In Quiz-Shows wie der von Jörg Pilawa im Herbst ist sie ein gern gesehener Gast. Und auch bei Preisverleihungen wie der am Samstag. Da hielt die Fürstin in Essen die Laudatio auf den Schlagerbarden Heino, der für sein Lebenswerk mit dem Steiger Award geehrt wurde. Der Steiger ist eine fast legendäre Figur im Bergbau, besungen unter anderem von Heino: „Glück auf, Glück auf, der Steiger kommt“. Geehrt wurden Menschen, die in ihrem Handeln und Denken Geradlinigkeit, Offenheit und Toleranz beweisen.
Mariae Gloria Fürstin von Thurn und Taxis bekannte sich als „der absolute Heino-Fan“. Wie der Kölner Dom, wie die Loreley, wie Schloss Neuschwanstein gehöre Heino zu Deutschland. Das Publikum liebt sie für solche Sätze – und ereifert sich zugleich über andere ihrer Sätze.
Der Satz, der Schwarze schnacksele gerne, hängt ihr bis heute nach
Denn die strenggläubige Katholikin verhehlte auch in der Öffentlichkeit, im Fernsehen nie ihre Glaubensüberzeugungen. 2001 sagte sie, der Schwarze schnacksele gerne. Es ging um Aids in Afrika und Verhütung. Der Satz hängt ihr bis heute nach. Im Januar verzichtete das New Yorker „Museo del Barrio“, das lateinamerikanische Kunst ausstellt, auch deswegen darauf, die Kunstsammlerin und Mäzenin Gloria zu ehren. 2001 sagte sie in der ARD-Talkshow „Friedman“ zudem: „Sex ist dazu da, um Kinder zu kriegen.“ Oder: „Abtreibung ist Mord“. Sie sagt und schreibt das seitdem immer wieder.
Glorias Positionen sind bekannt. Weniger bekannt ist, dass die 59-Jährige eine begnadete Netzwerkerin ist. Versucht sie, (erz-)konservative Katholiken und Europas Rechtspopulisten zusammenzubringen, um gemeinsam Themen auf die politische Agenda zu setzen? Ist sie gar die „Prinzessin von Europas extremer Rechten“, als die sie von einer New Yorker Professorin bezeichnet wurde?
Wer verstehen will, wie eng die kirchliche und die weltliche Rechte miteinander verwoben sind und welche Rolle Gloria in diesem Gewebe spielt, findet Antworten in der prächtigen Zisterzienserabtei Trisulti in Italien. Eine kurvige, schmale Straße führt zu ihr hinauf. Hier, im bezaubernden Niemandsland gut 100 Kilometer südlich von Rom, soll ein radikaler Kulturwandel eingeläutet werden.
Benjamin Harnwell, 43, empfängt an diesem Tag im März mit einem intensiven, fast strengen Blick. Ab und zu blitzt ein ironischer Gestus um seine Mundwinkel auf. Dass er es ernst meint, ist aber kaum zu bezweifeln. Der Brite ist Leiter des in Rom ansässigen Dignitatis Humanae Institute (DHI), einer erzkonservativen Denkfabrik, die militante Abtreibungsgegner und ultrakatholische Papstkritiker verbindet. Manche halten die Vereinigung für die maßgebliche Oppositionsplattform gegen Papst Franziskus, auch der deutsche Kurienkardinal und Franziskus-Kritiker Walter Brandmüller zählt zum Beirat. Brandmüller lehrte lange als Professor in Augsburg, im Kreis Landsberg betreute er eine Pfarrgemeinde.
In Trisulti will Harnwell eine Akademie aufbauen, in der kommende Generationen von Politikern und Netzwerkern zu ultrakatholischen Rechtspopulisten ausgebildet werden sollen. Für die Europawahlen im Mai ist das zu spät. Nicht aber etwa für die Zeit nach Emmanuel Macron, dem europafreundlichen – und politisch angeschlagenen – Präsidenten Frankreichs. Oder für ein Deutschland in nicht allzu ferner Zukunft. Eines, in dem die Große Koalition auseinandergebrochen sein wird und in dessen Osten sich die AfD nach Landtagswahl-Erfolgen endgültig als treibende politische Kraft etabliert haben könnte. Es sind unsichere Zeiten. Es sind gute Zeiten für Rechtspopulisten und ihre Agenda.
„Gladiatorenschule für Kulturkrieger“ nannte Steve Bannon das Projekt
In Harnwells Worten geht es um nichts weniger als die „Verteidigung der christlich-jüdischen Fundamente der westlichen Zivilisation“ und die Förderung des „populistischen Nationalismus“. Harnwell sagt das, ohne mit der Wimper zu zucken. „Gladiatorenschule für Kulturkrieger“ nannte Steve Bannon das Projekt. Der ehemalige Chefberater von US-Präsident Donald Trump und frühere Chef von Breitbart News legte den ideologischen Grundstein dafür. Fünf Jahre ist es her, dass er auf einer vom DHI ausgerichteten Konferenz im Vatikan eine „sehr, sehr, sehr aggressive Haltung“ gegen den radikalen Islam empfahl. „Der Vortrag war die Blaupause für unser Projekt“, sagt Harnwell über die Rede seines Freundes.
Nachdem Bannon maßgeblich daran beteiligt war, die öffentliche Debatte in den USA weiter nach rechts zu verschieben, versucht er das nun in Europa. 2018 traf er unter anderem Alice Weidel und Beatrix von Storch von der AfD sowie Italiens rechtsnationalistischen Innenminister Matteo Salvini. Der sieht in einer Allianz der Rechtspopulisten bei den Europawahlen die „letzte Möglichkeit zur Rettung Europas“. Bannon bezeichnete Harnwell als „den schlauesten Typen in Rom“. Auf der DHI-Webseite bewirbt Harnwell das Zitat wie einen Ritterschlag. „Die Basis dessen, was wir tun, ist Jesus Christus“, sagt er.
Was Gloria von Thurn und Taxis mit all dem zu tun hat? Im kommenden Jahr sollen in Trisulti Kurse in Philosophie, Theologie, Geschichte und Wirtschaft beginnen, US-Ideologe Bannon soll einen Kurs über Medien abhalten. Über die Geldgeber des Projekts will Harnwell kaum etwas verraten, offenbar handelt es sich um vermögende Finanziers, um Abtreibungsgegner aus den USA. Auch Bannon soll gespendet haben.
Gloria, so viel ist klar, war schon in Trisulti. Als man sie fragte, ob sie sich an der Finanzierung der Rechtspopulisten-Akademie beteiligen wolle, lehnte sie ab, heißt es. Dennoch ist die Fürstin im römischen Dunstkreis von Bannon und Harnwell unterwegs und pflegt engen Kontakt zu US-Kardinal Raymond Leo Burke, dem ultrakatholischen DHI-Ehrenvorsitzenden. Dass auch ihr Regensburger Schloss St. Emmeram ein potenzielles Trisulti sei, eine potenzielle „Gladiatorenschule“ für konservative Katholiken auf einem Kreuzzug zur Bewahrung kirchlicher Traditionen, wie das ein New York Times-Autor im Dezember schrieb, dementiert sie. Sie biete ein offenes Haus.
Wie sie Menschen zusammenbringt – Strippenzieher, Multiplikatoren mit Einfluss jeglicher Art – lässt sich im Herbst 2016 auf St. Emmeram beobachten, wo sie eine illustre Runde versammelt. Unter den Gästen: Peter Gauweiler, CSU-Politiker und Protestant; Henryk M. Broder, Publizist und Jude; Hans Magnus Enzensberger und Martin Mosebach, die Schriftsteller; Prälat Wilhelm Imkamp, der damals Wallfahrtsdirektor von Maria Vesperbild im Kreis Günzburg ist und inzwischen seinen Ruhestand in Glorias Schloss verbringt. Der Bruder des emeritierten Papstes Benedikt XVI., Georg Ratzinger, ist ebenfalls da. Und Journalisten.
Der Kollege der Zeit wird später schreiben: Hier werde „einer Kirche Auftritt und Publikum verschafft, die anderswo auf dem Rückzug ist: eine Ecclesia triumphans, eine Kirche des Glanzes (und der Gloria)“. Glorias Gästen attestiert er eine geteilte Gewissheit, „gegen den Strom der Gegenwart zu stehen, den man hier gerne Mainstream nennt“.
Rund 70 Gästen soll das neue Buch von Gerhard Ludwig Kardinal Müller vorgestellt werden, „Die Botschaft der Hoffnung“. In Anwesenheit des Kirchenmanns, der da noch Präfekt der Glaubenskongregation im Vatikan und damit der oberste Glaubenshüter der katholischen Kirche ist. Seit Wochen gibt es Gerüchte, er habe sich mit Papst Franziskus überworfen und stehe vor der Ablösung. Das liefert Gesprächsstoff an manchen Tischen.
Gloria chauffiert den Kardinal im Golfwägelchen vor das Schloss
Wie auch, dass Sven von Storch, der Mann von AfD-Politikerin Beatrix von Storch, und Michael Klonovsky geladen sind. Klonovsky ist „publizistischer Berater“ der damaligen AfD-Vorsitzenden Frauke Petry, heute arbeitet er als „persönlicher Referent“ des AfD-Bundestagsfraktionschefs Alexander Gauland. Bevor man sich unter den Kronleuchtern des „Barocksaals“ aber zu Tische begibt, braust ein Golfwägelchen über das Regensburger Pflaster. Ist das nicht? Ja, es ist Gloria, die ihren hochwürdigsten Ehrengast Müller bis vor den Schlosseingang fährt.
Dort: großer Auftritt, zumal sie sich vor dem Kardinal auf den Kies kniet und seinen Ring küsst. Eine Szene, die Gloria treffender beschreibt als jeder noch so lange Zeitungsbericht und jede noch so ausführliche TV-Dokumentation. Das ist die ganze Gloria: „Punk-Prinzessin“ und strenggläubige Katholikin.
Gegen Mitternacht hebt Kardinal Müller zu einer kurzen Rede an: „Die Welt ist furchtbar.“ Er ist der Höhepunkt des Abends, seine Anwesenheit ein Zeichen wider den „Zeitgeist“. In seinem Buch, ein Interviewband, sagt er: „Angesichts einer aggressiven laizistischen Welt dürfen wir uns nicht fürchten, uns als überzeugte und praktizierende Christen zu zeigen!“ Er beklagt einen „Virus der modernen Ideologien mit ihrer Absicht, Ehe und Familie zu relativieren“. Müller, früher Regensburger Bischof, sollte im Sommer 2017 tatsächlich von Papst Franziskus geschasst werden. Seitdem kritisiert er ihn noch unverhohlener.
Bald nach seiner Tischrede die Verabschiedung. Dass Gloria eine ausgezeichnete Gastgeberin ist, hörte man. Nun weiß man, warum. Sie hielt sich im Hintergrund und war doch präsent; hatte sichtlich Freude daran, Menschen ins Gespräch miteinander zu bringen. Als Gäste bereits Schlange stehen, um ihr die Hand zu schütteln, gibt sie jedem das Gefühl, in dem Moment nur ihm zuzuhören. Das gelingt charismatischen Menschen. Dieses Gefühl vermag auch Papst Franziskus in Privataudienzen zu vermitteln. Gern würde man mit „Gloria TT“, wie sie ihre Mails zeichnet, auch für diesen Text reden. Fragen an ihr Büro zur Weiterleitung lauten: Wie sieht sie ihre Rolle als Netzwerkerin innerhalb der katholischen Kirche? Wie steht sie zu Bannon? Ihre Durchlaucht die Fürstin von Thurn und Taxis habe für ein Interview momentan leider keine Zeit, heißt es.
Gloria führt ein internationales Leben. Sie ist dort, wo gesellschaftlich etwas passiert. Als US-Kardinal Burke, der erbitterte Papstkritiker, im Juni 2018 in einem Priesterseminar in der Toskana seinen 70. Geburtstag feiert, ist sie eingeladen. Sie sitzt in unmittelbarer Nähe des Geehrten, als Seminaristen in Schürzen eine mit Kardinalshut und roten Rosen verzierte Torte servieren. Ihre Nähe zu – einst – mächtigen Kirchenmännern ist groß. Wie groß aber ist ihr Einfluss auf sie, wie stark ihre Absicht, Politik mitgestalten zu wollen?
Während sich in konservativen Kirchenkreisen in Rom das Verhältnis zur als geizig verschrienen Gloria abgekühlt hat, ist Benjamin Harnwell voll des Lobes. „Ich liebe Prinzessin Gloria“, sagt er und erwähnt ihren Einsatz für das traditionalistische Milieu in Rom, wo sie eine Wohnung besitzt. Man tausche regelmäßig SMS und E-Mails aus. Gloria sei ein Vorbild, „ehrlich und integer“, das sehe auch Steve Bannon so. Sie wiederum scheint eher von Harnwells Pietismus als von Bannons Weltveränderungsplänen überzeugt zu sein. Der dreimal verheiratete US-Amerikaner ist ihr offenbar zu wenig fromm, ganz im Gegenteil zu Harnwell.
In der Klosterkirche von Trisulti kniet Harnwell bei der Begegnung tief nieder. Neben der Rechtspopulisten-Akademie will er eine zwölfköpfige Laiengemeinschaft etablieren. Auch die Klosterdistillerie möchte er wieder in Betrieb nehmen. Mönche erfanden hier den beliebten Sambuca. An Ideen und Energie fehlt es ihm nicht.
Auch das hat er mit Gloria gemein. Im Gegensatz zu ihren Glaubensüberzeugungen hält die sich in der Öffentlichkeit jedoch bedeckt, was ihre politischen Überzeugungen angeht. Dass diese teils deckungsgleich etwa mit denen der AfD sind – beim Thema Abtreibung, Familienbild oder „Gender-Ideologie“ – ist offensichtlich. Wie sie zur AfD steht? Kurz nach der Bundestagswahl 2017 beschrieb sie das in einer Kolumne in der Regensburger Gratiszeitung Wochenblatt so: „Ich weiß noch nicht, was ich abschließend von der AfD halten soll.“ Man müsse beobachten und abwarten.
Beobachten, abwarten – es ist das, was eine Netzwerkerin tut.