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Wahl heute: Der Bundespräsident ist machtlos - und dennoch einflussreich

Wahl heute

Der Bundespräsident ist machtlos - und dennoch einflussreich

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    Steinmeier soll Nachfolger von Joachim Gauck werden, der nach fünf Jahren nicht wieder kandidiert hat.
    Steinmeier soll Nachfolger von Joachim Gauck werden, der nach fünf Jahren nicht wieder kandidiert hat. Foto: Britta Pedersen/Archiv (dpa)

    Der Kanzler, mittlerweile 83 Jahre alt und seit zehn Jahren an der Macht, spürte, wie seine Autorität zu bröckeln begann. In der CDU/CSU-Bundestagsfraktion scharten sich die Abgeordneten hinter dem populären Wirtschaftsminister Ludwig Erhard, den er, Konrad Adenauer, um jeden Preis verhindern wollte.

    Da kam dem  Alten eine Idee: Was wäre, wenn er sich um das Amt des Bundespräsidenten bewerben und die Nachfolge von Theodor Heuss antreten würde, der nach zwei Amtsperioden nicht mehr kandidieren konnte? Als Bundespräsident, so sein Kalkül, kann er den Kanzler ernennen (und damit Erhard verhindern), die Minister berufen und entlassen, die Gesetze unterschreiben, ja, sogar den politischen Kurs der Republik vorgeben. So teilte Adenauer der verblüfften Öffentlichkeit am 7. April 1959 mit, dass er Bundespräsident werden wolle.

    Doch nur wenig später zog der Kanzler seine Kandidatur wieder zurück. Ein intensiver Blick ins Grundgesetz genügte, um den Machtmenschen Adenauer von der tatsächlichen Ohnmacht des Staatsoberhauptes zu überzeugen: Er ernennt zwar den Kanzler, aber erst nachdem dieser vom Bundestag gewählt worden ist, er beruft und entlässt die Minister, aber auf Vorschlag des Kanzlers, er muss alle Gesetze unterschreiben, selbst wenn sie ihm nicht passen und die Richtlinienkompetenz liegt ohnehin beim Regierungschef. So blieb Adenauer weiter Kanzler und Präsident wurde der eher unscheinbare bisherige Landwirtschaftsminister Heinrich Lübke.

    Warum hat der Bundespräsident so wenig konkrete Macht?

    Es waren die bitteren Erfahrungen der Weimarer Republik, die die Mütter und Väter des Grundgesetzes in den Jahren 1948/49 veranlassten, den Bundespräsidenten mit so wenig konkreter Macht wie nur möglich auszustatten. Weder wollten sie eine Art Ersatzkaiser, noch sollte es möglich sein, dass, wie in der Endphase der gescheiterten Republik von Weimar, jahrelang Kanzler ohne Mehrheit im Parlament nur mit Hilfe von Notverordnungen und allein gestützt auf den greisen Reichspräsidenten Paul von Hindenburg regierten.

    Ausgerechnet der Liberale Theodor Heuss, der später erster Bundespräsident wurde und das Amt maßgeblich prägte, sorgte bei der Ausarbeitung des Grundgesetzes im Parlamentarischen Rat dafür, dass das zukünftige Staatsoberhaupt weder direkt vom Volk gewählt wird, sondern indirekt durch die Bundesversammlung, noch einen bestimmenden Einfluss auf die Regierungsbildung und erst recht kein Notverordnungsrecht erhält.

    Die Bundespräsidenten der BRD

    Theodor Heuss (FDP): 1949 - 1959 Er war der erste Bundespräsident der BRD. "Papa Heuss", wie ihn der Volksmund liebevoll nannte, hat das Ansehen Deutschlands im Ausland maßgeblich verbessert. Der einstige FDP-Vorsitzende konnte viele seiner demokratischen Ideale im Grundgesetz verankern.

    Heinrich Lübke (CDU): 1959 - 1969 Seine Nominierung beruhte darauf, dass sich Konrad Adenauer, der eigentlich für das Amt vorgesehen war, zurückgezogen hatte. Die Presse hat ihn vielfach wegen seiner rhetorischen Ausrutscher verspottet. Er hat das Amt vorzeitig niedergelegt, als seine angebliche Nazi-Vergangenheit publik wurde.

    Gustav Heinemann (SPD): 1969 - 1974 Er verstand sich selbst als "Bürgerpräsident" und gab sich volksnah. Ursprünglich gehörte er der CDU an. Heinemann verließ die Christdemokraten, weil sich die Wiederbewaffnung der Bundesrepublik nicht mit seinen moralischen Überzeugungen verinbaren ließ.

    Walter Scheel (FDP): 1974 - 1979 Der ehemalige Außenminister blieb nur für eine Amtszeit Bundespräsident. Im Rahmen einer Fernsehshow gab er, bevor er sein Amt antrat, eine eigene Interpretation des Volksliedes "Hoch auf dem gelben Wagen" zum Besten. Seine politischen Ambitionen vereitelte der damaligen Bundeskanzler Helmut Schmidt.

    Karl Carstens (CDU): 1979 – 1984 Charakteristisch für den Konservativen aus Norddeutschland war seine ausgeprägte Wanderleidenschaft. Seine Mitgliedschaft bei der NSDAP während der Nazi-Herrschaft hat ihm heftige Kritik eingetragen.

    Richard von Weizsäcker (CDU): 1984 - 1994 Der ehemalige Bürgermeister von Berlin hat vor allem durch seine Reden Akzente gesetzt. Er machte aus dem 8. Mai, dem "Tag der Niederlage", kurzerhand den "Tag der Befreiung". Als "Gewissen der Nation" erinnerte er an die Schuld des deutschen Volkes und kritisierte scharf den Parteienstaat.

    Roman Herzog (CDU): 1994 - 1999 Herzog war vor seiner Amtzeit Präsident des Bundesverfassungsgerichts. Mit seiner berühmten Berliner "Ruck-Rede" versuchte er 1997, das Volk aus seiner Passivität zu befreien. Herzog hat sich sehr für den interkulturellen Dialog eingesetzt.

    Johannes Rau (SPD): 1999 - 2004 Er bemühte sich um die Integration ausländischer Mitbürger und setzte auf das Motto "Versöhnen statt spalten". Seine Bibelfestigkeit trug ihm den Spitznamen "Bruder Johannes" ein. Vor dem israelischen Parlament bat er um Verzeihung für den Holocaust.

    Horst Köhler (CDU): 2004 - 2010 Er war der erste Bundespräsident, der nicht zum politischen Establishment zählte. Köhler kritisierte die internationalen Finanzmärkte und äußerte sich vielfach zu gesellschaftspolitischen Themen. Als er öffentlich eine Notwendigkeit militärischer Einsätze in besonderen Fällen betonte, wurde er heftig kritisiert und trat anschließend von seinem Amt zurück.

    Christian Wulff (CDU): 2010 - 2012 Als er sein Amt als Nachfolger von Horts Köhler antrat, war er mit 51 Jahren der jüngste Bundespräsident in der Geschichte der BRD. Doch dann begann das Schlamassel. Von der Inanspruchnahme eines günstigen Privatkredits über kostenlose Urlaube bei Unternehmern bis zur staatlichen Mitfinanzierung einer umstrittenen Lobby-Veranstaltung: Christian Wulff sah sich über Monate hinweg mit vielen Vorwürfen konfrontiert. Die Staatsanwaltschaft Hannover beantragte am 16. Februar 2012 beim Bundestag die Aufhebung der Immunität Wulffs, um strafrechtliche Ermittlungen einleiten zu können. Einen Tag später erklärte Wulff seinen Rücktritt.

    Joachim Gauck (Parteilos): 2012-2017 Joachim Gauck wurde 1940 in Rostock geboren. Nach dem Abitur studierte er Theologie. Von 1965 bis 1990 stand er im Dienst der Evangelisch-Lutherischen Landeskirche Mecklenburgs und arbeitete viele Jahre als Pastor. Am 18. März 2012 wählte die Bundesversammlung Joachim Gauck zum elften Präsidenten der Bundesrepublik Deutschland.

    Machtlos ist der Bundespräsident gleichwohl noch lange nicht. Nur ist seine Macht von einer völlig anderen Natur als die des Kanzlers. Der Präsident wirkt kraft seines Amtes, an die Stelle der tatsächlichen potestas , der Regierungsgewalt, tritt die auctoritas , seine Autorität als über den Parteien und der Tagespolitik stehendes Staatsoberhaupt.

    Sein Einfluss ist Ausdruck seiner moralischen Autorität, sein Instrument ist die Rede. Weil er zur größtmöglichen Überparteilichkeit verpflichtet ist, repräsentiert er die gesamte Nation, nicht nur den regierenden Teil, er führt die widerstrebenden Einzelinteressen zusammen, integriert, moderiert und motiviert, sein Wort hat Gewicht und auf informeller Ebene, durch Gespräche und vertrauliche Runden, kann er durchaus Einfluss nehmen.

    Die Persönlichkeiten prägen das Amt des Bundespräsidenten

    So trafen sich Joachim Gauck und Angela Merkel regelmäßig zu Vier-Augen-Gesprächen, um die aktuelle politische Lage zu besprechen. Gerade weil die Beschreibung des Amtes so unklar ist und der Freiraum entsprechend groß, hängt es von der Persönlichkeit des jeweiligen Präsidenten ab, wie er den leeren Rahmen, den das Grundgesetz zur Verfügung stellt, mit Inhalt füllt.

    Die Person prägt das Amt. Und dies taten alle, von Theodor Heuss bis Joachim Gauck. Jeder für sich setzte eigene Akzente, mischte sich mal mehr, mal weniger intensiv in die Tagespolitik ein, verweigerte die Unterschrift unter offensichtlich grundgesetzwidrige Gesetze, forderte die Regierenden gar zu mehr Mut oder Entschlossenheit auf (wie Roman Herzog oder Horst Köhler) oder prangerte gar die Machtversessenheit der Parteien an (wie Richard von Weizsäcker).

    Auch Joachim Gauck nutzte den weiten Spielraum des Amtes und setzte klare politische Akzente, so als er auf der Münchner Sicherheitskonferenz im Januar 2014 ein deutlich stärkeres internationales Engagement Deutschlands forderte oder mit Blick auf die fremdenfeindlichen Ausschreitungen von  Dunkeldeutschland  sprach. Ob eher zurückhaltend oder politisch engagiert - beliebt war bislang noch jeder Bundespräsident.

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