Die Uhr im Berliner Karl-Liebknecht-Haus, der Linken-Bundeszentrale, ist noch nicht auf Sommerzeit umgestellt. Dabei wollen die beiden Hausherrinnen eigentlich der Zeit voraus sein. Janine Wissler und Susanne Hennig-Wellsow verkünden am Montag, wie sich die Partei, die sie seit Ende Februar führen, die Zukunft vorstellt.
Der Entwurf des Bundestagswahlprogramm der Linken, deren Wurzeln auch zurück zur DDR-Einheitspartei SED reichen, bedient sich einerseits reichlich in der sozialistischen Mottenkiste. Arbeitszeit runter, Löhne rauf, die „Reichen“ zur Kasse bitten und der Bundeswehr die Mittel streichen - das fordert die Linkspartei ja schon lange. Andererseits signalisiert das Papier punktuell eine neue Kompromissbereitschaft. Ganz offensichtlich mit dem Ziel, Hindernisse für ein mögliches rot-rot-grünes Bündnis im Bund aus dem Weg zu räumen, wurde etwa das Nein zu Auslandseinsätzen der Bundeswehr deutlich abgeschwächt.
Linken-Chefin: "Ein Wahlprogramm beschreibt Ziele, das ist noch nicht die Umsetzung"
Angesichts der Schwäche der Union scheint es ja durchaus möglich, dass die Linke im Herbst Grünen und SPD zu einer Regierungsmehrheit verhilft. Im Moment reicht es laut Umfragen zwar nicht für ein solches Bündnis, doch das kann sich ändern. Linken-Chefin Susanne Hennig-Wellsow signalisiert jedenfalls schon einmal Gesprächsbereitschaft: „Ein Wahlprogramm beschreibt Ziele, das ist noch nicht die operationelle Umsetzung“. In der Demokratie gelte es stets auch, einen gemeinsamen Nenner zu finden.
Die bisher kategorische Ablehnung von humanitären Einsätzen der Bundeswehr galt lange als Hauptgrund, warum der Linken die Regierungsfähigkeit im Bund abgesprochen wurde. Im Vergleich zu früheren Programmentwürfen wurde diese Forderung nun relativiert. Die Partei „wolle“ solche Auslandseinsätze beenden. Zuvor hatte es noch geheißen: „Auslandseinsätze der Bundeswehr werden wir beenden“ - ein feiner, aber womöglich entscheidender Unterschied. Den Etat der Bundeswehr will die Linke um jährlich zehn Prozent reduzieren. Deutsche Waffenexporte sollen gestoppt werden.
Im Wahlprogramm der Linken ist eine Vermögenssteuer enthalten
Der Programmentwurf trägt den Titel: „Zeit zu Handeln. Für soziale Sicherheit, Frieden und Klimagerechtigkeit“. Umfangreich ist die Liste der Versprechen im Bereich der Arbeits-und Sozialpolitik. So will die Linkspartei eine Normal-Wochenarbeitszeit von 30 Stunden einführen und den Mindestlohn auf 13 Euro erhöhen. Das Arbeitslosengeld I soll dem Papier zufolge verlängert werden. Anschließend ist eine sanktionsfreie „Mindestsicherung“ von 1200 Euro für alle vorgesehen, zudem eine eigene Grundsicherung für Kinder. Auch die Rente soll mindestens 1200 Euro im Monat betragen. Gesundheits- und Pflegeversicherung sollen zu einer Kasse zusammengefasst werden, in die auch Beamte und Selbstständige einzahlen.
Bezahlen sollen für all dies die „Reichen“ - über eine Vermögenssteuer, die ab einem schuldenfreien Vermögen von einer Million Euro fällig werden würde. Ein Prozent jährlich würden davon abgezogen, mit der Höhe des Vermögens stiege auch der Steuersatz. Bei 50 Millionen Euro würden fünf Prozent im Jahr fällig werden. Vermögende würden nach den Plänen der Linkspartei auch mit einer einmaligen Sonderabgabe zur Bewältigung der Corona-Folgen beitragen.
Janine Wissler hat das Buch von Sahra Wagenknecht nicht gelesen
Zur Linderung des Mangels an bezahlbarem Wohnraum setzt die Linkspartei auf den Neubau von 250.000 Sozialwohnungen jährlich sowie Mietenstopp- und -Deckelung. Zudem sollen große Wohnbaukonzerne „vergesellschaftet“, sprich enteignet werden. In der Verkehrspolitik will die Linke weg vom Individualverkehr mit dem Auto und hin zu mehr öffentlichem Nahverkehr.
„Kein Mensch ist illegal“ lautet die Devise der Linkspartei in der Migrationspolitik. Im Entwurf heißt es: „Wir fordern die Ausweitung verbindlicher Flüchtlingsrechte auf Armuts-, Umwelt- und Klimaflüchtlinge“. Ein Punkt, der in der ohnehin streitlustigen Partei Zündstoff birgt.
Linken-Ikone Sahra Wagenknecht, eben erst knapp zur Spitzenkandidatin in Nordrhein-Westfalen gekürt, sorgt gerade mit einem neuen Buch für Ärger. „Die Selbstgerechten“ heißt es, erscheint diese Woche und wird von Parteifreunden als Generalabrechnung mit dem eigenen Lager gesehen. Wagenknecht stellt darin etwa einen Zusammenhang zwischen niedrigen Löhnen und Migration nach Deutschland her. Angesprochen auf das Wagenknecht-Buch, das derzeit so heiß diskutiert wird, sagt Vorsitzende Janine Wissler, dass sie es gar nicht gelesen habe. Sie gehe aber fest davon aus, so Wissler, dass alle, die für die Linke kandidieren, auch hinter dem Wahlprogramm stehen.
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