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Vorbild Erfurt: Kommentar: Eine rot-rot-grüne Koalition ist nicht vorstellbar

Vorbild Erfurt

Kommentar: Eine rot-rot-grüne Koalition ist nicht vorstellbar

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    Der Plenarsaal des Bundestags.
    Der Plenarsaal des Bundestags. Foto: Rainer Jensen/dpa

    Die Revolution hat Bodo Ramelow noch nicht ausgerufen. Mit angezogener Handbremse und ohne größere Flurschäden steuert er Thüringen seit einem Jahr als erster linker Ministerpräsident durch unruhige Zeiten. Der Haushalt ist noch immer ausgeglichen, der Verfassungsschutz noch immer nicht abgeschafft, die Mehrheit von nur einer Stimme zu knapp, um etwas zu riskieren.

    Zu einer rot-rot-grünen Koalition führt kein Weg

    Gemessen an den Befürchtungen, die nicht nur die Wirtschaft hatte, arbeitet die rot-rot-grüne Allianz in Erfurt bisher nicht besser und nicht schlechter als andere Bündnisse auch. Ihre Politik funktioniert nach dem Prinzip des kleinsten gemeinsamen Nenners – und deshalb ist Ramelow auch kein Über-Linker, der den Sozialismus durch die Hintertür wieder einführt, sondern ein zum Kompromiss verdammter Realist. Das, vor allem, macht seine Koalition zu einem politischen Tur Tur, dem Scheinriesen aus der Augsburger Puppenkiste. Je näher man ihr kommt, umso schneller schrumpft ihre Bedeutung.

    Als Blaupause für ein Bündnis im Bund eignet sich das Erfurter Modell ohnehin nicht. Obwohl Grüne, Linke und Sozialdemokraten in Berlin in den verschiedensten Runden schon Schnittmengen und Spielräume für einen bunten Dreier ausloten, führt zu einer rot-rot-grünen Koalition mit Sigmar Gabriel als Kanzler an der Spitze im Moment kein Weg – erst recht nicht nach der Entscheidung der Bundesregierung, die Bundeswehr an der Seite Frankreichs im Krieg gegen den Terror einzusetzen.

    Anders als die Grünen, die hier einen schmerzhaften Lernprozess hinter sich haben, lehnen die Linken solche Einsätze nach wie vor kategorisch ab. In Krisenzeiten, in denen eine Regierung auch unpopuläre, riskante Wege gehen muss, scheiden sie als potenzieller Koalitionspartner deshalb aus, zumindest im Bund. Und die Zeiten werden vermutlich bis weit über die Wahl 2017 hinaus schwierig bleiben.

    Die Große Koalition erscheint in der Flüchtlingskrise als die bessere Wahl

    Rein rechnerisch hätte Rot-Rot-Grün schon jetzt eine Mehrheit im Bundestag, die SPD allerdings hat dieses Experiment vor zwei Jahren aus guten Gründen nicht gewagt. Zu groß sind die Differenzen zwischen Roten und Dunkelroten noch immer, zu schmerzhaft noch die Wunden, die der Seitenwechsel von Oskar Lafontaine gerissen hat. Mittlerweile hat sich das Verhältnis zwar etwas entkrampft und die Linkspartei mit Dietmar Bartsch einen Mann an der Fraktionsspitze, auf den Gabriel hohe Stücke hält. Hinter Bartsch und seiner Kollegin Sahra Wagenknecht aber scharen sich im

    Jenseits aller parteipolitischen Dissonanzen spricht im Moment vor allem ein Argument gegen Rot-Rot-Grün: Ein Land, das mit wachsender Sorge verfolgt, wie die Politik vor der Flüchtlingskrise kapituliert, wird sich im Zweifel erneut für eine Große Koalition entscheiden – und nicht für ein Bündnis aus drei Parteien, die die Tore nach Deutschland offen halten und das Asylrecht tunlichst nicht mehr antasten wollen. Klaus Ernst versteht Rot-Rot-Grün zwar als eine Art Bollwerk gegen den Rechtspopulismus holländischer, französischer oder polnischer Prägung. Der Umkehrschluss aber, den er zieht, ist falsch: Nicht eine Koalition links der Mitte verhindert in der Flüchtlingskrise das Erstarken der Rechten, sondern eine Koalition der pragmatischen Vernunft. Ernsts Linke ist dabei nicht Teil der Lösung, sondern Teil des Problems.

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