Ohne „fliegende Augen“ sind Auslandseinsätze der Bundeswehr schon lange kaum noch denkbar, doch nun geht es darum, ob die Maschinen in Zukunft auch Feuer speien können. In der Führung der Bundeswehr gibt es keinerlei Zweifel daran, dass der Schritt von der Aufklärungsdrohne zur bewaffneten Variante überfällig ist.
Bei einer Tagung im Stauffenbergsaal in Berlin sagte der Generalinspekteur Eberhard Zorn: „Wir in der Bundeswehr wollen bewaffnete Drohnen – zu unserer eigenen Verteidigung und zu unserem Schutz.“ Auch Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU) dringt auf eine schnelle, positive Entscheidung.
Drohnenkauf der Bundeswehr: Sinkt die Schwelle zur Anwendung von Gewalt?
Wer die politische Debatte in den letzten Jahren verfolgt hat, kann beobachten, dass die Sorge, den rüstungstechnischen Anschluss zu verpassen, zusehends moralische und völkerrechtliche Bedenken verdrängt. In der Großen Koalition scheint sich eine Mehrheit für die Anschaffung der Waffe abzuzeichnen. Doch Vertreter der Kirchen, Politiker der Grünen, der Linken und auch zum Teil in der SPD warnen weiterhin davor, dass die Schwelle zur Anwendung von Gewalt sinke, wenn Attacken von klimatisierten Hightech-Büros aus gesteuert werden können.
Bundeswehr: Experten halten Aufrüstung für „vertretbar“
Der Militärexperte Christian Mölling hält die Anschaffung von waffenfähigen israelischen Drohnen des Typs Heron TP, die aktuell für die deutschen Streitkräfte infrage kommen, dagegen für „vertretbar“. Man dürfe nicht unterschlagen, dass die Einsatzmöglichkeiten dieser Waffe begrenzt seien, sagte der stellvertretende Vorsitzende des Forschungsinstituts der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik unserer Redaktion.
Tatsächlich muss man unterscheiden zwischen von Soldaten ferngesteuerten Drohnen wie der Heron TP und Typen, die Ziele autonom auswählen und bekämpfen können. Mit Letzteren hatten die USA Terroristen im Ausland gejagt und getötet – völkerrechtswidrig, so weltweite Kritiker.
Befürworter der Heron TP betonen, dass es mit Drohnen möglich sei, potenzielle Zielgebiete länger und gründlicher auszuspähen, bevor ein Angriff erfolgt. Schließlich können Drohnen über 25 Stunden in der Luft sein, so hoch fliegen, dass sie am Boden kaum auszumachen sind, und sich – besonders wichtig – deutlich langsamer bewegen als bemannte Kampfjets. Argumente dafür, dass die Wahrscheinlichkeit verringert wird, dass wahllos oder versehentlich getötet wird.
Grüne warnen vor „illegalen Tötungen außerhalb bewaffneter Konflikte“
Katja Keul von den Grünen räumt zwar ein, dass man Drohnen völkerrechtskonform einsetzen könne. Sie ist dennoch gegen eine Anschaffung für die Bundeswehr. Schließlich seien „bewaffnete Drohnen nicht entwickelt worden, um Soldatinnen und Soldaten im Gefecht zu schützen, sondern für illegale Tötungen außerhalb bewaffneter Konflikte“.
Eine Argumentation, die Mölling auf die Palme bringt: Ihn ärgert, dass unterstellt werde, dass die Bundeswehr mit bewaffneten Drohnen genauso agieren würde wie die US-Militärs. Nach dem Motto, alles, was militärisch möglich sei, würde dann auch gemacht werden. „Das ist völliger Unsinn und beleidigt fast schon das deutsche Parlament, das bisher immer darauf geschaut hat, dass das Völkerrecht bei Einsätzen der Bundeswehr nicht systematisch gebrochen wird.“
Vorschriften und Strukturen sollen vor amerikanischen Verhältnissen schützen
Mölling hält es zudem für ein kaum haltbares Vorurteil, „dass das mit den Drohnen so läuft wie in den Videospielen, bei denen man einfach drauflosballert“. Vorschriften und Einsatzstrukturen für die Steuerung der Drohnen sollen dies unmöglich machen. Die Piloten sitzen zudem nicht in Deutschland, sondern an den Einsatzorten – also in Containern in Afghanistan oder Mali. Die Nähe zu möglichen Kampfzonen und zu den Soldaten im Einsatz soll die Sensibilität erhöhen.
Es ist denn auch eher der Blick in die Zukunft, der Mölling Sorgen macht: „Ganz andere Fragen werden sich stellen, wenn die nächste Generation von Drohnen einsatzfähig ist. Das sind dann unbemannte Kampfjets. Diese Waffen werden autonom Berechnungen anstellen und handeln, wenn es zu Gefechten kommt.“
Bundeswehr: Keine Drohnen - keine Luftwaffe?
Dies sei schon deswegen so, weil eine Bedienung über Funk und über Relaisstationen zu einer Verzögerung führen würde, die im Ernstfall den sicheren Abschuss der eigenen Drohne zur Folge haben würde. „Am Ende könnte man vor der fatalen Frage stehen, ob man Kampfdrohnen die Entscheidung über Leben und Tod überlässt. Die Alternative wäre, ganz auf eine Luftwaffe zu verzichten, weil man ohne die Drohnen der neuen Generation chancenlos wäre.“
Allerdings glaubt Militärexperte Mölling, dass dieses Szenario noch lange auf sich warten lassen werde: „Denn es sind gerade Militärs, die diese Entwicklung, die ja auf einen Kontrollverlust hinausläuft, fürchten. Schließlich würde ihnen ein großer Teil der Einflussmöglichkeit entzogen.“
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