Totgesagte Leben länger - Bei der libysche Fernsehmoderatorin Hala Misrati stimmt das. Sie wurde für tot erklärt. Doch die prominente Moderatorin meldete sich am Sonntag in einem Video - und dementiert ihren eigenen Tod. In der Video-Botschaft, die von den Revolutionsbrigaden veröffentlicht wurde, die sie gefangen halten, sagt sie: "Ich war sehr erstaunt darüber". Sie sei "seit Monaten umgeben von den Revolutionären verschiedener Brigaden", fügt die mit einem schwarzen Gewand und einem Kopftuch bekleidete TV-Journalistin hinzu, die einst Teil der Propagandamaschinerie des Regimes von Ex-Diktator Muammar al-Gaddafi war.
Gratulation aus der Gefangenschaft
Kurz vor der Machtübernahme durch die Revolutionsbrigaden im August vergangenen Jahres hatte die damals noch unverschleierte Moderatorin im Fernsehen eine Pistole geschwenkt und erklärt, sie sei bereit, den Sender höchstpersönlich zu verteidigen. In der am Sonntag verbreiteten Video-Botschaft gratuliert sie allen Libyern "zum ersten Jahrestag der Revolution des 17. Februar". Fraglich ist dabei, wie "freiwillig" die in Gefangenschaft aufgenommene "Gratulation" ist.
Misrati sei in einem Gefängnis in Tripolis tot in ihrer Zelle gefunden worden
Der Nachrichtensender Al-Arabija hatte zuvor gemeldet, Misrati sei in einem Gefängnis der Hauptstadt Tripolis tot in ihrer Zelle aufgefunden worden.
In einem Interview mit dem arabischen TV-Sender Al-Dschasira sagte Generalstaatsanwalt Abdulasis al-Hasadi am Sonntag, er wisse nicht, wer das Gerücht über Misratis Tod in die Welt gesetzt habe. Die TV-Moderatorin, die in ihren Sendungen stets den früheren Machthaber Muammar al-Gaddafi in den Himmel gelobt hatte, wird nach seinen Angaben noch verhört. "Die Ermittlungen werden, so Gott will, bald abgeschlossen sein", fügte er hinzu.
Chronologie: Aufstieg und Fall von Gaddafi
Libyens Muammar al-Gaddafi wurde als Terrorhelfer international geächtet und als Handelspartner hofiert. Im Westen galt der selbst ernannte Revolutionsführer mit bizarr anmutenden Gewohnheiten vielen als unberechenbar.
1942: Im September nahe der Stadt Sirte in Libyen geboren.
1963: Jura- und Geschichtsstudium für Offizierslaufbahn abgebrochen.
1969: Ein «Bund der freien Offiziere» putscht Gaddafi an die Macht.
1970: Ausländische Öl-Firmen in Libyen werden verstaatlicht.
1973: Gaddafi veröffentlicht seine «Dritte Universaltheorie» als Mittelweg zwischen Kommunismus und Kapitalismus.
1977: Der «Revolutionsführer» ruft die «Sozialistische Libysch- Arabische Volks-Dschamahirija (Herrschaft der Massen)» aus.
1985: Wegen Libyens Verstrickung in den internationalen Terrorismus verhängen die USA einen Wirtschaftsboykott.
1986: Die USA machen Gaddafi für einen Anschlag auf die Berliner Diskothek «La Belle» verantwortlich und bombardieren Tripolis.
1988: 270 Tote bei Explosion eines US-Jumbos über Lockerbie.
1991: Der UN-Sicherheitsrat verhängt Sanktionen gegen Libyen.
2003: Libyen sagt für den Anschlag von Lockerbie die Zahlung von Entschädigungen zu; die UN heben die Sanktionen auf.
2003: Gaddafi kündigt Einstellung des libyschen Atomprogramms und die Zerstörung seiner Massenvernichtungswaffen an.
2004: Die USA heben ihre Handelsbeschränkungen auf. 2007: Frankreichs Präsident Nicolas Sarkozy vereinbart mit Gaddafi eine militärische und atomtechnische Kooperation. Anvisiert wird die Lieferung von Kampfjets und eines Atomkraftwerks.
2008: Die USA schließen mit Libyen ein Öl-Handelsabkommen. 2009: Gaddafi wird für ein Jahr Ratsvorsitzender der Afrikanischen Union und fordert die «Vereinigten Staaten von Afrika».
2009: Freundschaftsabkommen und erster Staatsbesuch Gaddafis in Rom.
2010: Nach Festnahme seines Sohns Hannibal in Genf wegen Misshandlung von Angestellten ruft Gaddafi zum Dschihad gegen die Schweiz.
2010: Um den Zustrom afrikanischer Flüchtlinge über Libyen einzudämmen, zahlt die EU Gaddafi 50 Millionen Euro.
2011: Am 15. Februar demonstrieren Tausende gegen Gaddafi. Seine Gefolgsleute richten später ein Blutbad unter Zivilisten an. Der folgende Bürgerkrieg läutet den Sturz des «Führers» ein. (dpa)
Aufruf an alle Revolutionäre
Der Ministerpräsident der Übergangsregierung, Abdul Rahim al-Kib hatte am Samstagabend in einer Fernsehansprache zum 1. Jahrestag des Beginns der "Revolution des 17. Februar" noch einmal eindringlich an alle bewaffneten Revolutionäre appelliert, sich für den Dienst im Innenministerium oder in der Armee zu melden. "Wenn ihr die wichtigen Posten in Polizei und Armee nicht besetzt, dann bleiben sie frei für Elemente, die weniger treu zur Nation stehen als ihr", sagte er.
Bislang hätten sich erst gut 5000 der Revolutionäre, die im vergangenen Jahr gegen die Gaddafi-Truppen gekämpft hatten, für den Dienst bei der Polizei gemeldet. Etwa genauso viele Revolutionäre wollten der Armee beitreten. Einige Revolutionsbrigaden hatten erklärt, sie wollten den Sicherheitskräften nur geschlossen beitreten. Dies lehnt die Übergangsregierung jedoch ab, die keine Milizen unter dem Dach ihrer Ministerien dulden will.
Immernoch Kämpfe zwischen Revolutionsbrigaden und Anhängern des alten Regimes
Aus der südlichen Oasenstadt Al-Kufra wurden am Wochenende erneut Kämpfe zwischen Revolutionsbrigaden und mutmaßlichen Anhängern des alten Regimes gemeldet. Nach diesen Angaben wurden am Samstag zwei junge Männer, eine Frau und ein Kind getötet. 29 Verletzte sollten nach Bengasi ausgeflogen werden, hieß es. Lokale Medien berichteten, Milizen mit Verbindung in den Tschad seien mit verantwortlich für die Gewalt. (AZ, dpa)