China hat verärgert auf die Aussetzung des Auslieferungsabkommens mit Hongkong durch Deutschland reagiert. In einer Stellungnahme der chinesischen Botschaft in Berlin wurden Deutschland am Samstag ein "ernster Verstoß gegen internationales Recht" und eine schwere Einmischung in innere Angelegenheiten Chinas vorgeworfen. "Wir lehnen das entschieden ab und behalten uns das Recht zu weiteren Reaktionen vor." Auch wurde Verärgerung über die "irrigen Äußerungen" von Außenminister Heiko Maas (SPD) geäußert.
Nach der umstrittenen Verschiebung der Wahl in der chinesischen Sonderverwaltungsregion um ein Jahr hatte Außenminister Maas am Freitagabend die Suspendierung des Auslieferungsabkommens verkündet. Deutschland habe wiederholt die Erwartung klargestellt, "dass China seine völkerrechtlichen Verpflichtungen einhält", sagte Maas. Hierzu gehöre gerade auch das Recht auf freie und faire Wahlen, das den Menschen in Hongkong zustehe.
Hongkongs Regierung begründet Wahlaufschub mit Corona-Pandemie
Die Verschiebung stieß in Hongkong und international auf scharfe Kritik. Regierungschefin Carrie Lam hatte die Verlegung am Freitag mit dem Risiko durch das Coronavirus begründet, da die Anzahl der Neuinfektionen in Hongkong jüngst wieder gestiegen ist. Kritiker sahen hingegen den Versuch, eine Blamage zu verhindern, da der Unmut über das pekingtreue Regierungslager und das neue Staatssicherheitsgesetz groß ist.
Peking wolle verhindern, "dass der Oppositionsblock die Mehrheit im Legislativrat übernimmt", meinte der Demokratie-Aktivist Joshua Wong. "Unser Widerstand wird weitergehen und wir hoffen, dass die Welt in dem bevorstehenden harten Kampf an unserer Seite stehen wird", sagte Wong vor Journalisten.
Regierungschefin Lam bestritt politische Motive. Die Pandemie sei eine große Gefahr. Bei einer Wahl gebe es große Versammlungen und soziale Kontakte, die ein ernstes Risiko darstellten. Es habe mehr Länder gegeben, die Wahlen abgesagt oder verschoben hätten, als solche, die sie abgehalten hätten. Zuvor hatte die Opposition argumentiert, dass in anderen Ländern auch gewählt worden sei und angemessene Vorsichtsmaßnahmen getroffen werden könnten.
Soll die EU chinesische Parteifunktionäre sanktionieren?
Die Vorsitzende des Menschenrechtsausschusses des Bundestages, Gyde Jensen (FDP), forderte die Bundesregierung und die EU auf, sich für die Demokratiebewegung einzusetzen. "Der Druck auf China muss deutlich erhöht werden, wenn sich etwas an der Situation ändern soll." Die Bundesregierung solle die deutsche EU-Ratspräsidentschaft dafür nutzen, um personenbezogene Sanktionen gegen chinesische Parteifunktionäre auf EU-Ebene zu prüfen. Zum anderen müsse Maas den bisher nur aufgeschobenen EU-China-Gipfel ganz absagen. "Peking darf hier keine weitere Plattform geboten werden."
China steht wegen seiner Hongkong-Politik schwer in der Kritik. Das neue Sicherheitsgesetz war Ende Juni verabschiedet worden. Es richtet sich gegen Aktivitäten, die China als subversiv, separatistisch oder terroristisch ansieht. Auch soll es "heimliche Absprachen" mit Kräften im Ausland bestrafen. Es ist der bisher weitestgehende Eingriff in Hongkongs Autonomie und gibt Chinas Staatssicherheit weitreichende Vollmachten. Hongkongs demokratische Opposition geht davon aus, dass das Gesetz auf sie abzielt.
Chinas Staatssicherheitsgesetz schränkt Hongkongs Autonomie ein
Seit der Rückgabe der früheren britischen Kronkolonie 1997 an China wurde Hongkong autonom mit eigenen Freiheitsrechten regiert. Aus Sicht von Kritikern bedeutet das Staatssicherheitsgesetz das Ende des seither verfolgten Grundsatzes "ein Land, zwei Systeme". Auch wird es als Verstoß gegen die völkerrechtlichen Verpflichtungen Chinas bei der Rückgabe Hongkongs betrachtet.
Als Reaktion hatte die EU Anfang der Woche ein vergleichsweise moderates Maßnahmenpaket beschlossen, bei dem jedem Mitgliedstaat selbst überlassen ist, was er davon umsetzt. Deutschland hat bereits einen Exportstopp für bestimmte Güter verhängt, die zur Überwachung der Bevölkerung genutzt werden können oder von Militär oder Polizei etwa bei Demonstrationen gegen die Zivilbevölkerung eingesetzt werden können. Außerdem wurden erste Schritte für eine Ausweitung von Stipendien für Wissenschaftler oder Studenten aus Hongkong eingeleitet. Auch sollen Visa leichter erteilt werden.
Die Aussetzung des Auslieferungsabkommens ist unter anderem eine Reaktion darauf, dass das neue Sicherheitsgesetz auch die Überstellung von Verdächtigten an Chinas Justiz ermöglicht, die nicht unabhängig ist und eine Verurteilungsquote von rund 99 Prozent hat. Kritiker warnen vor Misshandlungen und erzwungenen Geständnissen in China. Das Gesetz wendet sich auch gegen Personen im Ausland und sieht als Höchststrafe lebenslange Haft vor. (dpa)
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