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Wahlkampf in den USA: Die First-Lady zieht Obama aus dem Tief

Wahlkampf in den USA

Die First-Lady zieht Obama aus dem Tief

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    Michelle Obama begeistert die Delegierten auf dem Parteitag der Demokraten.
    Michelle Obama begeistert die Delegierten auf dem Parteitag der Demokraten. Foto: dpa

    Einen Kuss bekommt sie am Ende nicht. Barack Obama ist nicht in Charlotte (North Carolina), um seine Gattin Arm in Arm von der Bühne zu geleitet, wie Mitt Romney es eine Woche zuvor mit seiner Frau Ann gemacht hat. Während Michelle Obama auf dem Parteitag der Demokraten in Charlotte mit einer einer emotionalen für ihren Mann kämpft, sitzt der Präsident im Weißen Haus gemütlich auf dem orange-braunen Sofa und schaut sich das Spektakel mit den Töchtern Malia und Sasha im Fernsehen an. Ein klares Zeichen: Hier herrscht Arbeitsteilung - Papa hütet die Kinder, Mama geht arbeiten.

    First-Lady reißt die Delegierten von den Sitzen

    Und Michelle Obama versteht ihren Job. Die hauptberufliche First Lady reißt die etwa 15 000 Zuschauer in der prallvollen Basketballarena der Südstaaten-Stadt mit einer rhetorisch perfekten, einfühlsamen Rede von den blauen Klappsitzen. "Mein wichtigster Titel ist immer noch "Mom-in-Chief", ruft sie jubelnden Delegierten zu. Das soll heißen, sie ist vor allem Mutter und kann somit persönlich verbürgen, dass ihr Mann die bessere Familienpolitik macht als Mitt Romney. Die bessere Bildungspolitik. Und überhaupt.

    Der Auftritt der Präsidentengattin überstrahlte sogar die Negativbotschaft des Abends. Daran, dass die Schuldenuhr der USA die 16-Billionen Dollar überschritt, dachte am Dienstag fast niemand.

    Die Geschichte von Michelle und Obama

    Michelle Obama ist gekommen, um einem Millionenpublikum an den Fernsehern eine persönliche Geschichte zu erzählen. Darüber, wie ihr an Multipler Sklerose leidender Vater sich ihre Ausbildung vom Munde abgespart hat. Wie die Großmutter ihres Mannes an Karrieregrenzen stieß, nur weil sie eine Frau war. Dass sie und ihr Mann aus kargen Verhältnissen stammen und noch lange an Studienkrediten zu knabbern hatten. "Wir waren so jung, so verliebt und so verschuldet", sagt sie mit sanfter Stimme ins Mikrofon. In der Arena ist es andächtig still.

    Der Unterschied zwischen Michelle Obama und Ann Romney wird schnell klar. Hier steht ein Profi, jeder Satz sitzt, jede Intonation stimmt. Die Frau von Obamas republikanischem Kontrahenten kam ebenso authentisch herüber, als sie über ihre tiefe Liebe zu Mitt Romney sprach. Aber eben nicht so sicher. Ann Romney kicherte manchmal wie ein Schulmädchen oder starrte verkrampft in die Kamera.

    Das ist das politische System der USA

    Das politische System der USA (Vereinigte Staaten von Amerika) basiert auf einer Verfassung aus dem Jahr 1787.

    Die USA sind eine Präsidialrepublik. Der Präsident ist gleichzeitig Oberhaupt des Staates, Regierungschef und Oberbefehlshaber. Seine Position ist einflussreicher als die eines Kanzlers oder Premierministers in anderen demokratischen Systemen.

    Gewählt wird der Präsident alle vier Jahre. Die Wahl erfolgt indirekt. Von den Bürgern wird ein Kollegium aus Wahlmännern bestimmt (derzeit 538). Diese geben ihre Stimme wiederum dem Präsidenten und dem Vizepräsidenten.

    Seit 1845 findet die Präsidentenwahl traditionell zwischen dem 2. und dem 8. November statt. Die offizielle Einführung des Präsidenten in sein Amt ist seit 1937 immer der 20. Januar.

    Das Parteiensystem der USA wird von zwei Parteien dominiert: Durch die Republikaner mit konservativer Ausrichtung und die Republikaner, die liberaldemokratische Ansichten vertreten.

    Der Kongress ist eine Art Parlament, oberste Instanz der Gesetzgebung und Gegengewicht zum Präsidenten. Er besteht aus den beiden Kammern Senat und Repräsentantenhaus.

    Beim Kongress liegt formell die Macht, Kriege zu erklären. Er kann Beamte, Richter, Kabinettsmitglieder und den Präsidenten wegen Vergehen belangen.

    Das Repräsentantenhaus ist bei der Bewilligung von Gesetzen mit dem Senat gleichberechtigt. Bei Haushaltsvorlagen genießt es Initiativrecht.

    Das Repräsentantenhaus ist die Willensvertretung aller Amerikaner ähnlich dem deutschen Bundestag: Die Mitglieder werden aus allen Bundesstaaten nach Proporz gewählt. (Derzeit 435 Vertreter).

    Im Senat sind die amerikanischen Einzelstaaten jeweils mit zwei Senatoren vertreten. Sie werden direkt vom Volk auf sechs Jahre gewählt. Die Besonderheit: Alle zwei Jahre wird ein Drittel der Senatoren neu gewählt.

    Das Supreme Court oder der Oberste Gerichtshof ist das höchste Verfassungsgericht. Ihm stehen derzeit neun Richter vor, die auf Vorschlag des Präsidenten vom Senat bestätigt und auf Lebenszeit eingesetzt werden.

    Volksentscheide spielen in den USA eine wichtige Rolle. Meist finden sie zusammen mit allgemeinen Wahlen statt. So wurden zusammen mit der Präsidentenwahl im Jahr 2004 Volksabstimmungen zu 163 Themen in 34 Staaten abgehalten.

    Die Präsidentengattin steht sicher auf der Bühne, wirkt sympathisch und zählt ruhig die Vorzüge ihres Mannes auf: charakterfest, sozial engagiert, ein toller Vater. "Barack Obama ist immer noch derselbe Mann, in den ich mich vor all diesen Jahren verliebt habe."

    Sieg im Duell mit Ann Romney

    Denn Wettstreit mit Ann Romney hat die Präsidentengattin damit wahrscheinlich gewonnen. Die Frau des Gegenkandidaten hatte bei dem Parteitag der Republikaner vorgelegt und in einer Ann Romney stiehlt ihrem Mann die ShowUSAhochgelobten Rede ihren 65 Jahre alten Mann als treu sorgenden Familienvater dargestellt. "Beide Frauen waren überzeugend, aber Mrs. Obama, die schon früher vor einem Parteitag gesprochen hatte, legte den stärksten Auftritt hin", urteilte die New York Times.

    Michelle Obama hat tolle Umfragewerte. Genau das, was ihrem Mann gerade für einen Wahlsieg fehlt. Die Parteitagsbesucherin Anne Kilpatrick aus South Carolina etwa kommt aus dem Schwärmen gar nicht mehr heraus. "Sie ist ein wundervolles Beispiel für Frauen in unserem Land, ein Vorbild für Kinder", sagt die grauhaarige Professorin, die wegen ihres in den Farben der USA glitzernden Hutes auffällt. "Michelle praktiziert, was sie predigt", sagt die Delegierte.

    Auftritt haucht dem Wahlkampfteam wieder Leben ein

    Genau diesen Kontrast zu Ann Romney spricht Michelle Obama zwar nicht offen an, lässt ihn aber in jedem Satz mitschwingen: Romney ist ein abgehobener Multimillionär, wir sind bodenständig. Sie erinnerte sich, wie Barack sie bei Verabredungen in einer Rostlaube mit einem Loch in der Beifahrertür abholte. "Er war der Typ, dessen stolzester Besitz ein Couchtisch war, den er im Abfall gefunden hat."

    Obamas Wahlkampfmanager dürften sich daher nach dem Auftritt zufrieden auf die Schultern geklopft haben, hat sie doch sicher vielen Zweifelnden endlich wieder das Gefühl gegeben, 2008 einen ganz besonderen Menschen ins Weiße Haus gewählt zu haben. Auch wenn er nicht all seine Versprechen eingelöst hat.

    "Wandel ist schwierig und Wandel ist langsam und es passiert niemals alles auf einmal", erklärt die First Lady in ihren Worten, die oft so viel klarer sind als die ihres Gatten. "Wir müssen noch einmal zusammenkommen und zusammenstehen für den Mann, dem wir vertrauen können, dass er dieses Land weiter nach vorn bringt." (dpa/afp)

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