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Corona-Impfstoff: Warum ist Israel beim Impfen gegen Corona so viel schneller?

Corona-Impfstoff

Warum ist Israel beim Impfen gegen Corona so viel schneller?

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    Israel schreitet mit rasantem Tempo voran. Das Land gilt als Impf-Weltmeister. Allerdings musste auch bereits der dritte Lockdown angeordnet werden.
    Israel schreitet mit rasantem Tempo voran. Das Land gilt als Impf-Weltmeister. Allerdings musste auch bereits der dritte Lockdown angeordnet werden. Foto: Biontech

    Gut eine Woche ist es her, dass Deutschland mit seiner Impfaktion gegen das Coronavirus begonnen hat. Große Hoffnungen liegen in dem Impfstoff und seiner Verteilung. Doch kaum dass die ersten Spritzen gesetzt wurden, hagelte es auch schon Kritik. Zu wenig Impfstoff, zu schleppende Verteilung, in anderen Ländern gehe es schneller voran: Die Bundesregierung und auch die EU-Kommission stehen unter Rechtfertigungsdruck. Immer lauter und massiver werden die Vorwürfe. Inzwischen gerät gar die Kanzlerin persönlich in die politische Schusslinie. Was aber ist dran an der Schelte? Eine Spurensuche.

    Warum impft Israel schneller?

    Auf dem zentralen Rabin-Platz in Tel Aviv steht ein riesiges weißes Zelt. Im Minutentakt können dort Bürger gegen das Coronavirus geimpft werden – als Hilfestellung für überlastete Krankenhäuser. Schon seit dem 19. Dezember läuft in Israel eine massive Impfkampagne. Auf anfängliche Skepsis vieler gegen die Impfung folgte ein enormer Ansturm auf die Impfstationen.

    Das Impfen ist in Israel Chefsache. Als im Dezember ein Frachtflugzeug die erste Lieferung mit Impfstoffen des Mainzer Herstellers Biontech und seines amerikanischen Partners Pfizer nach Tel Aviv brachte, nahm Ministerpräsident Benjamin Netanjahu sie persönlich am Flughafen in Empfang. Wenig später war er der erste Israeli, der sich impfen ließ. Heute, keine zwei Wochen später, sagt er stolz: „Wir sind Impf-Weltmeister.“

    In Israel sind bereits etwa 13 Prozent der Bevölkerung geimpft

    Mehr als 1,2 Millionen Israelis haben mittlerweile eine Impfung gegen Corona erhalten, das sind etwa 13 Prozent der Bevölkerung. Antje C. Naujoks, eine deutsche Politologin, die seit vielen Jahren in Israel lebt und arbeitet, gehört zu ihnen. In der Woche nach Weihnachten hat sie von ihrer Krankenkasse eine SMS mit der Aufforderung erhalten, sich impfen zu lassen. Mit zwei Klicks auf dem Smartphone war der erste Impftermin festgelegt und der zweite reserviert – eine Anfahrtsbeschreibung via Waze, einem israelischen Navigationssystem, inklusive.

    Wer nicht auf die SMS reagiert, wird wenige Tage später von der Krankenkasse angerufen. „Weder bei der Vereinbarung des Termins noch bei der Impfung selbst ist Papierkram und somit Bürokratie im Spiel“, sagt Naujoks. Zwar seien die Israelis nicht unbedingt Weltmeister im vorausschauenden Planen, dafür aber umso flexibler, wenn es darum gehe, sich auf neue Situationen einzustellen. So habe Israel schnell die Öffnungszeiten der Impfzentren verlängert und aus vier Impfdosen fünf Impfungen herausgeholt, ohne dass der Impfschutz dadurch gemindert werde.

    Dazu komme ein enormes ehrenamtliches Engagement. Pensionierte Ärzte, Krankenschwestern oder ehemalige Soldaten, die in der Armee im medizinischen Sektor gearbeitet hätten, ließen sich selbst zu den unbequemsten Uhrzeiten sieben Tage die Woche in die Schichtpläne der Impfkampagne eintragen. Sogar am Shabbat, dem heiligen Ruhetag der Juden, wird in Israel geimpft.

    Neben der unbürokratischen, effizienten Logistik hilft dem Land, das sich bereits im dritten Lockdown befindet, nun auch seine entschlossene Einkaufspolitik. Nach den Worten von Netanjahu hat Israel mit Pfizer und Biontech schon lange vor der Europäischen Union die Lieferung von acht Millionen Impfdosen vereinbart und beim Konkurrenten Moderna sechs Millionen Dosen geordert. Pfizer-Chef Albert Bourla, der Sohn von Holocaust-Überlebenden aus Thessaloniki, hat Netanjahu so lange persönlich angerufen, bis der Vertrag perfekt war.

    Israel zahlt deutlich besser als andere Länder

    Auch zu Moderna könnten die Kontakte kaum besser sein: Tal Zaks, der Medizinvorstand des Konzerns, ist Israeli. Außerdem zahlt Israel deutlich besser als andere Länder: Weil eine belgische Staatssekretärin sich verplappert hat, weiß man inzwischen, dass die EU für eine Dosis des Biontech-Pfizer-Impfstoffes nur zwölf Euro überweist, Israel aber fast 23 Euro.

    Professor Arnon Afek, Vize-Direktor des Schiba-Krankenhauses bei Tel Aviv, sieht weitere Gründe für den besonders erfolgreichen Ablauf der Impfkampagne in Israel: „Wir haben ein sehr starkes öffentliches Gesundheitssystem, mit Krankenversicherung für alle Bürger“, sagt der ehemalige Generaldirektor des Gesundheitsministeriums. Das Modell basiere auf dem deutschen System, mit Krankenkassen und Krankenhäusern. „Die deutschen Juden, die nach Israel emigrierten, haben es mitgebracht und hier eingerichtet.“

    Während im neunmal größeren Deutschland der Nachschub stockt und noch keine 300.000 Menschen geimpft sind, impft Israel bereits mehr als 150.000 Menschen täglich. Erleichtert wird dies durch die überschaubare Größe des Landes mit seinen knapp neun Millionen Einwohnern, die überdies mehrheitlich in gut erreichbaren urbanen Zentren leben. Bis Ende März sollen so rund 60 Prozent aller Israelis geimpft sein – ein Erfolg, den der in der Corona-Krise schwer unter Druck geratene Netanjahu im Wahlkampf gut gebrauchen kann.

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