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Waldbrände Brasilien: Am Amazonas brennt die Lunge der Erde - auch wegen uns Europäern

Waldbrände Brasilien

Am Amazonas brennt die Lunge der Erde - auch wegen uns Europäern

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    Die Bilder vom brennenden Regenwald in Brasilien lösen auf der ganzen Welt Betroffenheit aus. Der Amazonas ist der weltweit größte tropische Regenwald und für die Produktion von rund 20 Prozent des Sauerstoffs verantwortlich, den die Welt zu Atmen braucht. Zugleich ist er der größte Kohlendioxid-Speicher. Der Amazonas-Regenwald besitzt auch eine einzigartige bunte Arten-Vielfalt: Eine von zehn bekannten Arten von Pflanzen und Tieren ist im Amazonas-Regenwald beheimatet. Umso mehr schockieren derzeit Satellitenbildern der US-Raumfahrtbehörde Nasa.

    In 700 Kilometer Höhe fotografierten zwei Nasa-Satelliten zwischen dem 15. und 22. August 2019 Zehntausende Brände in Regewald-Gebieten und fügten sie zu einem Bild mit einer Nachtaufnahme zusammen: Nicht nur in Brasilien, auch in den Nachbarländern Bolivien, Peru, Paraguay und Argentinien wüten zahlreiche Brände, wie zu sehen ist. Deutlich zu sehen ist, dass sich die Brandherde in Brasilien entlang der Autobahnen 163 und 230 ausbreiten. Die Nasa-Satelliten Terra und Aqua registrierten dabei mehr Brände als in jedem anderen Jahr seit 2010. Täglich kommen bis zu tausend neue Brände hinzu.

    Amazonas-Katastrophe auch mit dem Konsumverhalten in Europa zu tun

    Zwar wüten die Feuer Tausende Kilometer von Deutschland entfernt, dennoch hat die Katastrophe auch mit dem Konsumverhalten in Europa zu tun. Vor allem der Heißhunger auf Rindersteaks aber auch deutsche Schweinekoteletts befeuert die Abholzung und Brandrodung großer Flächen im Amazonasgebiet. „Natürlich hat auch unser Handeln in Deutschland viel mit dem Verlust des Regenwaldes zu tun“, sagt der Professor für Welternährungswirtschaft an der Universität Göttingen, Matin Qaim. „Zum Beispiel importieren wir große Mengen Soja als Futtermittel für unsere Rinder und Schweine, und der steigende Sojaanbau trägt in Brasilien mit zur Regenwaldrodung bei.“

    Das Amazonasgebiet ist die grüne Lunge der Welt, aber eben auch ein gigantischer Ressourcenschatz, der Begehrlichkeiten weckt: Im Regenwald lässt sich gutes Geld verdienen mit Rindfleisch und Soja, Energie und Gold. Laut einer Studie der Weltbank können gerade Landwirte im Amazonasgebiet deutlich profitabler wirtschaften als in anderen Regionen.

    Nach Einschätzung von Umweltschützern haben Farmer die jüngsten Brände im Amazonasgebiet gelegt, um neue Weideflächen für ihre Viehherden oder Felder für den Sojaanbau zu schaffen. Üblicherweise werden bereits gerodete Waldflächen angezündet, um das Unterholz und die Baumstümpfe zu verbrennen. Weil es derzeit in der Region ungewöhnlich trocken ist, greifen die Brände auch auf noch intakte Waldflächen über.

    Brasilien ist der größte Fleischexporteur der Welt

    Die Welternährungsorganisation FAO macht die Umwandlung in Weideland für 80 Prozent der Verluste an Regenwald in der Amazonasregion verantwortlich. In den vergangenen Jahren ist die Fleischproduktion in Brasilien explodiert – rund 200 Millionen Rinder leben heute in dem größten Land Südamerikas. Die Exporte stiegen laut einer Analyse der Organisation Foodwatch in den vergangenen 14 Jahren um mehr als 700 Prozent. Heute ist Brasilien der größte Rindfleischexporteur der Welt.

    Nach Angaben der EU-Kommission ist Brasilien der größte Exporteur landwirtschaftlicher Produkte in die Europäische Union mit einem Einfuhrwert von 14,5 Milliarden Euro. Durch das kürzlich vereinbarte Freihandelsabkommen zwischen dem südamerikanischen Wirtschaftsbündnis Mercosur und der EU könnten es in Zukunft sogar noch mehr werden. In diesen Tagen gibt es zahlreiche Nichtregierungsorganisationen, die einen Stopp des Freihandelsabkommens fordern.

    Der Regenwald im Amazonas brennt. Hier steigt nahe der Stadt Caneiras do Jamari im Bundesstaat Rondônia dichter Rauch auf.
    Der Regenwald im Amazonas brennt. Hier steigt nahe der Stadt Caneiras do Jamari im Bundesstaat Rondônia dichter Rauch auf. Foto: Victor Moriyama/Greenpeace Brazil, dpa

    Nicht erst seit dem umstrittenen rechtspopulistischen Präsidenten Jair Bolsonaro, wird der Regenwald durch die Agrar-Industrie gerodet, auch der linke Präsident Lula da Silva ist diesen Weg gegangen. Erst unter seiner Parteifreundin und Nachfolgerin Dilma Rousseff (2011 – 2016) gab es einen wirklich spürbaren Rückgang der Amazonas-Abholzung.

    Die Agrar-Industrie gehört zu den wichtigsten Säulen des Landes, ein Wegbrechen hätte für das Land, das ohnehin gerade erst langsam aus einer Wirtschaftskrise herausfindet. Schon jetzt aber entfaltet allein die Drohung, dass Europa den gerade erst abgeschlossenen Freihandelsvertrag mit dem südamerikanischen Staatenbund Mercosur auf Eis legen könnte, seine Wirkung in der Hauptstadt Brasilia.

    Bolsonaro inszeniert sich jetzt als Regenwaldbeschützer

    Die mächtige Agrar-Lobby fürchtet angesichts der massiven Kritik aus der Alten Welt um ihren Ruf. Das drängt selbst Bolsonaro zu einem Kurswechsel: Seit diesen Tagen inszeniert er sich nun als Regenwaldbeschützer: „Wir sind uns dessen bewusst und werden handeln, um Abholzung und kriminelle Aktivitäten zu bekämpfen, die Menschen im Amazonas gefährden. Wir sind eine Null-Toleranz-Regierung bei Verbrechen, und auf dem ökologischen Feld wird das nicht anders sein.“

    Inzwischen hat der rechtspopulistische Präsident Soldaten in die betroffenen Provinzen geschickt, um die Brände aktiv zu bekämpfen. Doch auch dabei ist die brasilianische Regierung nicht frei von Peinlichkeiten. So veröffentlichte Brasilia in den sozialen Netzwerken ein Foto, dass die Armee bereits im Einsatz zeigen sollte. Das Bild ist aber in Wahrheit schon viel älter.

    Die brasilianische Luftwaffe schickte nach Angaben des Verteidigungsministeriums Löschflugzeuge in das Katastrophengebiet. Außerdem sollen rund 44.000 Soldaten die Feuerwehr bei der Brandbekämpfung unterstützen. Das Finanzministerium gab Nothilfen in Höhe von umgerechnet etwa zehn Millionen Euro frei, die allerdings bei Weitem nicht ausreichen werden, um der vielen tausend kleiner Brandherde Herr zu werden. (mit dpa)

    Lesen Sie dazu auch: Minister Müller verlangt von G7-Nationen Hilfe für Regenwald-Staaten

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