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Versorgung: Union und SPD lehnen Kahlschlag bei Zahl der Krankenhäuser ab

Versorgung

Union und SPD lehnen Kahlschlag bei Zahl der Krankenhäuser ab

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    Karl Lauterbach kritisiert den Vorstoß der Bertelsmann-Stiftung, die Zahl der Krankenhäuser zu halbieren.
    Karl Lauterbach kritisiert den Vorstoß der Bertelsmann-Stiftung, die Zahl der Krankenhäuser zu halbieren. Foto: Ralf Hirschberger, dpa (Archiv)

    Mehr als die Hälfte der deutschen Krankenhäuser müsste schließen, wenn es nach den Autoren einer neuen Studie der Bertelsmann-Stiftung ginge. Mit einer Reduzierung der Zahl der Kliniken von derzeit 1400 auf weniger als 600 könne die Versorgung der Patienten deutlich verbessert werden, heißt es in dem brisanten Papier. Denn nur Krankenhäuser mit größeren Fachabteilungen und mehr Patienten verfügten über genügend Erfahrung für eine sichere Behandlung. Kleinere Kliniken hätten dagegen in vielen Fällen nicht die erforderliche Ausstattung und Erfahrung, um in lebensbedrohlichen Notfällen wie Herzinfarkten oder Schlaganfällen angemessen reagieren zu können.

    SPD-Gesundheitsexperte Lauterbach: "Es gibt nicht genügend Ärzte und Pflegepersonal"

    Erstellt hat die Studie das Berliner Institut für Gesundheits- und Sozialforschung im Auftrag der Stiftung. Die Forscher kommen zu dem Schluss, dass sich zahlreiche Komplikationen und Todesfälle durch eine Bündelung von Ärzten, Pflegekräften und Apparaten in weniger Kliniken vermeiden ließen. Vorgeschlagen wird der zweistufige Aufbau einer neuen Krankenhausstruktur. So soll es auf der einen Seite Versorgungskrankenhäuser mit durchschnittlich 600 Betten und auf der anderen etwa 50 Unikliniken sowie andere Maximalversorger mit je etwa 1300 Betten geben. Derzeit hat ein Drittel der deutschen Krankenhäuser weniger als 100 Betten.

    Bei den Regierungsparteien stoßen die Vorschläge auf Ablehnung. SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach sagte unserer Redaktion, er halte es für falsch, mehr als die Hälfte aller Kliniken zu schließen. „Richtig ist aber, dass es nicht genügend Ärzte und Pflegepersonal gibt, um alle bestehenden Häuser in hoher Qualität weiterbetreiben zu können.“ Überkapazitäten gebe es vor allem in Städten, hier halte er Fusionen oder Schließungen für denkbar. „Auf dem Land aber droht vielerorts eine Unterversorgung“, warnte der SPD-Politiker.

    Auch der stellvertretende Unionsfraktionschef Georg Nüßlein ist skeptisch. „Wir haben zu viele Betten, das heißt nicht, dass wir zu viele Krankenhäuser haben“, sagte der CSU-Politiker. „Medizinische Grundversorgung ist auch ein Wert an sich, darum gilt es, die Krankenhäuser in ländlichen Räumen abzusichern. „Sie finanziell unter Druck zu setzen, ist der falsche Weg.“ Nüßlein forderte: „Im ländlichen Raum müssen wir die Krankenhäuser zu Gesundheitszentren weiterentwickeln, in denen unter Einbeziehung der niedergelassen Fachärzte die Versorgung sichergestellt wird.“

    Ärzte- und Patientenvertreter kritisieren Bertelsmann-Studie

    Kritik kommt auch von Ärzte- und Patientenvertretern. Der Präsident der Ärztekammer, Klaus Reinhardt, bezeichnete den Vorschlag der Experten „mehr als befremdlich“. Die von der Bundesregierung eingesetzte Kommission für gleichwertige Lebensverhältnisse habe gerade erst die Bedeutung einer gut erreichbaren, wohnortnahen Gesundheitsinfrastruktur betont. Reinhardt räumte aber auch ein, dass in Ballungsgebieten größere Strukturen durchaus sinnvoll sein könnten. Der Vorsitzende der Stiftung Patientenschutz, Eugen Brysch, warnte: „Über die Hälfte der Krankenhäuser zu schließen, ist kein Konzept, sondern Kahlschlag.“ Es müssten auch jene Patienten gut behandelt werden, „die keine Maximaltherapie benötigten und dennoch ins Krankenhaus gehen müssen“.

    Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) sprach sich „für einen Mix aus wohnortnaher Versorgung und Spezialisierung“ aus. „Nicht jedes Krankenhaus muss alles machen.“ Kompliziertere Fälle gehörten in eine Klinik, die in der Behandlung Routine habe.

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