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Wikileaks-Gründer: Keine Auslieferung: Unverhoffter Erfolg für Assange

Wikileaks-Gründer

Keine Auslieferung: Unverhoffter Erfolg für Assange

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    Wikileaks-Gründer Julian Assange an einem Fenster der ecuadorianischen Botschaft. Der britische Strafgerichtshof hat den US-Auslieferungsantrag für Assange abgelehnt.
    Wikileaks-Gründer Julian Assange an einem Fenster der ecuadorianischen Botschaft. Der britische Strafgerichtshof hat den US-Auslieferungsantrag für Assange abgelehnt. Foto: Dominic Lipinski/PA Wire, dpa (Archiv)

    Der Fall wirkt bereits verloren für Julian Assange. Beinahe eine Stunde lang führt Richterin Vanessa Baraitser aus, warum sie die Argumente seiner Verteidigung größtenteils nicht akzeptiert. Warum das Handeln des Wikileaks-Mitgründers über das eines investigativen Journalisten hinausgegangen sei, und warum das Gericht nicht überzeugt von der Behauptung ist, dass es sich bei Assange um ein Opfer politischer Verfolgung handele oder er kein faires Verfahren in den USA erwarte. "Das Recht auf freie Meinungsäußerung bietet Menschen wie Herrn Assange keinen uneingeschränkten Ermessensspielraum, um über das Schicksal anderer zu entscheiden."

    Assange verfolgte die Worte der Richterin ruhig

    Assange verfolgt die Worte ruhig. Dann, am Ende der Sitzung im Londoner Strafgericht Old Bailey, folgt die Wende – und das für viele Beobachter unerwartete Urteil: Der Antrag auf Auslieferung an die USA wird abgelehnt. Bezirksrichterin Baraitser begründete ihre Entscheidung mit dem Gesundheitszustand des 49-Jährigen sowie den Haftbedingungen, die ihn in den USA erwarten würden. Sie habe den Eindruck eines "depressiven und manchmal verzweifelten Mannes" gewonnen, der "aufrichtig um seine Zukunft" fürchte. Es gebe keine Garantie dafür, dass er sich nicht das Leben nehmen werde, wenn er in den USA in Isolationshaft kommen würde. Dort drohen ihm wegen der Veröffentlichung von hunderttausenden US-Dokumenten und Videos aus dem Irak- und Afghanistan-Krieg bis zu 175 Jahre Haft.

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    Vor dem Gerichtsgebäude jubelten Assange-Unterstützer nach dem Urteil. Stella Moris, die Verlobte des Whistleblowers, mit der er zwei Kinder hat, brach nach dem Urteilsspruch in Tränen aus. In einem anschließenden Statement pries sie die Entscheidung als "einen Sieg für Julian" und "einen ersten Schritt in Richtung Gerechtigkeit".

    Ob der Australier aber so schnell freikommt, ist unklar. Die USA kündigten an, in Berufung zu gehen. Und so bleibt Assange vorerst im Hochsicherheitsgefängnis Belmarsh in Gewahrsam. Assanges Anhänger bewerten das Urteil dennoch als Erfolg für dessen Kampf gegen die US-Behörden, der nun schon seit einem Jahrzehnt andauert. Sieben Jahre lang hatte der Australier in der ecuadorianischen Botschaft in London im Asyl verbracht, um einer Auslieferung nach Schweden zu entgehen, wo er wegen Missbrauchs- und Vergewaltigungsvorwürfen befragt werden sollte. Assange fürchtete, von dort in die USA ausgewiesen zu werden.

    Ein Militär-Video schockte die Öffentlichkeit

    Zunächst ging es um jene Papiere, die die mittlerweile begnadigte Whistleblowerin Chelsea Manning der Enthüllungsplattform zugespielt hatte. Als Assange im April 2019 in der Botschaft verhaftet wurde, fügte die US-amerikanische Grand Jury 17 Anklagepunkte hinzu. Im Zentrum steht der Vorwurf, 2010 geheime diplomatische und militärische Dokumente erhalten und publiziert zu haben. Konkret geht es um Berichte der US-Armee über die Kriege im Irak und in Afghanistan, hunderttausende Diplomatendepeschen sowie ein Militär-Video, das die Öffentlichkeit schockiert, Wikileaks weltweit berühmt gemacht und eine diplomatische Krise ausgelöst hat.

    Der Fall Assange beschäftigt die Weltöffentlichkeit, weil er nicht nur das Schicksal eines Mannes betrifft, an dem sich die Geister scheiden. Er berührt vor allem grundsätzliche Fragen der Pressefreiheit. Ist er Held oder Verbrecher? Journalist oder Spion? Assanges Anwälte pochen darauf, dass er als Journalist gehandelt hat und die Leaks demnach als Enthüllungen verstanden werden müssen. Dagegen klagt ihn die US-Regierung als Spion an und beschuldigt ihn des Geheimnisverrats.

    Reporter ohne Grenzen kritisiert die Richterin

    Die Nichtregierungsorganisation Reporter ohne Grenzen begrüßte die Entscheidung zwar, kritisierte aber die Begründung: "Die Richterin hält die Anklagepunkte der USA in der Sache für gerechtfertigt und gibt dem Auslieferungsantrag nur deshalb nicht statt, weil Assange in schlechter gesundheitlicher Verfassung ist", sagte Geschäftsführer Christian Mihr. Das lasse eine Hintertür offen für die Verfolgung von Journalisten weltweit, "die geheime Informationen von großem öffentlichen Interesse veröffentlichen".

    Lesen Sie dazu den Kommentar: Keine Auslieferung von Assange: Richtiges Urteil, falsche Begründung

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