Der Staatenfeind Nr. 1 dieser Tage heißt nicht Osama bin Laden oder Kim Jong Il. Der Staatenfeind Nr. 1 hat weder Raketen noch Bomben. Seine Waffe ist das Wort, verbreitet mit Lichtgeschwindigkeit im Internet. Julian Assange, der Mitbegründer des Enthüllungsportals Wikileaks, greift an, will aufdecken und ist dennoch ständig auf der Flucht.
Er fürchte zwar nicht um sein Leben, sagte Assange Ende Oktober, seine Sicherheit müsse aber verbessert werden. Die CIA sucht ihn wegen Spionage, Schweden erhebt derzeit zum zweiten Mal Vergewaltigungsvorwürfe. Die Klägerinnen sollen zwei junge Frauen sein. Assange weist die Vorwürfe von sich und hält es für bedenklich, dass sie stets zeitlich nahe zu großen Veröffentlichungen auftauchen.
Seit wenigen Tagen dürfte der Sprecher von Wikileaks noch mehr Feinde haben. In Saudi-Arabien, den USA, Deutschland, der Welt. Nur ein Land scheint zu ihm zu stehen: Ecuador bietet Julian Assange jetzt Asyl an.
Wer ist Julian Assange? Ein Physiker, ein Hacker und ein Mitbegründer
Wer ist der Mann, der es schafft, die Welt mit Worten in Aufruhr zu versetzen? Er ist Australier, wurde 1971 geboren und studierte Physik. Nach seinem Studium soll er ein Hacker und Programmierer gewesen sein. 2006 kommt die große Wende in seinem Leben: Er begründet Wikileaks mit, bezeichnet sich jedoch ausdrücklich nicht als der Gründer. Mit den Veröffentlichungen geheimer Dokumente auf Wikileaks hofft Assange, die öffentliche Meinung verändern zu können, selbst die "von Menschen mit politischem und diplomatischem Einfluss". Zwar könnten seine Dateien keine Kriege beenden, den politischen Willen aber beeinflussen, sagt er.
Damit wehrt sich der Mann aus Australien gegen den Vorwurf, er würde Geheimnisverrat begehen. Es gebe berechtigte Geheimnisse, sagt Assange. Es gebe jedoch auch "eine Berechtigung, sie zu brechen". Die endet für ihn dort, wo Menschenleben durch Veröffentlichungen gefährdet werden könnten. Doch genau das werfen ihm die USA vor.
Haltlos nennt Assange die Anschuldigungen: "Es gibt selbst von US-Seite keine Berichte, wonach in Afghanistan und im Irak wegen Wikileaks auch nur eine Person verletzt oder getötet worden wäre."
Um seinen Kampf zu führen, lebt Julian Assange im Halbschatten der Weltgeschichte. Monatelang war er abgetaucht, sagte Auftritte ab. Der Australier teilte mit, dass eine Reise in die USA für ihn ungemütlich werden könnte. Unbegründet sind solche Ängste nicht. Mehrfach wurde er verhaftet, abgehört und zensiert. In Malaysia nahm ihn der Geheimdienst 2009 fest, nachdem sich Assange mit dem Oppositionsführer getroffen hatte, sein Heimatland Australien entzog ihm für kurze Zeit den Reisepass.
Warum er trotzdem weitermacht? "Manchmal kann ein einziges Video einen Krieg stoppen." Von Niko Steeb