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Wachstum: Chinas Wirtschaftsmodell stößt an seine Grenzen

Wachstum

Chinas Wirtschaftsmodell stößt an seine Grenzen

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    Besucher sehen sich eine Ausstellung mit Fotos des chinesischen Präsidenten Xi Jinping an. Tausende Delegierte aus ganz China treffen sich ab Dienstag in Peking zur jährlichen Sitzung des Volkskongresses.
    Besucher sehen sich eine Ausstellung mit Fotos des chinesischen Präsidenten Xi Jinping an. Tausende Delegierte aus ganz China treffen sich ab Dienstag in Peking zur jährlichen Sitzung des Volkskongresses. Foto: Schiefelbein/AP, dpa

    In Peking herrscht in diesen Tagen mal wieder der Ausnahmezustand: Soldaten der Volksbefreiungsarmee patrouillieren auf sämtlichen großen Straßen. In den U-Bahnhöfen haben die Sicherheitskräfte die Personenkontrollen verschärft. Und auf fast allen großen Kreuzungen der 20-Millionen-Stadt stehen Militärfahrzeuge. Das ist jedes Jahr so, wenn rund 3000 Delegierte aus allen Teilen des Riesenreichs nach

    Staatsschef Xi Jinping warnt vor Nachlässigkeit

    Wegen des „turbulenten, komplexen und heiklen Umfelds“ für Chinas Wirtschaft sei derzeit höchste Wachsamkeit geboten, mahnte Staats- und Parteichef Xi Jinping vor Beginn des Volkskongresses. Er warnte die Kommunistische Partei vor „Nachlässigkeit, Inkompetenz und der Gefahr, sich zu weit vom Volk zu entfernen“.

    Offiziell ist der Volkskongress Chinas höchstes Organ. In der Realität nicken die Delegierten auf ihrer jährlichen Tagung lediglich die Entwürfe ab, die die kommunistische Führung ihnen vorlegt. Trotzdem handelt es sich um das wichtigste politische Ereignis in China. Denn die Führung legt in den zwei Wochen die zentralen Themen für das laufende Jahr fest. Und 2019 droht für das Reich der Mitte ein äußerst schwieriges Jahr zu werden.

    Den Auftakt wird am heutigen Dienstag Ministerpräsident Li Keqiang mit seinem Rechenschaftsbericht bestreiten. Schon vorab gilt als gesichert, dass er ein niedrigeres Wachstum für sein Land vorgeben wird. Im Vorjahr hatte Li „rund 6,5 Prozent“ als Ziel für 2018 genannt, am Ende wurden 6,6 Prozent erreicht. Es war bereits das langsamste Wachstum seit fast drei Jahrzehnten. Aus Regierungskreisen heißt es nun, 2019 werde Li nur noch eine Wachstumsspanne zwischen sechs und 6,5 Prozent ausgeben.

    Eine Sechs vor dem Komma beim Wirtschaftswachstum würde in Europa Freudentaumel auslösen. Nicht jedoch in China. Denn der Bedarf an zusätzlichen Arbeitsplätzen ist in vielen Landesteilen nach wie vor groß, der Grundbedarf für viele noch immer nicht ausreichend gedeckt. Andere Kerndaten sehen allerdings alles andere als rosig aus. Der Einkaufsindex ist zurückgegangen. Der Konsum schwächelt. Viele Exportunternehmen berichten von massiven Umsatzeinbrüchen. Der Handelsstreit mit den USA hat der chinesischen Wirtschaft zuletzt mehr geschadet, als die Führung zugibt.

    Wanderarbeiter müssen früher in die Ferien

    Schon vor dem chinesischen Neujahrsfest Anfang Februar schickten Unternehmer viele Wanderarbeiter früher in die Ferien. Viele von ihnen sind in ihren Heimatdörfern geblieben, weil es nicht mehr genug Jobs in den Städten gibt. Einige Experten spekulieren daher, dass das Wirtschaftswachstum in Wahrheit nur noch halb so hoch ist wie offiziell angegeben. Ein Wachstum von unter sechs Prozent wird die Regierung jedoch nicht zugeben, vermutet Lu Zhengwei, Chefvolkswirt der Industrial Bank, „weil sie Angst davor hat, den Abwärtstrend ansonsten nicht aufhalten zu können“.

    Dabei sieht es so aus, als ob sich China und die USA in dem seit einem Jahr tobenden Handelsstreit bald einigen könnten. Sowohl von US-Seite als auch aus China verlautete zuletzt, man habe sich in den Verhandlungen angenähert. Die US-Seite äußerte sich am Sonntag positiv über den Verlauf, am Montag verkündete auch die chinesische Regierung, dass es „substanzielle Fortschritte“ gebe. Das Wall Street Journal berichtet, noch im März soll es auf Donald Trumps Privatanwesen in Florida zu einem Gipfel des US-Präsidenten mit Chinas Staats- und Parteichef Xi Jinping kommen.

    Doch auch ohne Handelskonflikt ist deutlich geworden, dass Chinas bisheriges Wirtschaftsmodell an seine Grenzen stößt. Massive Investitionen der Staatsunternehmen, die das Wachstum die letzten Jahre befeuert haben, scheinen ihre Wirkung zu verlieren. Zugleich haben die Schulden exorbitante Höhen erreicht. Lag die Gesamtverschuldung 2008 noch bei 170 Prozent der jährlichen Wirtschaftsleistung, liegt sie nun bei über 300 Prozent. Trotzdem geht das Wachstum zurück. Denn vielerorts gibt es bereits ausreichend Schienen, Straßen und Hochhäuser. In ganzen Branchen herrschen Überkapazitäten.

    Doch nicht nur die Schwächen in der Wirtschaft machen die chinesische Führung nervös. Sie will im Oktober das 70-jährige Bestehen der Volksrepublik feiern. Doch die nächsten Monate werden von einer Reihe weiterer Jahrestage geprägt, die ihr nicht genehm sind. 2019 jährt sich zum 100. Mal der Jahrestag der sogenannten 4. Mai-Bewegung, Chinas erster Demokratiebewegung. Ebenfalls jährt sich die Niederschlagung der Tibet-Proteste vor 60 Jahren sowie die blutige Niederschlagung der Tiananmen-Proteste vor 30 Jahren. Die massiven Sicherheitsvorkehrungen in Peking dürften daher anhalten.

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