Spätestens mit dem Start der Briefwahl muss es auch seinen treuesten Fans klar geworden sein: Es wird vor der Bundestagswahl in der Union keinen Tausch der Kanzlerkandidaten mehr geben. Armin Laschet wird die CDU ins Kanzleramt führen – oder in die Opposition. Für seinen Gegenspieler aus der CSU heißt das: Markus Söder steckt in einem Dilemma. In den kommenden Wochen wird jede seiner Bewegungen seziert und analysiert: Fällt seine Wahlkampfunterstützung für die Schwesterpartei zu zurückhaltend aus oder kann er sich gar weitere Spitzen nicht verkneifen, heißt es, er wolle Laschet ein schlechtes Ergebnis bescheren. Engagiert er sich zu sehr, wirkt das auf viele Beobachter unglaubwürdig und onkelig-gönnerhaft – zu oft hat er schließlich durchblicken lassen, dass er den Ministerpräsidenten aus Nordrhein-Westfalen für alles andere als kandidatentauglich hält.
Der Ministerpräsident ist derzeit auf allen Kanälen präsent
"Starker Auftritt und klarer Sieg von Armin Laschet", schrieb Söder nach dem TV-Triell der Kandidaten am Sonntagabend auf Twitter. Richtig ernst nahm das nicht jeder: "Ihr ironisches Sticheln gegen den eigenen Kanzlerkandidaten nimmt langsam wirklich überhand!", frotzelte ein Nutzer. Eine andere kommentierte: "Herr Söder, ist das jetzt dieser Satz, der uns sagen soll, dass sie entführt worden sind?" Trotzdem hat sich der CSU-Chef für den Weg der demonstrativen Unterstützung entschieden und dürfte den auch nicht mehr verlassen. Kaum ein Tag vergeht, an dem der bayerische Ministerpräsident nicht in der Öffentlichkeit zu sehen wäre. Am Wochenende gab er der ARDein Sommerinterview, stritt sich für Spiegel.de mit dem Grünen Robert Habeck und versicherte der Bild am Sonntag, dass er gemeinsam mit Laschet gewinnen wolle. "Armin Laschet ist unser Kandidat und ich tue alles dafür, damit er Kanzler wird", sagte er. "Es wäre gut, wenn sich alle in der Union in gleicher Weise engagieren würden." Tatsächlich fällt Söders derzeitige mediale Dauerpräsenz auch deshalb so stark auf, weil sonst kaum ein Promi von der CDU-Spitze sich erkennbar für Laschet ins Zeug legt.
Söders Mantra, und das darf man ihm getrost glauben: Auf Opposition hat er keinen Bock. Denn so sehr sich die CSU bisweilen in ihrer Rolle als Stachel im Fleisch der Schwesterpartei gefällt, so sehr gehört es auch zum bayerischen Selbstverständnis, dass die eigene Bedeutung weit über den Freistaat hinaus reicht. Ohne CSU-Minister in Berlin aber wird es auch in München mühsamer mit dem Regieren. Zumal dann, wenn sich zeigen könnte, dass die Verluste eben nicht nur der CDU angelastet werden können, sondern auch die CSU in der Wählergunst verloren hat. Parteiinterner Zwist kommt bei den Wählern nicht gut an. In einer Umfrage für unsere Redaktion kamen die Christsozialen jüngst nur noch auf 35,4 Prozent der Stimmen. Im Vergleich zum Vormonat verlor die Partei von Söder damit satte acht Prozentpunkte. Noch ein Vergleich: Bei der Landtagswahl 2018 landete die CSU bei 37,2 Prozent – schon das galt als schwach, ein weiteres Absacken kratzt am politischen Selbstbewusstsein und könnte zu Spannungen innerhalb der Partei führen. Sollte Laschet tatsächlich zum Verlierer des Wahlabends werden, wird ein Teil der Niederlage Söder angerechnet, der mit seinen Sticheleien mit dafür gesorgt hat, dass dem CDU-Mann das Image des Schwächlings anhaftet – ein Image, das der seither kaum mehr abschütteln kann.
Den Grünen stehen deutliche Zugewinne bevor
Noch versucht man in der Staatskanzlei die Erzählung aufrechtzuerhalten, dass die schlechte Performance von Laschet die Ursache sei und die CSU im Abwärtsstrudel gefangen. Doch der Druck wächst mit jedem Tag. Für Söder dürfte das heißen: weiter Vollgas statt Schlafwagen. Selbst wenn jeder seiner Auftritte mit einem gewissen Misstrauensvorschuss begleitet wird, muss er für die Union kämpfen und versuchen, den anderen Parteien Wähler wieder abzuwerben. Und das auch mit Blick auf Bayern: Die Grünen liegen trotz der Schwäche von Annalena Baerbock gut im Rennen und dürften damit in jedem Fall die Zahl ihrer Abgeordneten in Berlin deutlich erhöhen. Zudem könnten die Grünen in München und Nürnberg erstmals überhaupt Wahlkreise direkt gewinnen und würden damit der CSU eine historische Pleite bescheren. Die SPD versucht so offensichtlich, die Strategie der ruhigen und pragmatischen Kanzlerin Angela Merkel zu kapern, dass Söder Olaf Scholz schon Erbschleicherei vorwirft. In zwei Jahren wird in Bayern ein neuer Landtag gewählt, spätestens dann müssen die Schrammen des Machtkampfes ausgeheilt sein. In der Union hat man sich daher auf die Taktik verlegt: Wenn ihr schon nicht für uns seid, dann seid wenigstens gegen die anderen. "Wir müssen alles tun, um einen historischen Linksrutsch in Deutschland zu verhindern", sagte Söder am Wochenende der Bild am Sonntag. "Noch nie war die Gefahr so groß, dass ein Linksbündnis die Macht übernimmt."