Nach Gemeinsamkeiten muss in diesem Fall nicht lange gesucht werden: Beide Herren gelten als ungeduldig und machtbewusst, beide mögen Hunde, beide haben einen gewissen Hang zum Monarchischen. Und es kann auch nicht verwundern, dass Ministerpräsident Markus Söder (CSU) nach seiner 45-minütigen Videokonferenz mit Frankreichs Staatspräsident Emmanuel Macron stolz verkündete, es sei ein „sehr spannendes, sehr harmonisches Gespräch mit viel Übereinstimmung“ gewesen. Doch wie immer, wenn ein bayerischer Ministerpräsident in außenpolitische Sphären vordringt, die rein protokollarisch eigentlich eine Nummer zu groß sind, stellt sich die Frage, was da wohl dahintersteckt.
Das Reizwort „bayerische Außenpolitik“ begleitet die Bundesrepublik seit ihrer Gründung. Das Grundgesetz sieht die alleinige Kompetenz für internationale Beziehungen bei der Bundesregierung. Schon Anfang der 1950er Jahre wurde zum Beispiel heftig über die Frage gestritten, ob Bayern einen eigenen Gesandten beim Vatikan haben darf. Doch der CSU, die seit rund 70 Jahren mit nur einer Unterbrechung die bayerische Staatsregierung anführt, war das traditionell ziemlich egal.
Spätestens seit CSU-Chef Franz Josef Strauß im Jahr 1975 – damals sogar ohne jedes Regierungsamt – vom chinesischen Staatschef Mao Tse-tung empfangen wurde, haben bayerische Ministerpräsidenten ein heimliches Vergnügen dabei, ihre Bedeutung durch Auftritte auf der Weltbühne zu unterstreichen. Das Grundgesetz umgehen sie dadurch, dass ihre Reisen in die Welt offiziell nicht als „Außenpolitik“, sondern als „Außenwirtschaftspolitik“ tituliert sind.
Günther Beckstein besuchte immerhin zum König von Saudi-Arabien
Edmund Stoiber war besonders reisefreudig. Er besuchte unter anderem US-Präsident Georg W. Bush, den indischen Premierminister Atal Behari Vajpayee, den israelischen Ministerpräsidenten Ariel Scharon, Palästinenserchef Yassir Arafat, den russischen Staatschef Wladimir Putin und viele andere. Horst Seehofer war weniger gern unterwegs, kam aber auch ganz schön rum – unter anderem zweimal zu Putin und nach China. Und sogar Günther Beckstein, dem redlicherweise keinerlei bundespolitische Ambitionen nachgesagt werden konnten, hat es in seiner kurzen Amtszeit als bayerischer Ministerpräsident geschafft, beim saudischen König empfangen zu werden.
Ein Empfang im Élysée-Palast war Söder nicht vergönnt. Aus Paris heißt es zwar, dass das als symbolischer Akt eigentlich geplant gewesen sei. Macron wollte Söder angeblich einen ebenso großen Bahnhof bereiten, wie er selbst der Bundeskanzlerin vergangenes Jahr auf Schloss Herrenchiemsee. Doch aufgrund der Corona-Situation sei ein persönliches Treffen nicht möglich gewesen.
Bleibt die Frage nach dem Motiv: Wollte Macron den möglichen Kanzlerkandidaten der Union treffen oder den bayerischen Ministerpräsidenten? Wollte er Söder gar ermutigen, nach dem Kanzleramt zu greifen, und ihn dabei unterstützen? Oder wollte er einfach nur aus erster Hand erfahren, wie es in der deutschen Innenpolitik gerade so läuft?
Frankreich und Bayern wollen enger kooperieren
Antworten auf diese Fragen gibt die Staatskanzlei unter Verweis auf die Vertraulichkeit des Gesprächs nicht. Macron und Söder, so heißt es dort nur, hätten sich erstmals vergangenes Jahr am Rande der Münchner Sicherheitskonferenz zu einem Gespräch getroffen und festgestellt, dass sie „auf derselben Wellenlänge“ unterwegs seien.
Beiden ginge es in der europäischen Politik nicht schnell genug, beide seien der Überzeugung, dass Europa auf der Weltbühne weder wirtschaftlich noch politisch ins Hintertreffen geraten dürfe. Deshalb habe man schon vor einem Jahr vereinbart, dass Bayern und Frankreich auf dem Feld von Technologie und Forschung enger zusammenzuarbeiten. Nun seien zehn Projekte – von Künstlicher Intelligenz, über Quantencomputing bis hin zu Luft- und Raumfahrt – vereinbart worden.
Man soll sich Macron und Söder – so zumindest kann diese Botschaft aus Söders Umfeld interpretiert werden – als Brüder im Geiste vorstellen: ungeduldig und voller Visionen und Tatendrang. Die Ähnlichkeiten reichen vom Politischen bis ins Private. Wie Macron seinen Findlingshund „Nemo“, so präsentierte auch Söder seinen Hundewelpen „Molly“ öffentlich. Beide wissen sich in Szene zu setzen. In den französischen Medien fand das Gespräch übrigens keine besondere Erwähnung.
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