Für jemanden, der sein Geld mit engen Kontakten in die Bundesregierung verdient, ist es keine Kleinigkeit, diese Regierung in einen der größten Wirtschaftsskandale der Republik gezogen zu haben. Karl-Theodor zu Guttenberg kämpft also um seinen Ruf, als er am Donnerstag stundenlang die Fragen der Abgeordneten im Untersuchungsausschuss zur Affäre Wirecard beantwortet. Seine zentrale Botschaft, variantenreich vorgetragen, lautet: „Wir wurden offensichtlich arglistig getäuscht.“
Der arglistige Täuscher ist in diesem Fall Doktor Markus Braun, ehemaliger Wiecard-Chef, gefallener Finanz-Guru und mittlerweile Bewohner einer Zelle im Gefängnis vor den Toren Augsburgs. Guttenberg hat mit seiner Firma Spitzberg Partners zwischen 2016 und 2020 den Zahlungsabwickler aus Aschheim bei München Türen geöffnet – in Deutschland, den USA und China.
Dafür hat er nach eigenen Angaben 760.000 Euro an Honorar bekommen. Es hätte mehr geben können, wäre der Betrag bei Wirecard nicht aufgeflogen und das Unternehmen dadurch in die Zahlungsunfähigkeit gerutscht. Guttenberg berichtet von Gesprächen mit dem Ex-Vorstandsvorsitzenden „Doktor Braun“ und anderen Vorständen des Unternehmens. Immer wieder will er darauf hingewiesen haben, dass die Kommunikation des Dax-Konzerns nach außen katastrophal gewesen sei. Immer wieder habe er gefragt, ob an den belastenden Berichten der britischen Financial Times etwas dran sei.
Guttenberg: "Auch wir haben das Wirecard-Märchen geglaubt"
Doch die Wirecard-Mächtigen konnten die aufgeworfenen Zweifel immer wieder ersticken. Selbst Braun, den Guttenberg als seltsam entrückt beschreibt, gelingt das. Schon das erste Gespräch mit ihm sei „nicht unsympathisch, aber erstaunlich“ gewesen. Um das Geschäft sei es praktisch nie gegangen, sondern um große Technik-Visionen. Guttenberg vertraute dennoch den Erklärungen, wie auch die Bundesregierung, die Finanzaufsicht und die Wirtschaftsprüfer. „Auch wir haben das von Wirecard in die Weltgeschichte gesetzte Märchen … geglaubt“, gestand der ehemalige Verteidigungsminister ein.
Der 49-Jährige tut das nicht weinerlich, sondern gewohnt selbstsicher. Zur mentalen Verstärkung hatte er den Promi-Anwalt Christian Schertz mitgebracht, mit dem er eine umfassende Erklärung ausgearbeitet hat. Guttenberg trägt zu seinem Verhör dunkles Sakko, hellblaues Hemd und Acht-Tage-Bart.
Karl-Theodor zu Guttenberg will kein Lobbyist sein
Der CSU-Hoffnungsträger außer Dienst konnte den Abgeordneten nicht erklären, wie es die Männer um Markus Braun schafften, ein ganzes Land an der Nase herum zu führen. Aber er konnte ihnen erklären, wie das Geschäft funktioniert, dem er sich seit seinem unfreiwilligen Abgang von der politischen Bühne von vor fast zehn Jahren widmet. Er bahnt an und verkuppelt. Guttenberg kümmert sich nur um die höchste Ebene. Firmenchefs, Regierungschefs, Botschafter. „Spitzberg ist kein Lobby-Unternehmen“, erklärte er zur Verblüffung der Abgeordneten in seinen einleitenden Worten, um im Anschluss zu schildern, dass er genau das macht.
Im Falle von Wirecard heißt das: Erstkontakt am Rande der Münchner Sicherheitskonferenz, Treffen am Tegernsee, weitere Treffen in teuren Hotels, einmal im Jahr Treffen mit der Kanzlerin zum privaten Gespräch ohne Agenda. Die Begegnung mit Angela Merkel am 3. September 2019 sollte für Guttenberg später verhängnisvoll ausgehen, ohne das er das zu diesem Zeitpunkt gewusst hat. An diesem Dienstag bringt er die Sache Wirecard bei ihr vor. Es geht um den Eintritt des Unternehmens auf den chinesischen Markt. Weil die Kommunistische Partei alle Bereiche des Lebens kontrolliert, braucht es aus der Heimat Unterstützung der deutschen Politik.
Guttenberg spricht, zwei, drei Minuten mit Kanzlerin Angela Merkel über Wirecard
Finanzminister Olaf Scholz (SPD) hat sich schon verwendet, jetzt soll auch noch die Chefin ran. „Zwei, drei Minuten“ habe die Unterhaltung um die Firma gekreist, die schon seinerzeit durch die Berichte in der Financial Times ins Gerede gekommen war. „Ja, das könnte hilfreich sein“, antwortete Merkel in der Erinnerung Guttenbergs. Wenige Tage danach warb sie für die Betrüger aus dem Süden Deutschlands bei der chinesischen Führung während eines Staatsbesuchs im Reich der Mitte.
Jetzt hängt Merkel in dem unschönen Skandal mit drin und ihr ehemaliger Minister hat nicht unwesentlich dazu beigetragen. Im Kanzleramt gab es Widerstände, weil einigen Beamten der Laden als windig erschien. Doch Guttenberg hat ein gutes Verhältnis zu Merkel und er trägt dazu bei, dass die Bedenken übergangen werden. „Ich würde dieses Vertrauen nie für einen Klienten aufs Spiel setzen“, beteuerte der Lobbyist, der angeblich keiner ist.
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