Der renommierte Psychologe Helmut Kury kommt nach Informationen unserer Redaktion zu dem Schluss, dass Michael W. (29) unter strengen Auflagen auf freien Fuß gesetzt werden könne. Das Gutachten ist bislang nicht öffentlich geworden.
Der Mord an Vanessa aus Gersthofen
Über eine Woche lang tappte die Polizei nach dem Mord an der zwölf Jahre alten Vanessa aus Gersthofen im Dunkeln. Auch aus den zahlreichen Hinweisen ergaben sich zunächst keine heißen Spuren für die Ermittler, bis überraschend der mutmaßliche Mörder, der 19-jährige Michael W., festgenommen wurde.
12. Februar 2002: Die Eltern von Vanessa finden ihre Tochter blutüberströmt neben ihrem Bett. Spuren eines Einbruchs entdecken die Ermittler zunächst nicht. Die Polizei bildet sofort eine Sonderkommission.
13. Februar: Die Beamten berichten über den Fund eines Messers, das wenig später mittels eines DNA-Tests als Tatwaffe identifiziert wird. Es handelt sich um ein Küchenmesser mit einer 16 Zentimeter langen und feststehenden Klinge.
15. Februar: Trotz einer Reihe von Hinweisen aus der Bevölkerung haben die Fahnder keine heiße Spur. Rund 100 Personen aus dem Umfeld des ermordeten Mädchens werden von den Ermittlern befragt, um herauszufinden, mit wem Vanessa Kontakt hatte. Unklar bleibt lange, wie der Täter in das Haus gekommen ist. Es wird eine Belohnung von 35 000 Euro zur Aufklärung der Tat ausgeschrieben.
19. Februar: Die Fahnder setzen auf die Erstellung eines Täterprofils, um den Mord an Vanessa aufzuklären. Zuvor hatten bereits 15 Bekannte und Verwandte Speichelproben abgegeben, um sich über DNA-Analyse als Täter auszuschließen.
21. Februar: Die Polizei sucht nach zwei Hinweisen aus der Bevölkerung einen als „Maskenmann“ verkleideten Zeugen. Ermittelt wird ein 19-Jähriger aus Gersthofen. Im Verlauf der Vernehmungen verstrickt sich der Mann in Widersprüche und gesteht die Tat.
22. Februar: Die Polizei gibt den Fahndungserfolg bekannt.
5. Februar 2003: Die Jugendkammer des Augsburger Landgerichts verhängt zehn Jahre Haft gegen Michael W. Es ist die höchste Strafe, die nach dem Jugendrecht möglich ist.
Mitte Februar 2012 ist Entlassungstermin für Michael W., die Staatsanwaltschaft will ihn nicht frei lassen. Zwei psychiatrische Gutachter kommen zum Schluss, dass der Täter in Sicherungsverwahrung sollte.
Der Prozess zieht sich. Erst am 15. Oktober 2012 ist die Beweisaufnahme abgeschlossen. Ein Urteil fällt am 15. November: Michael W. kommt weiter in Sicherungsverwahrung.
Demnach schätzt Kury die Rückfallgefahr bei Michael W. als nicht so hoch ein, dass eine nachträgliche Sicherungsverwahrung nach den engen Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts vertretbar wäre. Kury ist bis heute der einzige Gutachter, der mit Michael W. persönlich gesprochen hat. Seine Expertise ist damit gegenüber bisherigen Gutachten, die aus Akten erstellt wurden, im Vorteil. Gespräche mit anderen Gutachtern hat W. abgelehnt.
Romana Gilg, die Mutter des getöteten Mädchens, sagte unserer Zeitung über den Täter: „Ich denke, er hat sich weiterentwickelt. Die Frage ist aber, welchen Teil des Wegs hat er bereits zurückgelegt?“ Michael W. hat Vanessa 2002 im Schlaf erstochen. Er hat zehn Jahre Haft verbüßt. Derzeit geht es am Landgericht um seine Sicherungsverwahrung. Morgen wird der Prozess fortgesetzt. AZ