Plötzlich stand er da, der Name Guttenberg. Dort, wo man ihn nicht erwartet hätte - im Kompetenzteam von Julia Klöckner (CDU), die in Rheinland-Pfalz Ministerpräsidentin werden möchte. Der ersten Aufregung folgte prompt die Entspannung. Der ehemalige Bundesverteidigungsminister Karl-Theodor Freiherr zu Guttenberg ist es nicht. Sondern sein Bruder Philipp Franz. Nur ein Namensirrtum.
Und doch ist er wieder da, dieser Name, den einst ein Doktortitel zierte - bis zu der Plagiatsaffäre, die den Popstar unter den Bundespolitikern Amt und Ansehen kostete. Vor fünf Jahren, am 1. März 2011, trat er von seinem Ministerposten zurück. Was ist in der Zwischenzeit aus ihm geworden?
Guttenberg: Vorerst gescheitertes Comeback?
Nach seinem Rücktritt schaffte es die frühere CSU-Hoffnung immer wieder in die Schlagzeilen. Da wäre dieses Buch, das er über seinen Absturz schrieb, mit dem kampfeslustigen Titel "Vorerst gescheitert". Im Interview mit Zeit-Chefredakteur Giovanni di Lorenzo fiel er vor allem optisch auf. Am Haargel hatte er gespart und auch die Brille machte sich auf der Nase scheinbar nicht mehr so gut. Neues Aussehen, neues Image, neuer Angriff? In der deutschen Politik jedenfalls ohne Erfolg.
Etwa zu dieser Zeit wurde Guttenberg Berater der EU-Kommission, honorarfrei. Seine Aufgabe: Die Förderung der Freiheit des Internets. Es ging auch um die Frage, wie Internetnutzer, Blogger und Cyberaktivisten in autoritär regierten Ländern auf Dauer unterstützt werden können, immerhin zur Zeit des arabischen Frühlings. Die niederländische EU-Kommissarin Neelie Kroes hatte den pikanterweise durch Internetaktivisten gestürzten Ex-Minister in diese Funktion gebracht.
Ceta: Karl-Theodor zu Guttenberg tritt als Lobbyist auf
Guttenberg zog sich in die USA zurück. Dort gründete er Spitzberg Partners, eine Beratungs- und Investmentfirma in New York. Auf ihrer Homepage wirbt die Firma mit ihren transatlantischen Kontakten vor allem bei Start-Up-Unternehmen. Die Firma leitet er zusammen mit Ulf Gartzke, der zwischen 2004 und 2013 das Washingtoner Büro der CSU-nahen Hanns-Seidel-Stiftung leitete.
Spitzberg Partners ist unter anderem bei den Verhandlungen zum kanadisch-europäischen Freihandelsabkommen Ceta aufgefallen. Ceta gilt als Testlauf für das umstrittene TTIP-Abkommen zwischen USA und EU. Mit weiteren Unternehmen zusammen wurden die "Atlantic Advisory Partners" gegründet, das sich auf Ceta-Beratungen spezialisiert hat. Vor allem Gartzke tritt hier öffentlich in Erscheinung. Wie die Wirtschaftswoche berichtet, war aber auch Guttenberg 2015 für Ceta in Lobbymission unterwegs.
Gerüchte: Kommt Guttenberg zurück?
Kein Wunder also, dass sein Name immer noch durch die deutsche Politik geistert. Immer wieder kommt es zu "Guttenberg-Sichtungen" in Bayern, zuletzt bei einer Tagung auf Schloss Neufahrn (Landkreis Landshut). Gerüchte über Gerüchte eben.
Das jüngste dieser Gerüchte: Karl-Theodor zu Guttenberg wird Seehofer-Nachfolger als Parteichef der CSU, anstatt des designierten Kronprinzen Markus Söder. Das hat Guttenberg nun gegenüber der Süddeutschen Zeitung ausgeschlossen. "Die berechtigten Gründe für meinen Rücktritt sowie mein lausiger Umgang damit (würden) eine Rückkehr nicht rechtfertigen", sagte er der Zeitung.
Und doch ist er wieder ein bisschen da. CSU-Chef Horst Seehofer hat den Franken schließlich in sein Kompetenzteam für die Wahlen in Bund und Freistaat 2017 beziehungsweise 2018 gerufen, als Experte für Sicherheit und Digitalisierung.
Seinen Doktortitel hat Guttenberg im Übrigen in den vergangenen fünf Jahren nicht nachgemacht. Dafür trägt er jetzt wieder Brille und sogar einen Bart. (mit dpa)
Seehofer holt Guttenberg in sein Wahlkampfteam
Chronologie der Affäre Guttenberg
15. Februar 2011: Die "Süddeutsche Zeitung" berichtet vorab über mögliche Plagiate in der Doktorarbeit von Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU). Die Arbeit wurde 2006 an der Rechts- und Wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät der Universität Bayreuth eingereicht. Guttenberg hatte dafür die Bestnote summa cum laude erhalten.
16. Februar: In der "Süddeutschen Zeitung" stehen erste Plagiatsbeispiele, die der Bremer Juraprofessor Andreas Fischer-Lescano festgestellt hat. Guttenberg weist die Vorwürfe noch als "abstrus" zurück.
Kurz darauf berichtet die "Frankfurter Allgemeine Zeitung" in ihrer Online-Ausgabe, dass die Einleitung der Doktorarbeit aus einem Artikel in dem Blatt abgeschrieben sein soll. Der einleitende Absatz der Arbeit decke sich fast wortwörtlich mit einem 1997 erschienenen Text der Politikwissenschaftlerin Barbara Zehnpfennig.
17. Februar: Während Guttenberg die deutschen Truppen in Nordafghanistan besucht, werden in Deutschland fast stündlich neue Plagiatsvorwürfe laut. Erstmals werden Rufe nach einem Rücktritt laut. Im Internet wird eine Webseite für die Schummel-Recherche eröffnet. Unter "Guttenplag-Wiki" sollen die Vorwürfe gegen den CSU-Politiker gesammelt und bewertet werden.
18. Februar: Erstmals gehen Strafanzeigen gegen Guttenberg wegen der Plagiatsvorwürfe ein. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) sagt ihrem Minister Unterstützung für den Fall zu, dass er sich zu den Vorwürfen erkläre.
In einem eilig einberufenen Pressestatement entschuldigt sich Guttenberg am Mittag für "Fehler" und erklärt, er werde seinen Doktortitel bis zur Aufklärung durch die Uni Bayreuth nicht führen. Zugleich versichert er erneut: "Meine von mir verfasste Dissertation ist kein Plagiat."
21. Februar: Die Bundestagsfraktionen von SPD und Grünen wollen die Plagiatsvorwürfe zum Thema im Bundestag machen. "Guttenplag-Wiki" legt einen Zwischenbericht vor: Danach stehen 271 Seiten der Dissertation oder knapp 70 Prozent unter Plagiatsverdacht.
22. Februar: Der Wissenschaftsverlag Duncker und Humblot will Guttenbergs Doktorarbeit künftig weder ausliefern noch neu auflegen.
23. Februar: Die Universität Bayreuth entzieht Guttenberg den Doktortitel.
28. Februar: Wissenschaftler übergeben einen von 23.000 Doktoranden unterzeichneten offenen Brief an Merkel, in dem sie der CDU-Politikerin in der Plagiatsaffäre eine "Verhöhnung" aller wissenschaftlichen Hilfskräfte vorwerfen.
1. März: Guttenberg gibt seine politischen Ämter auf, wie er in einem kurzfristig anberaumten Statement erklärt. "Das ist der schmerzlichste Schritt meines Lebens", sagt er.
3. März: Guttenberg legt auch sein Bundestagsmandat nieder.
7. März: Die Staatsanwaltschaft Hof nimmt Ermittlungen gegen Guttenberg auf.
8. April: Die "Süddeutsche Zeitung" berichtet, dass die Universität offenbar davon ausgeht, dass Guttenberg absichtlich getäuscht hat.
15. April: Guttenberg hat kein politisches Mandat mehr. Der Kreistag des oberfränkischen Landkreises Kulmbach stimmt einstimmig Guttenbergs Antrag auf Niederlegung seines Amtes zu.
6. Mai: Jetzt ist es amtlich: Die Universität Bayreuth geht in ihrem Abschlussbericht davon aus, dass Guttenberg absichtlich getäuscht habe. "Nach eingehender Würdigung der gegen seine Dissertationsschrift erhobenen Vorwürfe stellt die Kommission fest, dass Herr Freiherr zu Guttenberg die Standards guter wissenschaftlicher Praxis evident grob verletzt und hierbei vorsätzlich getäuscht hat".
11. Mai: Die Universität stellt den über 80 Seiten langen Abschlussbericht inklusive einer Übersicht einiger der Zitierverstöße Guttenbergs in Bayreuth vor. "Evidente Plagiate" hätten sich über die ganze Arbeit verteilt gefunden.
23. November: Die Staatsanwaltschaft Hof gibt bekannt, dass die Ermittlungen gegen Guttenberg gegen Zahlung einer Geldauflage in Höhe von 20.000 Euro eingestellt wurden.