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"Waterkantgate"-Affäre: Auch 25 Jahre nach Uwe Barschels Tod bleiben die Zweifel

"Waterkantgate"-Affäre

Auch 25 Jahre nach Uwe Barschels Tod bleiben die Zweifel

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    Wurde vor 25 Jahre tot aufgefunden: Uwe Barschel.
    Wurde vor 25 Jahre tot aufgefunden: Uwe Barschel. Foto: Werner Baum, dpa

    Erst ein riesiger Politik-Skandal, dann der rätselhafte Tod des darin verstrickten Spitzenpolitikers: Die "Barschel-Affäre" hielt 1987 die Republik in Atem. Vor 25 Jahren, am 11. Oktober, starb der frühere Ministerpräsident Uwe Barschel an Medikamentenvergiftung. Das "Stern"-Foto mit der bekleideten Leiche des CDU-Politikers in der Badewanne seines Hotelzimmers im Genfer "Beau Rivage" ging um die Welt.

    Deutschland war erschüttert über die tragische Eskalation einer politischen Affäre. Für den Norden wurde sie zum Trauma mit Spätwirkungen bis heute. "Das Unnormale ist bei uns manchmal immer noch das Normale", sagte Ex-Ministerpräsident Peter Harry Carstensen (CDU) ein Vierteljahrhundert später der Deutschen Presse-Agentur dpa.

    Beispielloser Skandal im Wahlkampf

    Nahm sich Barschel in auswegloser Lage das Leben, weil er als politischer Schurke und Lügner dastand, nach einem beispiellosen Skandal um Wahlkampf-Schmutzaktionen aus seiner Staatskanzlei gegen SPD-Kontrahent Björn Engholm? Oder wurde der 43-Jährige ermordet, von einem Geheimdienst wegen einer - nie bewiesenen - Verwicklung in illegalen Waffenhandel? Ein sicheres Ja gibt es bis heute auf keine dieser Fragen.

    Ob sich das je ändert, ist zumindest zweifelhaft. Selbst wenn neue Spuren auftauchen, wie vor Wochen an Barschels Socken und Strickjacke, steht ihr Nutzen infrage, denn es müssten sich ja in den DNA-Banken auch mordverdächtige Vergleichspersonen finden. Dennoch: "Für mich besteht kein Zweifel, dass es Mord war", erklärt Barschels Witwe Freya schriftlich auf dpa-Fragen. Sie hält auch weitere Untersuchungen für notwendig, vor allem DNA-Abgleiche.

    Spiegel hatte "Waterkantgate" ins Rollen gebracht

    Politik-Skandale - von Watergate bis Barschel

    WATERGATE: Während des US-Wahlkampfs 1972 installierten Einbrecher im hier ansässigen Hauptquartier der Demokratischen Partei Abhöranlagen. Die Spur führte zum Wahlkampfteam der Republikaner und ins Weiße Haus zu Präsident Richard Nixon. Nixon versuchte, die Affäre zu vertuschen, musste aber 1974 zurücktreten.

    MONICA-GATE: Eine Sexaffäre mit der Praktikantin Monica Lewinsky brachte den demokratischen US-Präsidenten Bill Clinton 1997/98 an den Rand der Amtsenthebung. Zunächst leugnete er unter Eid das Verhältnis, gab aber schließlich eine «unangemessene» Beziehung zu. Ein Antrag zu seiner Entlassung fand im Kongress keine Mehrheit. Clinton blieb im Amt.

    IRAN-CONTRA-GATE: In der Affäre ging es 1986/87 um geheime US-Waffenlieferungen an den verfeindeten Iran. Ein Teil der Erlöse wurde an die rechtsgerichteten «Contras» in Nicaragua weitergeleitet. Der republikanische Präsident Ronald Reagan wusste angeblich von nichts und blieb ungeschoren.

    WATERKANT-GATE: Einer der größten deutschen Politskandale drehte sich 1987 um Machenschaften im schleswig-holsteinischen Landtagswahlkampf. Dabei wurde SPD-Spitzenkandidat Björn Engholm illegal ausgespäht und denunziert. Ministerpräsident Uwe Barschel (CDU) gab sein «Ehrenwort», dass die Vorwürfe haltlos seien. Wenig später wurde er in Genf tot aufgefunden.

    KLIMA-GATE: Hacker kopierten 2009 Mails und Dokumente von Klimaforschern und stellten sie ins Internet. So versuchten sie, die Erkenntnisse führender Wissenschaftler ins Zwielicht zu ziehen. Diese hätten versucht, Gegner ihrer Thesen aus der Diskussion im Weltklimarat zu verdrängen.

    RUBY-GATE: Der damalige italienische Ministerpräsident Silvio Berlusconi kam 2010 wegen seiner Beziehung zum minderjährigen Partygirl «Ruby» in Bedrängnis. Er soll der 17-jährigen Marokkanerin auch für die Teilnahme an Sexpartys («Bunga-Bunga») viel Geld gezahlt haben - was der längst als «Frauenheld» bekannte Politiker bestreitet.

    Das Klima war aufgeheizt, als 1987 Barschels Tod gemeldet wurde. Einen Monat vorher, kurz vor einer brisanten Landtagswahl, hatte der "Spiegel" einen Skandal enthüllt: Der Staatskanzlei-Referent Reiner Pfeiffer war Engholm mit schrägen Methoden angegangen. Er ließ Detektive auf ihn los, setzte ihn mit einem falschen Aids-Verdacht unter Druck und bezweifelte mit einer anonymen Anzeige die Steuerehrlichkeit des SPD-Mannes. Gestützt auf Pfeiffers Aussagen, entstand in der Öffentlichkeit das Bild, Barschel sei Mitwisser und gar Auftraggeber für die Aktionen gewesen. Posthum, 1993 entlastete ihn ein Untersuchungsausschuss in wichtigen Punkten, aber nicht vollständig.

    Barschel beteuerte per "Ehrenwort" seine Unschuld, aber selbst die eigene Partei glaubte ihm nicht. Nach fünf Jahren im Amt musste er abtreten. Er floh nach Gran Canaria und wollte mit angeblichen Entlastungsaussagen eines mysteriösen Unbekannten zurückkehren.

    Ermittlungspannen der Behörden in der Schweiz

    Dann die Todesmeldung, an einem Sonntag. Barschel habe sich auf dem Rückflug vom Urlaub erschossen, berichtete "Bild" unter Berufung auf seine engste Umgebung. Das LKA bestätigte dies sogar, bevor die Regierung einen Tod durch Erschießen dementierte. Noch am Abend schloss Barschels Familie einen Selbstmord völlig aus. Vor dem Landeshaus in Kiel versammelten sich aufgewühlte Menschen. Kurz vor Mitternacht hieß es aus Genf, Fremdverschulden oder eine Gewalttat seien völlig auszuschließen.

    Dann wurden schwere Ermittlungspannen publik. So warf die Polizei wohl Medikamentenpackungen weg und - da ihre Kamera versagte - gab es kein offizielles Tatortfoto. Merkwürdigkeiten wie eine aus dem Hotelzimmer verschwundene Rotweinflasche, ein abgerissener Hemdknopf, ein schmutziges Handtuch und ein Whiskyfläschchen mit geringen Spuren eines Schlafmittels, das auch in Barschels Körper war, hielten Spekulationen immer wieder am Köcheln - bewiesen haben sie nichts.

    Heute gibt es Anhänger für beide Theorien

    Christian Wulffs Kredit-Affäre und der legendäre Anruf: Bundespräsident Wulff geriet wegen eines verheimlichten Privatkredits Ende 2011 in die Schlagzeilen. Anfang 2012 wurde bekannt, dass Wulff mehrere Reportern mit "Krieg" gedroht habe, sollten sie über die Affäre berichten. Sein wütender Anruf bei Bild-Chef Kai Diekmann wurde nicht nur zum Politikum, sondern auch zum Ziel von Häme und Spott.
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    Es bleibt eine Glaubens- oder Überzeugungsfrage, ob Barschel aus eigenem Willen starb oder umgebracht wurde. Von Mord überzeugt war stets die Barschel-Familie. Der langjährige Chefermittler in dem Fall, Heinrich Wille, nannte sein Buch "Ein Mord, der keiner sein durfte". Willes Widerpart im Dauerstreit um Mord oder Selbstmord, der damalige Generalstaatsanwalt Erhard Rex, neigte der Suizid-These zu. Aber in einem Untersuchungsbericht legte er sich darauf 2007 nicht fest: "Der Tod von Dr. Barschel bleibt rätselhaft", schrieb Rex. "Es handelt sich weder um einen klassischen Mord noch um einen klassischen Selbstmord."

    Barschel hatte einen tödlichen Cocktail aus acht Medikamenten im Körper. Wie er hineinkam? Ein Rätsel. Darüber, ob Barschel noch in der Lage war, die letztlich tödliche Substanz selbst einzunehmen, stritten Gutachter. Sicher ist nur: Ein schlüssiges Motiv und einen Verdächtigen für ein Verbrechen konnte bis heute niemand liefern.

    Affäre hat Schleswig-Holstein stark geprägt

    Die Affäre und Barschels Tod bedeuteten einen Einschnitt in die Landesgeschichte Schleswig-Holsteins. Was anderswo kaum Bedeutung hätte, wird im Norden oft schnell in Zusammenhang mit 1987 gestellt. Politisch profitierte damals zunächst massiv die SPD. Engholm holte in einer Nachwahl 1988 die absolute Mehrheit. 1993 kam heraus, dass die SPD-Spitze früher als zugegeben von Pfeiffers Treiben wusste. Und Ex-Landesparteichef Günther Jansen dem Affärenmann sogar umgerechnet 25 000 Euro zustecken ließ. Nun musste Engholm abtreten.

    Heide Simonis übernahm und scheiterte 2005 beim Wiederwahlversuch an einem Abtrünnigen. Und für dieses Jahr ordnete das Verfassungsgericht eine vorgezogene Landtagswahl an. Wie sagte doch Carstensen?: "Das Unnormale ist bei uns manchmal immer noch das Normale". Wolfgang Schmidt, dpa

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