In Großbritannien gilt bis heute eine Aussage von Ex-Premierministerin Margaret Thatcher als legendär: „The lady’s not for turning.“ Es handelt sich um eine ironische Anspielung auf ein Theaterstück aus den 1940er Jahren und sollte so viel heißen wie: Thatcher ist keine Frau der Kehrtwenden und Kompromisse. Denselben Starrsinn wie die Galionsfigur der konservativen Tories will die britische Regierung offenbar nun in den Brexit-Verhandlungen demonstrieren.
Am Dienstag startet die achte Runde der Verhandlungen über das künftige Verhältnis zwischen EU und Großbritannien. Die Aussicht auf einen Durchbruch in den festgefahrenen Gesprächen dürfte mit schlecht noch positiv beschrieben sein. Entsprechend kühl dürfte der Empfang des EU-Chefunterhändlers Michel Barnier in London ausfallen.
Die Briten zeigen sich beim Brexit entschlossen: "Komme was wolle"
Hatte die britische Regierung in den letzten Tagen den Ton verschärft: Erst kündigte Verhandlungsführer David Frost in einem Interview an, dass man – anders als die Vorgängerregierung – „nicht blinzeln“ werde: „Wir werden kein Klientelstaat werden.“ Die EU müsse verstehen, „dass wir meinen, was wir sagen, und sie sollten unsere Position ernst nehmen.“ Frost warnte, dass sein Land keine Kompromisse machen werde. Man werde Ende des Jahres das umsetzen, wofür die Briten 2016 gestimmt hätten – „komme, was wolle“, notfalls ohne Vertrag.
Angst vor einem Scheitern der Gespräche über ein Freihandelsabkommen habe man nicht. Im Gegenteil: Das Königreich müsse laut Frost auch bei einem No-Deal-Brexit nichts befürchten. Man sei „vorbereitet“, ergänzte Premierminister Boris Johnson. Allerdings klingen die Stimmen aus der Wirtschaft etwas anders: Dort herrscht die Sorge vor einem harten Bruch zum 1. Januar, der Zölle und Kontrollen nach sich ziehen würde.
Premierminister Boris Johnson heizt die Spannungen weiter an
Johnson aber heizte die Spannungen weiter an, indem er eine Frist setzte. Entweder es gebe eine Einigung bis zum EU-Gipfel am 15. Oktober, damit ein solcher Deal noch ratifiziert werden könne – oder die Briten verlassen nach der Übergangsphase den EU-Regelbereich Anfang 2021 ohne alternative Vereinbarungen.
Handelt es sich dabei um das übliche Säbelrasseln vor bilateralen Verhandlungen? Beobachter sagen Nein, die Briten meinen es offenbar ernst. Und auch Umweltminister George Eustice betonte, Johnsons Worte entsprächen keineswegs einer Verhandlungstaktik.
Harte Grenze zwischen Irland und Nordirland: Flammt der Nordirland-Konflikt wieder auf?
In Brüssel scheint man zumindest irritiert. Denn einem Bericht in der Financial Times zufolge droht London damit, bei Ausbleiben einer Einigung über die künftigen Beziehungen einige Teile des Austrittsabkommens, das den Brexit zum 31. Januar besiegelte, außer Kraft zu setzen. Konkret geht es um die Klauseln, die eine harte Grenze zwischen Nordirland, das zum Königreich gehört, und dem EU-Mitgliedsland Irland vermeiden sollen. In der Downing Street wies man das offiziell zurück. Doch sollte Johnson tatsächlich einen solchen Schritt anpeilen, könnte dies nicht nur den Vertrag gefährden, sondern auch neue Ängste vor Wiederaufflammen des Nordirland-Konflikts schüren.
Hinzu kommt, so warnen EU-Diplomaten, dass eine Abkehr von vertraglichen Zusagen Großbritannien weltweit einen Vertrauensverlust einbringen und die Chancen auf Handelsdeals mit anderen Staaten schmälern würde. „Ich vertraue darauf, dass die britische Regierung das Austrittsabkommen umsetzt“, meldete sich daher EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen via Twitter zu Wort. Die Einhaltung des Vertrages sei „eine völkerrechtliche Verpflichtung und Voraussetzung für jede künftige Partnerschaft“. Barnier bezeichnete die Verhandlungen als schwierig, „weil die Briten das Beste aus beiden Welten wollen“.
Neben der Fischerei geht es um die Technologie
London dagegen kritisiert, dass die EU an unhaltbaren Forderungen festhalte und über entscheidende Themen erst dann reden wolle, wenn andere Gebiete abgearbeitet seien. Zu den größten Knackpunkten gehören die Wünsche auf beiden Seiten im Bereich der Fischerei sowie das Beharren Großbritanniens auf einer vollständigen Autonomie bei Staatshilfen. Während die EU darauf pocht, Staatshilfen zu regulieren, um gleiche Wettbewerbsbedingungen zu garantieren, will Johnson laut Insidern den Technologiesektor staatlich fördern, um die Abhängigkeit von den USA und China zu beenden.
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