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Von Neonaziterrorist zu Neonaziterrorist: Breivik will Brieffreundschaft mit Zschäpe

Von Neonaziterrorist zu Neonaziterrorist

Breivik will Brieffreundschaft mit Zschäpe

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    Massenmörder Breivik hat Kontakt zu Peter Mangs und Beate Zschäpe aufgenommen.
    Massenmörder Breivik hat Kontakt zu Peter Mangs und Beate Zschäpe aufgenommen. Foto: dpa

    Während Anders Behring Breivik wegen Mordes an 77 Menschen vor Gericht steht, sucht der Massenmörder hinter Gittern offensichtlich Kontakt: Also schrieb er Briefe - an niemand geringeren als den Attentäter von Malmö, Peter Mangs, und Beate Zschäpe, Gründungsmitglied der NSU.

    Breivik will Zschäpe und Mangs feiern

    Breivik hat Kontakt zu der mutmaßlichen Terroristin Beate Zschäpe aufgenommen. Das berichtet die norwegische Zeitung Dagbladet. Odd Ivar Grøn, einer von Breiviks Anwälten, bestätigt das. Laut Medienberichten soll Breivik in einem Polizeiverhör gesagt haben: "Ich werde sie (Zschäpe und Mangs) als nationale Helden Deutschlands und Schwedens feiern und ihnen Zugang zu meinem nationalistischen revolutionären Netzwerk anbieten."

    Breivik, Mangs und Zschäpe: Das sind Namen, die für Rechtsradikalismus, Hass und Massenmord stehen. Alle drei werden verdächtigt, wahllos Menschen ermordet zu haben - Menschen, die nicht in ihr rassistisches Weltbild gepasst haben: Breivik gibt zu, in Norwegen bei einem beispiellosen Terroranschlag insgesamt 77 Menschen getötet zu haben. Peter Mangs wird verdächtigt, als Heckenschütze ziellos dunkelhäutige Menschen in Malmö erschossen zu haben und Beate Zschäpe soll an den Morden ausländischer Imbiss- und Kioskbesitzer sowie an dem Heilbronner Polizistenmord beteiligt gewesen sein.

    Möchte Breivik eine unheilvolle Allianz aufbauen?

    Möchte Anders Breivik mit seinen Briefen eine unheilvolle Allianz aufbauen? Ein Verdacht liegt nahe: Breivik hofft möglicherweise, durch die Bestätigung von Gleichgesinnten seinen wirren Reden über die "Tempelritter" Nachdruck zu verleihen. Im Gerichtsprozess gegen ihn spricht Breivik immer wieder im Plural: "Ich habe uns das Mandat gegeben", sagt er auf die Frage, wer ihm das Recht zum Töten gegeben habe. Er spricht über die "Tempelritter" - ein angebliches nationalistisches Netzwerk, von dem die Staatsanwälte sicher sind, dass es nur in Breiviks Fantasie existiert.

    Die Zwickauer Terrorzelle - Chronologie der Ereignisse

    Freitag, 4. November: Am Vormittag überfallen zwei Männer eine Bank im thüringischen Eisenach und fliehen. Während der Fahndung stoßen Polizisten auf zwei Leichen in einem Wohnmobil. Beamte hatten Hinweise erhalten, dass ein Caravan bei dem Überfall eine Rolle gespielt haben könnte.

    Samstag, 5. November: Ermittler untersuchen die Schusswaffen, die in dem Wohnmobil gefunden wurden.

    Montag, 7. November: Unter den Pistolen im Wohnwagen sind die Dienstwaffen der im April 2007 in Heilbronn getöteten Polizistin Michele Kiesewetter und ihres schwer verletzten Kollegen. Die später identifizierten Männer Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt, deren Leichen entdeckt wurden, sollen den Banküberfall begangen haben. Sie sollen zusammen mit einer Frau in einer Wohnung in Zwickau gelebt haben, die wenige Stunden nach dem Banküberfall explodiert war. Nach der Frau, Beate Zschäpe, wird gefahndet.

    Dienstag, 8. November: Die bundesweit gesuchte Beate Zschäpe stellt sich der Polizei in Jena. Spekulationen kommen auf, dass die mutmaßlichen Bankräuber eine Verbindung in die Neonazi-Szene gehabt haben könnten. Sie und die verdächtige Frau sollen in Thüringen als rechtsextreme Bombenbauer in Erscheinung getreten sein.

    Mittwoch, 9. November: Zschäpe sitzt in U-Haft und schweigt. Nach Aussage von Thüringens Innenminister Jörg Geibert hatten die Männer bis 1998 Verbindungen zum rechtsextremen Thüringer Heimatschutz - danach jedoch nicht mehr. Polizei und Staatsanwaltschaft in Sachsen machen die Frau zunächst nur für die Explosion des Wohnhauses in Zwickau verantwortlich.

    Donnerstag, 10. November: In den Trümmern des abgebrannten Hauses in Zwickau werden weitere Schusswaffen gefunden.

    Freitag, 11. November: Es ist die spektakuläre Wende in dem Fall: Unter den Waffen ist die Pistole, mit der zwischen 2000 und 2006 neun Kleinunternehmer erschossen wurden - Türken, ein Grieche und Deutsche mit Migrationshintergrund. Außerdem entdecken Fahnder rechtsextreme Propaganda-Videos. Diese beziehen sich auf eine Gruppierung mit dem Namen Nationalsozialistischer Untergrund (NSU) und enthalten Bezüge zur Mordserie. Die Bundesanwaltschaft in Karlsruhe übernimmt die Ermittlungen.

    Sonntag, 13. November: Die Bundesanwaltschaft geht erstmals ausdrücklich von Rechtsterrorismus aus. Der Bundesgerichtshof erlässt  Haftbefehl gegen Zschäpe wegen des dringenden Tatverdachts «der Gründung und Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung». In Lauenau bei Hannover wird ein mutmaßlicher Komplize festgenommen. Holger G. soll dem Neonazi-Trio 2007 seinen Führerschein und vor etwa vier Monaten seinen Reisepass zur Verfügung gestellt haben. Die Rolle des Verfassungsschutzes in dem Fall ist unklar. Politiker fragen, warum die Rechtsextremen, die unter Beobachtung standen und schon 1998 in Jena als Bombenbauer auffielen, so lange unbehelligt blieben.

    Montag, 14. November: Justizministerin Sabine Leutheusser- Schnarrenberger sagt, die Strukturen des Verfassungsschutzes sollten auf den Prüfstand gestellt werden. Ihre Frage: «Was mich wirklich umtreibt, ist: Gibt es ein fester gefügtes rechtsextremistisches Netzwerk in Deutschland als bisher angenommen wurde?».

    Donnerstag, 17. November: Der hessische Verfassungsschutz dementiert einen Bericht, ein 2006 suspendierter Mitarbeiter habe einen V-Mann beim rechtsextremen Thüringer Heimatschutz geführt. Der Verfassungsschützer war 2006 in einem Internetcafé in Kassel gewesen, kurz bevor dort die tödlichen Schüsse auf den türkischstämmigen Betreiber fielen.

    Freitag, 18. November: Die Terrorzelle ist möglicherweise größer als bisher bekannt. Ermittler haben zwei weitere Personen im Visier. Sie sollen Mundlos, Böhnhardt und Zschäpe unterstützt haben. Nach mehreren Ermittlungspannen in der Vergangenheit wollen Bund und Länder mit besseren Strukturen auf den über Jahre unentdeckten rechtsextremistischen Terror reagieren.

    Dienstag, 29. November: Fahnder nehmen den früheren NPD-Funktionär Ralf W. fest. Er soll ein weiterer mutmaßlicher Unterstützer der terroristischen Vereinigung «Nationalistischer Untergrund» (NSU) sein.

    Doch Anders Breivik möchte offensichtlich unter keinen Umständen als verwirrt oder unzurechnungsfähig gelten. Ein psychiatrisches Gutachten, das ihn für unzurechnungsfähig erklärte, hat Breivik vehement zurückgewiesen. "Ich denke, ganz Norwegen hat gesehen, dass ich nicht verrückt bin", sagte der 33-jährige Attentäter vor Gericht. Möglicherweise sucht er deshalb den Kontakt zu Zschäpe und Mangs.

    Breiviks Fahrplan beim Massenmord

    11.45 Uhr: Breivik fährt einen Mietwagen des Typs Fiat Doblò durch eine Station für Automaut Richtung Osloer Innenstadt. Er parkt das Auto am Hammersberg Torg und kehrt in den Stadtteil Skøyen im Westen Oslos zurück. Dort wohnt er bei seiner Mutter.

    12.51 Uhr: Breivik schreibt den letzten Eintrag in sein 1500 Seiten umfassendes «Manifest».

    14.08 Uhr: Das «Manifest» wird per Email an 1003 Adressaten verschickt. Breivik verkleidet sich als Polizist.

    15.00 Uhr: Er fährt einen mit mehreren hundert Kilo Sprengstoff gefüllten VW-Transporter durch eine der automatischen Mautstationen Richtung Zentrum. Den ebenfalls gemieteten Wagen stellt er direkt vor dem Regierungs-Hochhaus ab und läuft zum Fiat am Hammersberg Torg. Im Polizeiverhör gibt Breivik später an, er habe die Transportzeiten zu niedrig berechnet.

    15.26 Uhr: Die Bombe explodiert im Osloer Regierungsviertel. Doch wegen der Sommerferien sind viele Angestellte schon im Feierabend. Breivik steckt danach bei seiner Fahrt zur 40 km entfernten Insel Utøya im Stau nach einem Unfall.

    16.40 Uhr: Breivik kommt in seiner Polizeiuniform an der kleinen Fährstation zur Insel an. Er stellt den Mietwagen ab und setzt auf der Fähre über. Als Gepäck führt er ein Schnellfeuergewehr, eine Pistole und große Mengen Munition mit sich.

    17.08 Uhr: Ankunft des Attentäters auf Utøya.

    17.27 Uhr: Die Polizei wird alarmiert. Unklar bleibt auch bei anderen Medienangaben, was in den ersten knapp 20 Minuten seit Breiviks Ankunft genau geschieht. Nach den ersten offiziellen Mitteilungen der Polizei hat der Massenmörder für die Tötung seiner 69 Opfer auf Utøya anderthalb Stunden Zeit.

    18.09 Uhr: Angehörige der Polizei-Eliteeinheit «Delta» kommen zusammen mit örtlichen Polizisten an der Fährstation nach Utøya auf der Festlandseite an.

    18.25 Uhr: Die Einsatzgruppe erreicht die Insel und sucht nach dem Täter.

    18.27 Uhr: Breivik lässt sich mit erhobenen Händen festnehmen. Er hat beide Waffen weggelegt. Die Polizei setzt ihn mehrere Stunden in einem Holzhaus auf der Insel fest, ehe er nachts in die Osloer Polizeizentrale gebracht wird.

    In ihnen sieht er Gleichgesinnte: Peter Mangs Taten haben Schweden ein Jahrzehnt lang erschreckt: Fast zehn Jahre lang soll er unerkannt mit seinem Gewehr Jagd auf dunkelhäutige Zuwanderer gemacht und dabei aus dem Hinterhalt drei Opfer getötet haben. Der Prozessbeginn Mitte Mai vor dem Malmöer Gericht fand unter strengen Sicherheitsvorkehrungen statt. Der mutmaßliche Heckenschütze ist bereits im Vorfeld vom norwegischen Massenmörder Anders Behring Breivik als Gesinnungsgenosse benannt worden.

    Hat Beate Zschäpe auf den Brief von Breivik reagiert?

    Beate Zschäpe, die im Herbst angeklagt werden soll und als Mitgründerin der Terrorgruppe "Nationalsozialistischer Untergrund" (NSU) gilt, sitzt derzeit in der Justizvollzugsanstalt (JVA) Köln-Ossendorf in Haft. Dem NSU werden Morde an neun Männern türkischer und griechischer Herkunft sowie an einer Polizistin zur Last gelegt. Die Gruppe soll auch zwei Sprengstoffanschläge und mehrere Banküberfälle verübt haben. Inwieweit Beate Zschäpe in die Taten involviert war, ist nicht komplett aufgeklärt.

    Die mutmaßlichen Zschäpe-Komplizen Uwe Böhnhardt und Uwe Mundlos sind tot. Zschäpe ist das einzige noch lebende Gründungsmitglied der Terrorzelle. Ob sie auf den Brief von Anders Behring Breivik reagiert hat, ist derzeit noch unklar. mit dpa

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