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Wahldebakel in Baden-Württemberg: CDU: Die Niederlage als eine Art Naturkatastrophe

Wahldebakel in Baden-Württemberg

CDU: Die Niederlage als eine Art Naturkatastrophe

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    Kanzlerin Merkel muss eine herbe Niederlage für ihre Partei hinnehmen. dpa
    Kanzlerin Merkel muss eine herbe Niederlage für ihre Partei hinnehmen. dpa

    Es hat alles nichts genutzt. Nichts haben Angela Merkel und ihre Mitstreiter in der Spitze der CDU nach dem Debakel bei der Baden-Württemberg-Wahl mehr gefürchtet als eine Personaldebatte, eine Diskussion über die CDU-Vorsitzende selber und ihre abrupten Richtungswechsel in der Vergangenheit. Schon am Morgen nach der herben Niederlage in ihrem Stammland im Südwesten strömen die Granden daher aus, um den Kurs und die Richtung der innerparteilichen Debatte vorzugeben. Nicht Angela Merkel trage die Verantwortung für den Verlust der Macht im „Ländle“, die schwarz-gelbe Bundesregierung treffe ebenfalls keine Schuld, die Ursache für die herben Stimmenverluste seien einzig „die Ereignisse in Japan“, die über die Partei wie ein Orkan hereingebrochen seien.

    Niederlage als ein Art

    Doch alle Versuche, die schmerzhafte Niederlage zu einer Art Naturkatastrophe zu erklären, für die niemand etwas könne, gehen nicht auf. Schon am Mittag – noch tagen die Führungsgremien der CDU im Berliner Konrad-Adenauer-Haus, um die Wahlergebnisse zu analysieren – ist die Personaldebatte in vollem Gange. Losgetreten von den üblichen Verdächtigen, den Vertretern des konservativen Wirtschaftsflügels, denen der gesamte Kurs ihrer Parteichefin und der von ihr geführten Bundesregierung schon seit Längerem nicht passt. Josef Schlarmann zum Beispiel, der Vorsitzende der Mittelstands- und Wirtschaftsvereinigung der CDU/CSU und schon in der Vergangenheit ein bekennender Merkel-Kritiker, bemängelt in Interviews die Kehrtwende der Kanzlerin in der Atompolitik. „Erst werden die Laufzeiten verlängert, dann wird diese Entscheidung wieder ausgesetzt. Die Menschen fragen sich: Wissen die eigentlich noch, was sie da tun?“ Er fordert eine „offene Debatte“ über den künftigen Kurs von CDU und CSU. „Das Schlimmste wäre, wenn sich die Führung einbunkert und gegen Kritik abschottet.“ Ähnlich argumentiert auch Hans Michelbach, der Chef der CSU-Mittelstandsunion.

    Doch das sind an diesem Montag Einzelstimmen, die zwar den Nerv der Partei treffen, aber doch nicht zu einem breiteren Chor anschwellen. Noch nicht. Geschlossenheit heißt die Devise des Tages. Und: Augen zu und durch.

    So sehr die Niederlage in Stuttgart auch die Partei erschüttert und die Frage nach den tieferen Ursachen auslöst, so hat doch niemand in der Union ein Interesse daran, die eigene Vorsitzende zu beschädigen. Schon am Morgen stellt sich CSU-Chef Horst Seehofer schützend hinter Merkel und schickt eine Drohung aus München hinterher: Wer nun Personaldebatten über Merkel führen wolle, „der wird ein Echo von mir bekommen“. Und auch Volker Bouffier, der hessische Ministerpräsident und CDU-Vize-Chef, nach der Niederlage von Mappus der letzte Konservative in einer Führungsposition, sichert ihr seine Unterstützung zu: „Angela Merkel führt diese Partei und wird dies auch in Zukunft tun.“ Und diese macht deutlich, dass sie auf die Schnelle keine Konsequenzen aus dem Wahlergebnis ziehen will und keine Kabinettsumbildung plane. „Ich habe keine Anzeichen dafür und von meiner Seite auch keine Absichten.“ Dies gelte auch für die Minister des Koalitionspartners FDP.

    Änderungen in der Parteienlandschaft

    Gleichwohl ist den Mitgliedern des Bundesvorstandes bewusst, dass in der deutschen Parteienlandschaft nach Baden-Württemberg nichts mehr so ist wie vor dem Urnengang im „Ländle“. Die Grünen, lange Zeit als „Spinner“ und „Träumer“ bekämpft, zuletzt von Angela Merkel als „Dagegen-Partei“ stigmatisiert, haben sich in der Mitte der Gesellschaft breitgemacht und sind weit ins bürgerlich-konservative Stammlager vorgedrungen. Diese Entwicklung, heißt es nun in der Parteispitze, müsse man ernst nehmen. Bislang habe es eine Zuspitzung zwischen Schwarz-Gelb und Rot-Grün gegeben, sagt JU-Chef Philipp Mißfelder, „nun gibt es nur noch Grün-Rot und ein Schwarz plus gelben Rest, den man zur Kenntnis nehmen muss“. Noch einen Schritt weiter geht der neue CDU-Vize Norbert Röttgen, der schon immer als Exponent schwarz-grüner Bündnisse galt. „Das Lagerdenken ist Vergangenheit.“ Selbst Angela Merkel, die auf dem CDU-Parteitag im November Koalitionen mit den Grünen kategorisch als „Hirngespinst“ abgelehnt hat, äußert sich am Montag vorsichtiger. Die Union betreibe Politik nach ihren Grundwerten und Grundauffassungen, sagt sie – „und dann sehen wir, ob sich etwas ergibt“.

    Dagegen verdüstern sich die Mienen der Christdemokraten, wenn sie auf ihren Koalitionspartner blicken. „Die FDP macht uns große Sorgen“, räumt das baden-württembergische Bundesvorstandsmitglied Axel E. Fischer gegenüber unserer Zeitung ein. Der abgewählte Ministerpräsident Stefan Mappus macht die FDP sogar für die Niederlage verantwortlich. Während die CDU im Vergleich zur letzten Landtagswahl fast 200 000 Stimmen hinzugewonnen habe, hätten „einige Äußerungen“ ziemlich geschadet, womit er Bundeswirtschaftsminister Rainer Brüderle meint. Hätte die Südwest-FDP nur einen Prozentpunkt mehr bekommen, hätte es für Schwarz-Gelb in Stuttgart gereicht, so Mappus.

    Angela Merkel hört’s mit Freude. Schuld sind die anderen: die Ereignisse in Japan und die FDP.

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