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Urteil: Die große Maut-Blamage

Urteil

Die große Maut-Blamage

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    Die Mahner haben recht behalten: Deutschlands Pläne für eine Pkw-Maut sind vor dem höchsten Gericht der EU, dem Europäischen Gerichtshof, krachend gescheitert. Die Bundesregierung muss die für Oktober kommenden Jahres geplante Einführung der Maut absagen.

    Dabei rügten die Luxemburger Richter nicht nur die geplante Entlastung der deutschen Pkw-Besitzer, die die jährlichen Kosten von bis zu 130 Euro über einen Nachlass bei der Kfz-Steuer erstattet bekommen sollten, als Diskriminierung ausländischer Autofahrer. In der geplanten Ausgestaltung verstoße die Pkw-Maut zudem gegen die Grundsätze des freien Waren- und Dienstleistungsverkehrs, kritisierten die

    Direkt nach der Entscheidung hat Verkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) einen Krisenstab einberufen. Mit dem Urteil sei die Pkw-Maut „in dieser Form leider vom Tisch“, sagte er. Jedoch bedeute es auch keine Absage an die Nutzerfinanzierung, die in über 20 EU-Staaten gemacht werde. Zunächst stünden aber rechtliche und finanzielle Fragen im Vordergrund. Das Geld aus der Maut ist im Etat bereits eingeplant, beim Kraftfahrtbundesamt sind bereits Stellen geschaffen worden. Nach Abzug der Kosten sollte die Maut 500 Millionen Euro pro Jahr für Investitionen einbringen.

    Bundeskanzlerin Angela Merkel lässt das weitere Vorgehen vorerst offen. Das Urteil sei zu akzeptieren, sagte sie. Scheuer werde die Situation analysieren. „Und dann werden wir sagen, wie wir weiter vorgehen.“ Die Maut war vor allem ein Prestigeprojekt der CSU – allerdings gerät mit dem Urteil auch die EU-Kommission in Erklärungsnot. Denn Verkehrskommissarin Violeta Bulc, die die Mautpläne nach massivem Drängen von Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker gebilligt hatte, steht nun blamiert da. Mehrfach hatte die Kommission die deutsche Maut als EU-konform bezeichnet. Auch der Generalanwalt am Gerichtshof hatte Deutschland praktisch in allen Punkten recht gegeben – üblicherweise ein erster Hinweis auf den Tenor des Urteils.

    Der CSU-Europapolitiker Markus Ferber fordert nun eine Überprüfung aller europäischen Mautsysteme. „Gerade beim österreichischen Modell habe ich große Zweifel“, betonte er. „Hier darf nicht mit zweierlei Maß gemessen werden.“ Wenn die deutsche Pkw-Maut falle, müsse das Implikationen für ähnliche Systeme in der Europäischen Union haben. Österreichs Verkehrsminister Andreas Reichhardt begrüßte die Entscheidung des Gerichtshofs dagegen. „Die Richter haben zum Glück Klarheit geschaffen“, sagte er. Das Urteil sei ein deutliches Signal für Fairness und einen gemeinsamen Binnenmarkt. Österreich hatte die Klage eingebracht und wurde dabei von den Niederlanden unterstützt.

    Michael Cramer, der verkehrspolitische Sprecher der Grünen im Europaparlament, nannte die Maut einen „Rohrkrepierer“. Es sei gut, dass der Gerichtshof die Pläne nun gestoppt habe. Der SPD-Verkehrsexperte Martin Burkert fürchtet nun aber finanzielle Engpässe an anderer Stelle im Verkehrsetat. „Auf dieses faule Erbe des ehemaligen Verkehrsministers Alexander Dobrindt hätten wir gerne verzichtet“, betonte er. „Ich habe Bedenken, dass die Einnahmeverluste zulasten der Schiene gehen könnten.“

    Lesen Sie dazu auch den Leitartikel und einen ausführlichen Hintergrund in der Politik. (mit dpa)

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