Zwei Wochen nach dem Amtsantritt der neuen Präsidentin Ursula von der Leyen (CDU) brachte die EU-Kommission den mit großen Hoffnungen verbundenen „Green Deal“ auf den Weg. Europa soll mit einem Bündel an Maßnahmen bis 2050 der erste klimaneutrale Kontinent sein. Zwei dieser Maßnahmen sind die „Farm to Fork“-Strategie und die Biodiversitätsstrategie, die gerade vorgestellt wurden. Sie beinhalten unter anderem eine Halbierung des Antibiotika-Einsatzes in der Tiermast sowie des Pestizid-Eintrags in der Landwirtschaft bis 2030. Gleichzeitig ist eine Ausweitung der Flächen für den ökologischen Landbau auf 25 Prozent geplant.
Hinter den Papieren stecken gute Gedanken. Einer davon: Laut einer im November veröffentlichten Studie sterben in der EU jedes Jahr mehr als 33.000 Menschen an Infektionen mit antibiotikaresistenten Keimen. Besonders gefährdet sind Kleinkinder und ältere Menschen, heißt es in dem Beitrag, der im renommierten Fachmagazin The Lancet erschien. Für die EU-Kommission gibt es hier einen direkten Zusammenhang mit dem Einsatz von Antibiotika in der Landwirtschaft. Insofern sind die Brüsseler Ansätze zu begrüßen.
Es hilft nichts, auf Landwirte einzuprügeln
Die Beamten konnten aber offenbar dem hohen Druck der Agrarlobby nicht standhalten. Der Deutsche Bauernverband etwa trommelte schon früh, der „Green Deal“ sei ein „Generalangriff auf die gesamte europäische Landwirtschaft“. Allgemeine politische Reduktionsziele für Pflanzenschutzmittel und andere Betriebsmittel seien kontraproduktiv, hieß es.
Wohl deshalb wurden Pestizide nicht komplett verboten. Die Reduzierung auf 50 Prozent ist wichtig, reicht aber nicht, um das Sterben der Bestäuber aufzuhalten. Bienen, Fledermäuse und Vögel wiederum beeinflussen das Wachstum von rund einem Drittel unserer Lebensmittel. Statt sich einem Komplettverbot anzunähern, redet die Kommission der Gentechnik das Wort. Eingriffe in die Gene von Tieren und Pflanzen sollen sie gegen Angriffe von außen, auch gegen sogenannte Pflanzenschutzmittel, resistent machen. Das ist ungeheuerlich, dem Erhalt der biokulturellen Vielfalt dient das natürlich auch nicht.
Nun hilft es auch nichts, auf die Landwirte einzuprügeln. Viele Bauern hatten angesichts der regulatorischen Eingriffe aus Brüssel in den letzten Jahren keine andere Wahl, als die Mistgabel in die Ecke zu stellen. Der Druck der Verbraucher, die Sucht nach billigem Fleisch und günstiger Milch, sorgten dafür, dass aus kleinen Höfen vielfach riesige Agrarfirmen werden mussten.
Deutschland war einst Vorreiter beim Klimaschutz
Das Auge richtet sich deshalb auf Deutschland, das im Juli die EU-Ratspräsidentschaft übernimmt und die Chance zu Kurskorrekturen hat. Landwirtschaftsministerin Julia Klöckner (CDU) kündigte bereits an, dass sie die Aufgabe darin sieht, „einen notwendigen Ausgleich der Interessen zu schaffen“. Die CDU-Politikerin hat dabei unter anderem die noch ausstehende Reform der Gemeinsamen Europäischen Agrarpolitik (GAP) im Blick. Bisherige Äußerungen lassen aber befürchten, dass die deutsche Agrarministerin versuchen wird, die neuen EU-Strategien noch mehr zugunsten der Agrarlobby umzubiegen. So hat sie bereits eine „gleichmäßige Verteilung der Lasten“ und „Gesprächsbedarf“ bei der Umsetzung angemeldet.
Deutschland war einst Vorreiter beim Klimaschutz. Mittlerweile ist das Land nur noch Mittelmaß. Viele Vorhaben zum Umweltschutz aus dem Koalitionsvertrag, etwa zum Glyphosat-Einsatz, sind nicht umgesetzt. Es sieht so aus, als ob dieses zögerliche Verhalten in den nächsten Monaten auch noch die EU ausbremsen wird.
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