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Wahlplakate sind von gestern: Der Online-Wahlkampf

Wahlplakate sind von gestern

Der Online-Wahlkampf

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    Der Wahlkampf wird auch längst im Internet ausgetragen.
    Der Wahlkampf wird auch längst im Internet ausgetragen.

    Wahlplakate am Laternenmast, Kandidaten auf Tuchfühlung im Bierzelt, Kugelschreiberverteilen in der Fußgängerzone - alles Schnee von gestern. Eine Partei, die etwas auf sich hält, muss im Wahlkampf heute vor allem eines sein: Online.

    Da plaudert Frank-Walter Steinmeier täglich im Blog über seine Sommertour durch die Republik, da kann man Guido Westerwelles Wahlkampfauftakt im Livestream verfolgen und Angela Merkel bei studi.VZ gruscheln (eine virtuelle Mischung zwischen grüßen und kuscheln). Im Jahr eins nach Barack Obama und seinem fulminanten Onlinewahlkampf gibt es auch für die deutschen Wahlkampfstrategen einen neuen Spielplatz: die unendlichen Weiten des Internet.

    Natürlich spielte das Netz auch in vorangegangenen Wahlkämpfen eine Rolle. Doch über eher dröge Seiten, auf denen die Kandidaten ihren Lebenslauf auflisteten, über ihren Lieblingsfilm, ihr Lieblingsessen und ihren größten Traum schwadronierten, ging das ganze oftmals nicht hinaus. Im Jahr 2009 sieht die Welt ganz anders aus. Da wird getwittert, gebloggt, gepostet und zurückgegruschelt.

    Das Zauberwort lautet "interaktiv"

    Keine Partei kommt mehr ohne ihren eigenen Kanal auf der Videoplattform YouTube aus, alle sammeln ihre Schäfchen jetzt in eigenen Communities. Das Zauberwort lautet "interaktiv". Der Wähler soll sich im Netz nicht mehr nur informieren, sondern selbst aktiv, ein Teil der Kampagne, werden. Theologiestudent Philipp hat das verstanden. Er hat auf Angela Merkels studi.VZ-Pinnwand sein eigenes politisches Glaubensbekenntnis abgelegt: "Ich werde für Sie beten, dass Gott Ihnen die Weisheit gibt, das Richtige zu erkennen und den Mut, es auch durchzusetzen. Gott segne Sie, Frau Bundeskanzlerin", steht da geschrieben." Ein Wähler mehr.

    Und doch zeigen zwei Fakten, dass der deutsche Online-Wahlkampf immer noch in den Kinderschuhen steckt. Denn so respektabel es auch sein mag, dass bei studi.VZ neben Philipp noch rund 70.000 weitere der über 15 Millionen User Angela "gut finden" und dass die Kanzlerin auf Facebook mittlerweile 15.000 Anhänger um sich scharen konnte - Barack Obama kommt dort auf über 6,6 Millionen. Und auch wenn die FDP, die per SMS und Internet jetzt sogar Pixel für drei Euro das Stück verkauft, bisher rund 42.000 Euro an Onlinespenden eingefahren hat - Obama brachte es auf 500 Millionen Dollar.

    Auf der anderen Seite verzeichnet das unabhängige Internetportal wahl.de seit Wochen den größten Internetzuwachs für eine Partei, die noch vor der Europawahl kaum einer kannte. Union, SPD, FDP, Grüne, Linke - niemand ist bei Facebook, Twitter und Co. so erfolgreich, wie die Piratenpartei. Für Klas Roggenkamp, Gründer von wahl.de, ist das keine Überraschung. "Die Piraten haben hier einfach einen großen Vorteil. Die müssen da gut sein, weil das bis dato ihre einzige Wahlkampfplattform ist."

    Unter klarmachen-zum-aendern.de sammeln die Shootingstars des Onlinewahlkampfs derzeit Geld, um ihren bis dato hauptsächlich virtuellen Wahlkampf auch auf die Straße zu tragen. Zudem kann jeder Freibeuter im Onlineshop auf eigene Kosten ein Wahlkampfplakat oder einen Flyer erstehen, um damit seine Reihenhaussiedlung zu "piratisieren." Eine Idee, die es so auch bei der SPD gibt. Gleich neben dem Steinmeier-Blog, in dem der Kanzlerkandidat im Stile eines Schulaufsatzes zum Besten gibt, dass er "heute mal etwas länger schlafen kann", kann der SPD-Anhänger ein Wahlplakat spenden. Und bestimmen, wo es prangen soll. Bundesgeschäftsführer Kajo Wasserhövel erhob das Internet Anfang des Jahres gar zum "Herzstück der Kampagne". Doch trotz aller Anstrengungen ist sich Merkel-Fan Robin auf Steinmeiers studi.VZ-Pinnwand sicher: "Du wirst eh nicht Bundeskanzler."

    Trotzdem: Die SPD, sie ist zusammen mit den Grünen für Klas Roggenkamp einer der Gewinner im Wahlkampf 2.0. Wie viel sie der ganze Spuk kostet, dass wollen die Genossen nicht preisgeben. Rudi Hoogvliet, Wahlkampfmanager der Grünen, hält sich da weniger bedeckt. Drei - bis viermal so viel wie noch 2005 steckt seine Partei diesmal in den Internetwahlkampf. "Wir sind die Partei, deren Anhänger die stärkste Affinität zum Internet haben", sagt er. Und überhaupt habe der Onlineauftritt schon längst die Imageebene verlassen und sei zu einem Kernstück des grünen Wahlkampfs geworden.

    Bei der Union scheint dagegen "Dabei sein ist alles" das Motto für den Onlinewahlkampf zu sein. Zwar hat auch die CDU ihren eigenen Videokanal auf YouTube und Angela Merkel träumt auf Facebook von einer Reise mit der transsibirischen Eisenbahn. Trotzdem scheint der Kampf um Wählerstimmen im Internet bei der

    Ähnliches gilt wohl auch für die bayerische Schwesterpartei. So sucht man auf der Startseite von Horst Seehofers Internetauftritt vergeblich nach einem Link zu den einschlägigen Netzwerken. In Bayern ist noch der Wahlkampf 1.0 in der Fußgängerzone, im Bierzelt und im direkten Kontakt mit der Bevölkerung das Mittel der Wahl. Mit 94 Abonnenten beim eigenen Videokanal CSUmedia und 4000 Freunden bei studi.VZ ist im Wahlkampf 2.0 ohnehin kein Staat zu machen.

    (Von Katharina Gaugenrieder)

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