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Titelthema Tradition: Wir brauchen unsere Traditionen mehr denn je

Titelthema Tradition

Wir brauchen unsere Traditionen mehr denn je

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    An Weihnachten gibt es viele Traditionen. Diese so gut es geht zu bewahren, ist gerade im Corona-Jahr 2020 wichtig. Ein Plakat in London stimmt auf ein anderes Weihnachten ein.
    An Weihnachten gibt es viele Traditionen. Diese so gut es geht zu bewahren, ist gerade im Corona-Jahr 2020 wichtig. Ein Plakat in London stimmt auf ein anderes Weihnachten ein. Foto: Dave Rushen, dpa

    Es ist der 24. Dezember des Jahres 1914. Der Erste Weltkrieg tobt. Doch dann herrscht für einen Moment Frieden. Deutsche, Franzosen, Briten hören an der Westfront auf zu schießen. Die Hände erhoben, verlassen Soldaten ihre Schützengräben, besuchen sich, singen gemeinsam „Stille Nacht“. Sie schenken sich Zigaretten, spielen Fußball. Der Weihnachtsfrieden verstößt gegen Befehle, dauert nur gut einen Tag und ist doch ein Beispiel, wie tief Traditionen in uns verwurzelt sind. Und welche Macht sie haben.

    Anders, aber nicht weniger schön: Viele Familien machen sich nun Gedanken, in welchem Rahmen sie Weihnachten feiern wollen.
    Anders, aber nicht weniger schön: Viele Familien machen sich nun Gedanken, in welchem Rahmen sie Weihnachten feiern wollen. Foto: Christin Klose, dpa

    Bräuche und Traditionen helfen uns – besonders während Krisen. Sie geben uns Sicherheit, Halt, Normalität, Selbstvertrauen. Gerade jetzt, wo eine Gesundheitskrise unser Leben unberechenbar macht, sehnen wir uns nach Traditionen. Obwohl die Adventszeit noch nicht begonnen hat, sorgen wir uns schon um Weihnachten. Sicher ist: Auch wenn wir das Fest dieses Jahr anders feiern, wir feiern es irgendwie. Ob mit vertrauten Menschen aus zwei Haushalten an einem Tisch – oder mit vielen weiteren vor einer Videokamera.

    Das Oktoberfest fand auch im Corona-Jahr statt - nur anders

    Bräuche müssen auch unter schwierigen Umständen leben dürfen. Das zeigt das Oktoberfest. Es fand heuer in Wirtshäusern und Biergärten statt. Auch wenn die Ersatz-Wiesn umstritten waren, ein Gefühl bleibt zurück: Die Menschen lebten ein bisschen Normalität.

    Traditionen sind auch deshalb so wichtig, weil sie Verhaltensweisen weitergeben, Werte prägen. Manche Kinder erleben dieses Jahr zum ersten Mal Weihnachten bewusst. Das ist prägend – weshalb Eltern sie umso mehr in Weihnachtsstimmung versetzen müssen. Es ist verkraftbar, nicht über Christkindlmärkte zu laufen. Weniger verkraftbar ist es, wenn Kinder nicht „O du fröhliche“ singen und nicht den Zusammenhalt der Familie erleben.

    Weihnachten hat als Tradition auch politische Bedeutung

    Das weiß auch die Politik. Der CDU-Politiker Ralph Brinkhaus versucht, den Menschen den November-Lockdown mit einem besonderen Satz zu vermitteln: „Es geht jetzt darum, dass wir Weihnachten relativ normal feiern können.“ Diese Aussage zeigt, wie die Tradition Weihnachten in einem christlich geprägten Land wie Deutschland Entscheidungen beeinflusst. Jetzt harte Einschränkungen hinnehmen und im Dezember befreiter leben? Zumindest die Hoffnung ist da, dass die Corona-Maßnahmen wirken und wir entspannt in die Festtage gehen können.

    Manche Traditionen müssen wir auch verändern

    Sosehr die Pandemie Traditionen verändert, so wenig schafft sie es, sie zu brechen. Es ist möglich, dieses Jahr Weihnachten zu feiern. Heuer war es auch möglich, dass ein Vater seinem Sohn – oder seiner Tochter – den Bauernhof übergibt. Eine Mutter konnte ihr Geschäft der Tochter – oder dem Sohn – vermachen. Traditionen geben Struktur, sie machen unser Leben einfacher. Wenn jemand den gleichen Beruf wie seine Eltern wählt, gewinnt er direkt die Anerkennung für ihn wichtiger Menschen.

    An Weihnachten gibt es viele Traditionen. Diese so gut es geht zu bewahren, ist gerade im Corona-Jahr 2020 wichtig. Ein Plakat in England stimmt auf ein anderes Weihnachten ein.
    An Weihnachten gibt es viele Traditionen. Diese so gut es geht zu bewahren, ist gerade im Corona-Jahr 2020 wichtig. Ein Plakat in England stimmt auf ein anderes Weihnachten ein. Foto: Dave Rushen, dpa

    Doch so gerne wir uns an Traditionen festhalten, von manchen müssen wir uns auch lösen. Wir müssen sie verändern, mit neuen Inhalten füllen. Ein „Das haben wir schon immer so gemacht“ gilt nicht mehr. Traditionen müssen gesellschaftlichen Fortschritt annehmen, sonst engen sie uns ein.

    Ein Beispiel dafür ist, wie sich in vielen Ländern die Tradition der Ehe verändert. Seit drei Jahren heiraten in Deutschland nicht nur Männer Frauen, sondern auch Männer Männer und Frauen Frauen. 47.000 homosexuelle Paare haben sich bis Ende 2019 das Jawort gegeben. Ist das ein Verrat des traditionellen Verständnisses der Ehe? Nein – im Gegenteil. Mehr Menschen als zuvor leben die Tradition der Ehe. Das ist ein Gewinn für die Gesellschaft.

    Dieser Artikel gehört zum Titelthema „Tradition“, das unsere Volontäre des Abschlussjahrgangs 2020 gestaltet haben. In ihren Texten setzen sie sich mit verschiedenen Aspekten von Tradition auseinander.

    Lesen Sie auch:

    Wie trifft die Corona-Krise Jugendliche? Hören Sie sich dazu unseren Podcast von Juni 2020 aus der Reihe "Augsburg, meine Stadt" an:

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