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Foto: Gian Ehrenzeller, dpa
Foto: Gian Ehrenzeller, dpa

Bill Gates ist in den Fokus von Verschwörungstheoretikern geraten.

Verschwörungstheorien
13.05.2020

Feindbild Bill Gates: Was hinter den Thesen der Corona-Skeptiker steckt

Von Sarah Schierack

In der Corona-Krise verbreiten sich krude Theorien rascher als das Virus selbst. Warum auf Demonstrationen vor allem Microsoft-Gründer Bill Gates angefeindet wird.

Aus dem Archiv: Der Moment, in dem Bill Gates, der Multimilliardär und Microsoft-Gründer, in den Augen einiger Menschen zu einer Art Superschurken wird, zum Anführer jener dunklen Mächte, die die Corona-Pandemie in die Welt gebracht haben, dieser Moment lässt sich ganz genau bestimmen. Die Internet-Suchmaschine Google dokumentiert, wann immer mehr Menschen ähnliche Suchanfragen stellen – und damit auch, wann aus der kruden Idee einiger weniger plötzlich eine Verschwörungstheorie von globalem Ausmaß wird.

Zwischen Ende Januar und Mitte März googeln die Menschen in Deutschland noch eher vereinzelt nach den Begriffen „Bill Gates“ und „Corona“. Ab Mitte April steigt die Zahl der Suchanfragen rasant an. Anfang Mai erreicht sie ihren vorläufigen Höhepunkt. Manche Menschen tippen nun nicht mehr nur einzelne Wörter in die Suchleiste ihres Internet-Browsers, sondern gleich einen ganzen Satz: „Was hat Bill Gates mit Corona zu tun?“

Bill Gates unterstützt die Suche nach einem Impfstoff gegen Covid-19

Auf Demonstrationen gegen die Corona-Maßnahmen sieht man währenddessen Menschen, die Schilder mit der Aufschrift hochhalten: „Gib Gates keine Chance“, eine Abwandlung des bekannten Slogans einer Anti-Aids-Kampagne. Bei ihren Protesten stehen die Gates-Gegner in einer Reihe mit Impfkritikern, linken und rechten Demonstranten und mit Menschen, die nicht nur Bill Gates, sondern noch viele weitere dunkle Mächte hinter der Pandemie vermuten.

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Foto: Sebastian Gollnow, dpa
Foto: Sebastian Gollnow, dpa

Eine Frau hält während einer Protestkundgebung der Initiative "Querdenken 711" auf dem Cannstatter Wasen ein Schild mit der Aufschrift "Gib Gates keine Chance" in der Hand. 

Aluhutträger werden Verschwörungstheoretiker meist etwas abschätzig genannt – in Anlehnung an Menschen, die glauben, eine Kopfbedeckung aus Aluminium schütze sie vor geheimen Mächten, die via Telepathie Einfluss nehmen wollen. Selbst Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier konnte sich den Kommentar nicht verkneifen, ein Mundschutz sei „empfehlenswerter als ein Aluhut“. Andersherum gibt es unter Verschwörungstheoretikern auch ein Wort für jene Menschen, die von ihren Thesen nichts wissen wollen: Schlafschafe, eine Herde naiver Dummköpfe also, die den wahren Kern hinter allem nicht erkennen.

Auf WhatsApp oder Telegram tauschen sich Verschwörungstheoretiker aus

Diese Begriffe tauchen seit Beginn der Corona-Krise immer öfter auf; auch Menschen, die sich nur wenig im Internet bewegen, kennen sie plötzlich – genau wie Theorien über dunkle Machenschaften, wissenschaftliche Ungenauigkeiten, politische Einflussnahme. Sie haben eine deutlich höhere Reproduktionszahl als das Coronavirus, verbreiten sich trotz Kontaktbeschränkungen über das Telefon, WhatsApp, Facebook und Telegram oder auch einfach über den Gartenzaun. Nicht jeder, der sie liest und weitergibt, ist ein Verschwörungstheoretiker. Oftmals sind es Menschen, die sich ärgern, die verunsichert sind und nach einfachen Antworten suchen.

Auch einige Prominente teilen ihre mitunter schrägen Ansichten ganz unverblümt: Starkoch Attila Hildmann wetterte unlängst, die Maske sei „das neue Hakenkreuz“. Und Sänger Xavier Naidoo behauptet in einem Video, die Regierung benutze die Corona-Pandemie als tödliche Waffe gegen alle alten Menschen.

 

Aber zurück zu Bill Gates. Was hat der Software-Milliardär nun mit Corona zu tun? In der Welt der Verschwörungstheorien lautet die Antwort: viel, vielleicht sogar alles. Gates, so die These, wolle die Corona-Pandemie nutzen, um überall auf der Welt Zwangsimpfungen durchzusetzen und letztlich die Weltherrschaft zu erlangen. Er und seine Frau Melinda würden der Weltgesundheitsorganisation, der Bundeskanzlerin und selbst dem Virologen Christian Drosten diktieren, was sie zu tun hätten.

Die Stiftung von Bill Gates unterstützt die WHO

Richtig ist im Fall von Gates, dass er bereits vor fünf Jahren davor warnte, dass die Folgen einer Pandemie radikaler sein würden als die eines Krieges. Gates und seine Frau Melinda unterstützen über ihre Stiftung, die sich schon seit Jahren dem Gesundheitsschutz verschrieben hat, auch die Erforschung eines Impfstoffes gegen Covid-19. Daneben gehört die Stiftung zu den Geldgebern der Weltgesundheitsorganisation. Aus diesen Fakten stricken Verschwörungstheoretiker munter neue Theorien zusammen, als handle es sich um einen bunten Schal und nicht um ein wirres Geflecht von Halbwahrheiten.

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Foto: Jörg Carstensen, dpa
Foto: Jörg Carstensen, dpa

Demonstranten halten bei einer Kundgebung in Berlin Schilder hoch, auf denen sie unter anderem Bill Gates und die WHO angreifen.

Es gibt auf den Demonstrationen, in YouTube-Videos, Chats oder Telefongesprächen viele dieser Verschwörungstheorien – aber auch Thesen und Spekulationen, die noch kein Urteil zulassen. Manchmal, weil es bisher nicht genügend wissenschaftliche Erkenntnisse gibt. Manchmal, weil es sich schlicht um unterschiedliche Ansichten von Forschern handelt, die aufeinander prallen. Und manchmal, weil gewisse Entscheidungen erst im Rückblick bewertet werden können. Wir haben verschiedene Theorien von Corona-Skeptikern gesammelt – und erklären, was dahintersteckt.

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