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Weltflüchtlingstag: Gauck: "Deutschland muss mehr für Flüchtlinge tun"

Weltflüchtlingstag

Gauck: "Deutschland muss mehr für Flüchtlinge tun"

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    Bundespräsident Joachim Gauck und Asma Abubaker Ali, die aus Nordafrika geflohen ist, unterhalten sich bei einer Gedenkstunde zum ersten bundesweiten Gedenktag für die Opfer von Flucht und Vertreibung.
    Bundespräsident Joachim Gauck und Asma Abubaker Ali, die aus Nordafrika geflohen ist, unterhalten sich bei einer Gedenkstunde zum ersten bundesweiten Gedenktag für die Opfer von Flucht und Vertreibung. Foto: Rainer Jensen dpa

    Am ersten deutschen Gedenktag für die Opfer von Flucht und Vertreibung hat Bundespräsident Joachim Gauck auch um Verständnis für die heutigen Flüchtlinge geworben. "Ich wünschte, die Erinnerung an die geflüchteten und vertriebenen Menschen von damals könnte unser Verständnis für geflüchtete und vertriebene Menschen von heute vertiefen", sagte Gauck am Samstag bei der zentralen Gedenkfeier im Historischen Museum in Berlin. "Auf eine ganz existenzielle Weise gehören sie nämlich zusammen - die Schicksale von damals und die Schicksale von heute."

    Ende des Zweiten Weltkrieges verloren 14 Millionen Deutsche ihre Heimat

    Umgekehrt könne "die Auseinandersetzung mit den Entwurzelten von heute unsere Empathie mit den Entwurzelten von damals fördern", sagte der Bundespräsident laut Redetext. Insgesamt hätten am Ende des Zweiten Weltkriegs zwölf bis 14 Millionen Deutsche durch Flucht und Vertreibung ihre Heimat verloren. Die Bevölkerung in beiden Teilen Deutschlands sei um nahezu 20 Prozent gewachsen. "Das sollten wir uns gerade heute wieder bewusst machen: Flucht und Vertreibung verändern nicht nur das Leben der Aufgenommenen, sondern auch das Leben der Aufnehmenden", sagte er.

    Gauck: Flüchtlingszahlen dürften weiter steigen

    Gauck rief die Bundesbürger auf, "Offenheit für das Leid des Anderen" zu zeigen. Dies führe zu Verständnis und Nähe. "Daran sollten wir auch heute denken, wenn in unserem Ort, in unserem Stadtteil oder in unserer Nachbarschaft Fremde einquartiert werden, die des Schutzes bedürfen." Noch nie seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs seien so viele Menschen entwurzelt gewesen. Und die Zahlen dürften weiter steigen.

    Bundespräsident: Sichere Zuflucht für Flüchtlinge selbstverständlich

    "Wir stehen vor einer großen Herausforderung, einer Herausforderung von neuer Art und neuer Dimension", sagte Gauck. Es sollte eine selbstverständliche moralische Pflicht aller Staaten Europas sein, Flüchtlinge vor dem Tod im Mittelmeer zu retten und Menschen eine sichere Zuflucht zu gewähren. "Einen derartigen Schutz halte ich nicht für verhandelbar", betonte Gauck. Dies sei so lange verpflichtend, bis diese Menschen gefahrlos in ihre Heimat zurückkehren oder hierzulande oder anderswo sicher leben könnten.

    Gedenktag für Flüchtlinge und Vertriebene

    Flüchtlingsrouten nach Europa

    Von Libyen nach Italien: Auf dem Land- und Seeweg ist die Route von der libyschen Küste über das zentrale Mittelmeer nach Süditalien mit 170 757 registrierten Grenzübertritten im vergangenen Jahr die mit Abstand wichtigste. Dort ereignete sich auch das jüngste Bootsunglück.

    Die Westafrika-Route: Wichtige Korridore sind auch die in Nordafrika gelegenen spanischen Exklaven Ceuta und Melilla sowie die zu Spanien gehörenden Kanarischen Inseln.

    Der östliche Mittelmeerraum: Der Land- und Seeweg mit dem Ziel Griechenland beginnt zum Beispiel im ägyptischen Alexandria oder er führt auf verschiedenen Strecken über die Türkei und dann weiter auf der Westbalkanroute nach Ungarn sowie der Route entlang der EU-Ostgrenze.

    Der Luftweg: Nach Angaben der europäischen Grenzschutzagentur Frontex reisen die meisten sogenannten illegalen Flüchtlinge jedoch mit dem Flugzeug nach Europa ein.

    Massengrab Mittelmeer: Seit Jahresbeginn sind nach Angaben der Internationalen Organisation für Migration (IOM) im Mittelmeer mehr als 1500 Menschen ertrunken. Zum selben Zeitpunkt im Vorjahr waren es demnach 108. Insgesamt zählte die Organisation im vergangenen Jahr 3291 tote und vermisste Flüchtlinge. Damit verläuft zwischen Europa und Afrika die „tödlichste Grenze der Welt“, wie es in einem IOM-Report heißt. Dort ereigneten sich 2014 drei Viertel der weltweiten Todesfälle von Flüchtlingen.

    Triton: In der EU lief im vergangenen Jahr die italienische Seenotrettungsaktion Mare Nostrum aus und wurde durch Triton ersetzt. Das Programm läuft unter dem Dach von Frontex und stellt den Schutz der Grenzen in den Vordergrund. Es beschränkt sich anders als Mare Nostrum auf die 30 Seemeilen von der italienischen Küste. Zudem stehen nur ein Drittel des finanziellen Budgets und wesentlich weniger Ressourcen zur Verfügung. (kna)

    Gauck forderte zudem dazu auf, die Möglichkeiten von Flüchtlingen und die Chancen für unsere Gesellschaft nicht zu verkennen. "Erinnern wir uns daran, welch großen Anteil Flüchtlinge und Vertriebene am erfolgreichen Wiederaufbau Deutschlands hatten", sagte der Bundespräsident. "Vor 70 Jahren hat ein armes und zerstörtes Deutschland Millionen Flüchtlinge zu integrieren vermocht. Denken wir heute nicht zu klein von uns." 

    An der Gedenkfeier in Berlin nahmen auch Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) und der Präsident des Bundesrats, Hessens Ministerpräsident Volker Bouffier (afp/AZ

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