CDU und CSU legen ihren Streit um die Flüchtlings-Obergrenze zwar nicht bei, aber zumindest bis zur Bundestagswahl am 24. September auf Eis. Und bei der CDU ist die Erleichterung riesengroß: „CDU und CSU sind zwei Parteien, aber eine Union. Vielfalt ist auch unsere Stärke“, sagt CDU-Generalsekretär Peter Tauber. Dabei hatte gerade diese „Vielfalt“ manchem in der CDU in den vergangenen Monaten eine Heidenangst gemacht.
CSU-Chef Horst Seehofer galt vielen Christdemokraten mit seinen Attacken auf Kanzlerin Angela Merkel als deutlich größeres Risiko für einen Wahlerfolg der Union, als alles, was die SPD aufzubieten hatte. Das hat sich geändert, seit klar ist, dass Martin Schulz die Sozialdemokraten als Kanzlerkandidat und Parteichef in den Bundestagswahlkampf führt – und nicht der selbst in den eigenen Reihen ungeliebte Sigmar Gabriel. Nun hat die Union wieder einen ernst zu nehmenden Gegner. Gerade die programmatisch zuletzt weit nach links gerückte CDU muss fürchten, dass Schulz die SPD an frühere Beliebtheitswerte heranführen könnte.
Noch gibt sich etwa CDU-Generalsekretär Tauber gelassen. Schulz sei ein „weißes Blatt“. Keiner wisse, für welche Positionen er steht. Doch genau darin liegt aus Sicht der Christdemokraten ein Risiko. In den kommenden Monaten hat Schulz alle Möglichkeiten, die Bürger mit frischen Ideen zu überzeugen. Rücksicht auf die Rolle der SPD als Juniorpartner in der aktuellen Regierung muss er dabei kaum nehmen. Als Gegner ist Schulz für die Union eine ganz andere Bedrohung als Gabriel. Volksnäher und authentischer als Merkel wirkt er – das hinter vorgehaltener Hand auch führende Christdemokraten ein.
CDU und CSU haben Respekt vor der SPD mit Martin Schulz
Dass CDU und CSU nun gemeinsam in den Wahlkampfmodus schalten, ist ein deutliches Zeichen dafür, dass sie die Sozialdemokraten wieder für ernst nehmen. Auf den scheinbar so komfortablen Abstand zur SPD in den Umfragewerten wollen sich die Strategen nicht verlassen. Statt sich weiter im Obergrenzenstreit aufzureiben, ringen CDU und CSU jetzt gemeinsam um den richtigen Weg, wie sie mit dieser neuen Herausforderung umgehen sollen.
Aufseiten der CDU ist mancher fast erleichtert, dass der gemeinsame Respekt vor Schulz nun als Beziehungs-Kit in der zerstrittenen Union zu wirken beginnt. Das kommende Wochenende hat für die CDU seinen Schrecken verloren. Daran, dass der „Unions-Versöhnungsgipfel“ in München wie geplant stattfindet, gibt es keinen Zweifel mehr. Hätte die wegen des Obergrenzen-Streits zeitweise gefährdete gemeinsame Präsidiumssitzung zu neuem Zwist geführt oder wäre sie tatsächlich abgeblasen worden, dann wäre für die Wähler ein verheerendes Bild entstanden.
Union will rot-rot-grüne Bundesregierung verhindern
Jetzt macht die Union klar, dass es ihr bei der Wahl im September vor allem darum geht, eine rot-rot-grüne Bundesregierung zu verhindern. Und nicht darum, den unionsinternen Hader um Begrifflichkeiten fortzusetzen. Im Wahlkampf werden die Gemeinsamkeiten betont, Sicherheitspolitik steht im Vordergrund. Über die Grundsätze des gemeinsamen Programms wollen sich die Partner in München einigen. Dass die CSU zwar Angela Merkel als Spitzenkandidatin unterstützt, im Grundsatz aber bei der Forderung nach einer Obergrenze für die Aufnahme von Flüchtlingen bleibt, nimmt die CDU achselzuckend hin. Es bleibt ihr auch gar nichts anderes übrig. Dass die bayerische Schwester auch eigene, abweichende Forderungen stellt, sagt CDU-General Tauber, „war schon letztes Mal so“.
Gleichzeitig wissen sie bei der CDU: Seehofer wird in Sachen Obergrenze nicht locker lassen. Eine Regelung, die in der Praxis auf eine Begrenzung der Flüchtlingszahlen hinausläuft, fordern auch immer mehr Christdemokraten. Sie hoffen, dass sich eine Einigung, die Seehofer wie Merkel das Gesicht wahren lässt, spätestens nach der Wahl findet. Einstweilen aber atmet die CDU auf.