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Unnötige Operationen: Deutsche Patienten werden absichtlich zu häufig operiert

Unnötige Operationen

Deutsche Patienten werden absichtlich zu häufig operiert

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    Patienten in Deutschland werden immer wieder operiert, obwohl das gar nicht nötig wäre.
    Patienten in Deutschland werden immer wieder operiert, obwohl das gar nicht nötig wäre. Foto: Symbolfoto, Maurizio Gambarini, dpa

    Lange war es nur ein Vorwurf von Krankenkassen und Verbraucherschützern, nun räumen auch Chefärzte ein: Viele Patienten in deutschen Krankenhäusern werden Opfer unnötiger Operationen, weil die Klinken damit Geld verdienen wollen. In einer wissenschaftlichen Umfrage unter 1400 deutschen Chefärzten erklärte mehr als jeder dritte Mediziner, dass wirtschaftlicher Druck im eigenen Fachbereich zu mehr Operationen führt, als nötig wären. Besonders stark ist diese Meinung unter den Herzspezialisten der Kardiologie und orthopädischen Chirurgen verbreitet.

    Die Wissenschaftler am Lehrstuhl des renommierten Gesundheitsökonomie-Professors Jürgen Wasem von der Uni Duisburg-Essen stellten den Chefärzten die Frage: „Glauben Sie, dass die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen in Ihrem Fachgebiet zu überhöhten Eingriffszahlen führen?“ Quer durch alle Fachbereiche bestätigten 39 Prozent den Verdacht. In der Kardiologie ist es sogar die klare Mehrheit: 36 Prozent antworteten eher ja und 25 Prozent definitiv ja, dass zu viel operiert werde.

    Patienten zahlen Preis für den finanziellen Druck

    Am zweitstärksten ist die Meinung im gemeinsamen Fachbereich Orthopädie und Unfallchirurgie vertreten, der vor allem wegen Hüft-, Knie- und Wirbelsäulen-OPs in der Kritik der Krankenkassen steht. Hier glauben 20 Prozent „definitiv“ und 27 Prozent der Chirurgen „eher“, dass in ihrem Bereich Patienten mehr als nötig einer Operation unterzogen würden.

    Auffällig ist laut der Studien-Mitautorin Natalie Pomorin, dass in fast allen klinischen Fachbereichen das Problem ähnlich gesehen wird. Lediglich bei den Internisten halten drei Viertel die These von zu viel Operationen für unbegründet.

    „Uns ging es um eine nüchterne Bestandsaufnahme und Zustandsbeschreibung“, erklärte die Medizinwissenschaftlerin unserer Zeitung. „Es lässt sich feststellen, dass sich die schwierigen wirtschaftlichen Rahmenbedingungen durchaus auf die Patientenversorgung auswirken.“

    Ärzte enthalten Kranken auch Behandlungen vor

    Rund 80 Prozent der Chefärzte gaben an, dass sie in ihrer täglichen Arbeit wirtschaftlichen Druck deutlich bis stark fühlen. Bei den ebenfalls für die Studie befragten Klinik-Geschäftsführern erklärte dies fast jeder Verantwortliche. „Alle Gruppen – das heißt auch die kaufmännische Führung und nicht nur die Pflegeleiter – bestätigen, dass es insbesondere bei der Pflege und Zuwendung in der Patientenversorgung klare Defizite gibt“, sagt Pomorin.

    Aber auch in der ärztlichen Behandlung wirkt sich der Kostendruck negativ auf die Patienten aus: Quer durch alle Fachbereiche erklärte jeder fünfte Chefarzt, dass er mindestens einmal im Monat einem Patienten eine nützliche Behandlung vorenthalten musste oder sie durch eine billigere, aber weniger effektive Leistung ersetzt hat. Nur die Hälfte aller Chefärzte antwortete, dass sie noch nie einem Kranken aus Spargründen eine sinnvolle Leistung vorenthalten hätte. "Kommentar

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