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Villingen-Schwenningen: Unbekannte werfen scharfe Handgranate auf Asylunterkunft

Villingen-Schwenningen

Unbekannte werfen scharfe Handgranate auf Asylunterkunft

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    Kriminalbeamte untersuchen in Villingen-Schwenningen vor einer Flüchtlingsunterkunft den Tatort. Unbekannte haben eine scharfe Handgranate über den Zaun  geworfen.
    Kriminalbeamte untersuchen in Villingen-Schwenningen vor einer Flüchtlingsunterkunft den Tatort. Unbekannte haben eine scharfe Handgranate über den Zaun geworfen. Foto: Patrick Seeger, dpa

    Mit einer Handgranate haben Unbekannte in der Nacht zum Freitag einen Anschlag auf eine Flüchtlingsunterkunft in Villingen-Schwenningen verübt. Nach dpa-Informationen landete eine scharfe Handgranate auf dem Gelände der sogenannten bedarfsorientierten Erstaufnahmestelle im Schwarzwald-Baar-Kreis.

    Der Sicherheitssplint war gezogen und die Granate mit Sprengstoff gefüllt, sie explodierte jedoch nicht. Menschen kamen nicht zu Schaden, der Sprengkörper konnte rechtzeitig entdeckt werden.

    Granate wurde gesprengt

    Die Täter warfen den bisherigen Ermittlungen zufolge die Handgranate kurz nach ein Uhr in der Nacht über den Zaun um die Erstaufnahmestelle. Mitarbeiter des Sicherheitsdienstes entdeckten den Sprengkörper und alarmierten die Polizei. Spezialisten des Landeskriminalamtes (LKA) brachten die Granate um fünf Uhr morgens kontrolliert zur Explosion. Unklar blieb zunächst, ob ein Zünder vorhanden war.

    Hinweise zu den Hintergründen der Tat lägen noch nicht vor, erklärte das Polizeipräsidium Tuttlingen. Die Ermittlungen liefen in alle Richtungen. Die Kriminalpolizei richtete eine Sonderkommission "Container" ein. Die Bevölkerung wurde zur Mithilfe aufgerufen. Gesucht werden Zeugen, die verdächtige Fahrzeuge oder verdächtige Menschen in der Nacht beobachtet haben.

    Rund 20 Bewohner der Flüchtlingsunterkunft mussten kurzzeitig ihre Wohnungen verlassen, konnten aber schon in den frühen Morgenstunden wieder in ihre Räume zurückkehren. In der Flüchtlingsunterkunft, einer ehemaligen Kaserne, sind insgesamt rund 170 Asylbewerber in mehreren Gebäuden untergebracht.

    Die Anwohner sind schockiert über den versuchten Anschlag

    Eine Frau auf der Straße ist schockiert. "Ich kann das gar nicht glauben", sagt sie. "Eine Handgranate? Hier in unserer Stadt?" Die Frau, die ihren Namen nicht sagen will, steht in einer Seitenstraße in Villingen-Schwenningen, nur wenige hundert Meter von der betroffenen Asylbewerberunterkunft entfernt. Die Polizei hat die Straßen weiträumig abgesperrt, außer den rot-weißen Bändern, den zahlreichen Beamten und ganz vereinzelt Experten in weißen Schutzanzügen deutet nichts darauf hin, was hier in der Nacht passiert ist.

    Obwohl niemand verletzt wurde, sei das Ganze trotzdem schlimm, sagt die Passantin. Sie zeigt hohe Metallzäune, die rund um die Flüchtlingsunterkunft stehen. "Die Menschen werden hier angefeindet, mit den Zäunen muss man sie vor uns schützen", sagt sie. "Dabei verlässt doch niemand freiwillig sein Land."

    Am frühen Freitagmorgen sind kaum Menschen auf der Straße zu sehen. "Erbsenlachen" heiße die Ecke in der Stadt mit rund 84 000 Einwohnern, nur zehn Gehminuten vom Zentrum entfernt, sagt ein Polizist. Die Sonne scheint auf die Straßen, auf denen letzte Reste von Schnee liegen. Einfamilienhaus reiht sich an Einfamilienhaus, dazwischen stehen auf mehrere Straßen verteilt ehemalige Kasernengebäude, in denen jetzt die Flüchtlinge untergebracht sind.

    Das Zusammenleben mit den Flüchtlingen hatte sich eingespielt

    Er wundere sich nicht über den Anschlag, sagt ein Anwohner in einer Nachbarstraße. Unzufriedenheit und Ärger über die Flüchtlingskrise stiegen in der Bevölkerung, aber die Politik unternehme nichts dagegen. "Keiner macht was", sagt der Mann. In seinem Viertel in Villingen-Schwenningen seien die Flüchtlinge in einer Nacht-und-Nebel-Aktion in Bussen angekommen, niemand sei vorher darüber informiert worden, sagt der Mann. "Wir haben nicht gewusst, wie viele kommen. Wie lange bleiben sie, woher kommen sie?"

    Inzwischen habe sich das Zusammenleben aber eingespielt, es gebe keine größeren Reibereien zwischen Anwohnern und Asylbewerbern. "Wir müssen ja alle miteinander klarkommen", sagt der Mann.

    Im Sommer habe es ein paar kleinere Probleme gegeben, erzählt eine Frau, die direkt gegenüber einer der Flüchtlingsunterkünfte wohnt. Sie lehnt sich aus ihrem Fenster und zeigt auf die Bäume in ihrem Garten. "Da haben die Flüchtlinge oft bis spät in die Nacht gesessen. Das war einfach zu laut." Nachdem sie das bei der Stadt gemeldet habe, sei jetzt aber alles in Ordnung. "Es ist alles friedlich." Trotzdem habe auch sie mit Ärger gerechnet: "Ich habe mir schon gedacht, dass sie irgendwann mal aufeinander losgehen", sagt sie. "Bei so vielen Nationen auf einem Haufen."

    Nur ein paar Meter weiter laufen Ahmad und sein Freund Ghadi an einer der Unterkünfte vorbei. Die Sonne scheint, und die beiden Flüchtlinge wollen ein bisschen frische Luft schnappen. Sie sind seit fast zwei Monaten in Villingen-Schwenningen. "Aber heute Nacht haben wir gar nichts mitbekommen", sagt der Syrer auf Englisch. "Wir wissen nur, dass es ein Problem gegeben hat. Mehr nicht." Machen sie sich Sorgen? "Nein", sagt Ahmad. "Die Polizei ist ja da."

    Bundesjustizminister Maas zeigte sich erschrocken über Ausmaß an Gewalt

    Bundesjustizminister Maas erklärte zu dem Anschlag, das "Ausmaß der Gewalt" sei "erschreckend". Die Täter dürften nicht ungestraft davon kommen. "Wir können alle nur dankbar sein, dass dieses Mal niemand verletzt wurde", hob Maas hervor. Der Anstieg von Angriffen gegen Flüchtlinge, Helfer oder Polizisten sei "insgesamt dramatisch".

    Die "neue Qualität der Hetze und Gewalt" müsse allen Demokraten ein Ansporn sein, noch entschiedener für eine offene und tolerante Gesellschaft einzutreten, mahnte der Justizminister. "Sprengkörper auf Flüchtlingsheime fliegen heute schon, wir dürfen nicht abwarten, bis es die ersten Toten gibt."

    "Der Angriff mit einer Handgranate ist eine neue, erschreckende Kategorie des Hasses, die ein schrillendes Alarmsignal sein muss", erklärte Grünen-Chefin Simone Peter. Die Zahl der Gewalttaten auf Flüchtlingseinrichtungen in Deutschland habe sich im vergangenen Jahr versechsfacht. "Der Kampf gegen rechten Terror muss von der Kanzlerin zur Chefsache gemacht werden", forderte Peter. "Die Sicherheitsbehörden müssen mit einer schlagkräftigen Task Force die rechte Gewalt stoppen, bevor es die ersten Toten zu beklagen gibt." dpa/AFP

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