Die Affäre um die Vorgänge im Bundesamt für Migration und Flüchtlinge zieht immer weitere Kreise. In der skandalumwitterten Bremer Außenstelle der Behörde werden nun alle positiven Asylentscheidungen seit dem Jahr 2000 überprüft, das sind insgesamt rund 18.000 Fälle.
Doch nicht nur in Bremen, auch in weiteren Städten ist es nach Angaben des Bundesamtes zu einer Häufung von Unregelmäßigkeiten bei Asylverfahren gekommen. Besonders betroffen sind nach Informationen unserer Redaktion etwa die Außenstellen in Karlsruhe, Gießen und Bingen am Rhein. Das Innenministerium wollte dies weder bestätigen noch dementieren.
Auch Kriminelle und Islamisten sollen Schutz erhalten haben
Bislang waren es vor allem die Vorgänge in der Filiale in Bremen, die für Schlagzeilen sorgten. Dort sollen zahlreiche Asylbewerber womöglich zu Unrecht Schutz erhalten haben. Darunter sollen sich auch notorische Kriminelle, Islamisten und Personen mit angeblichen Verbindungen zur Terrormiliz Islamischer Staat befunden haben, so heißt es bei Kennern der Vorgänge. Gegen Ulrike B., die ehemalige Leiterin, und weitere Personen, darunter Rechtsanwälte und Dolmetscher, wird wegen des Verdachts der Bestechlichkeit und der „bandenmäßigen Verleitung zur missbräuchlichen Asylantragstellung“ ermittelt.
Nachdem sich Jutta Cordt, die Leiterin des Bundesamtes in den vier Wochen seit dem Bekanntwerden des Bremer Skandals nur knapp zu den Vorgängen geäußert hat, trat sie am Freitag in Berlin vor die Presse und beteuerte, die Behörde unternehme größte Aufklärungsanstrengungen, die aber noch andauerten. Bis zum 11. Mai seien bereits rund 4600 positive Asylbescheide überprüft worden – darunter etwa 1500 aus Bremen. In mehr als 70 Prozent der Fälle dort seien „Implausibilitäten“ festgestellt worden, also Widersprüche, Ungereimtheiten oder Unwahrscheinlichkeiten.
Eklat bei einer Vernehmung der Bremer Ex-Leiterin Josefa Schmid
In 40 Prozent aller Verfahren muss nach den Worten von Cordt nun ein Widerruf beziehungsweise eine Rücknahme der Entscheidung eingeleitet werden. Bei den übrigen untersuchten Außenstellen seien dagegen nur in 46 Prozent der positiven Bescheide Implausibilitäten entdeckt worden. Hier habe die interne Revision nur in knapp sechs Prozent der Fälle festgestellt, dass Bescheide widerrufen oder zurückgenommen werden müssen. Hinweise auf bewusste Manipulationen wie in Bremen habe es hier nicht gegeben. Offenbar aber gibt es Filialen, deren Anerkennungsquoten für Asylanträge deutlich von den Durchschnittswerten der Gesamtbehörde abweichen. Welche Außenstellen dies sind, ließ Cordt offen.
Gleichzeitig wurde bekannt, dass es bei einer Vernehmung von Josefa Schmid, der Ex-Leiterin des Bremer Amts, offenbar zu einem Eklat gekommen ist. Schmid soll, so sagte eine eng mit dem Fall befasste Person unserer Zeitung, einem hochrangigen Mitarbeiter des Bundesamtes auf die Finger geschlagen haben, als dieser bei einer Vernehmung nach privaten Unterlagen der Ex-Leiterin gegriffen habe.
So läuft ein Asylverfahren ab
Ob ein Flüchtling in Deutschland bleiben darf oder nicht, entscheidet sich oft in einer persönlichen Anhörung beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge. Das Gespräch gilt als wichtigster Termin im Asylverfahren.
Antragsteller sollen Lebensumstände, Reiseroute und Verfolgungsschicksal schildern. Bei jedem Antrag prüft das Bundesamt, ob eine der Schutzformen vorliegt: Asylberechtigung, Flüchtlingsschutz, subsidiärer Schutz oder Abschiebeverbot.
Gegen abgelehnte Bescheide können Betroffene klagen. Erste Instanz ist das Verwaltungsgericht. Bei einer Niederlage ist der Gang vor das Oberverwaltungsgericht oder den Verwaltungsgerichtshof möglich – falls die Klage zugelassen wird. Letzte Instanz des Revisionsverfahrens ist das Bundesverwaltungsgericht.
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