als emsige Zeitungsleserin bekannte Merkel hätte schon früh selbst wissen können, was los ist.

    Scholz hatte bereits in der vergangenen Woche angeboten, er werde in einer Sondersitzung des Finanzsauschusses die Sachlage erörtern. Er wird am 29. Juli gegrillt werden und ein paar Brandwunden davontragen. Verbrannt ist der wahrscheinliche SPD-Spitzenkandidat danach absehbar aber nicht. Dafür haben bei Wirecard zu viele Menschen ihre Hand im Spiel.

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