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Union und SPD: Auftakt der Koalitionsverhandlungen

Union und SPD

Auftakt der Koalitionsverhandlungen

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    Sigmar Gabriel und Angela Merkel sind nicht bei allen Verhandlungen dabei - es gibt zwölf Arbeitsgruppen und vier Untergruppen.
    Sigmar Gabriel und Angela Merkel sind nicht bei allen Verhandlungen dabei - es gibt zwölf Arbeitsgruppen und vier Untergruppen. Foto: Julian Stratenschulte (dpa)

    Union und SPD beginnen an diesem Mittwoch ihre mehrwöchigen Verhandlungen über eine große Koalition. Zum Auftakt wird sich die 75 Personen umfassende Hauptrunde in der CDU-Zentrale treffen. Zunächst geht es um den Zeitplan und die Organisation der Koalitionsverhandlungen. Neben dieser großen Runde gibt es zwölf Arbeitsgruppen mit jeweils 17 Personen und vier Untergruppen.

    Die Koordination soll eine Steuerungsgruppe um die drei Generalsekretäre übernehmen. Sollten die Verhandlungen ins Stocken geraten, dürften die drei Parteivorsitzenden Angela Merkel (CDU), Horst Seehofer (CSU) und Sigmar Gabriel (SPD) unter sechs Augen versuchen, die Probleme zu klären.

    Vor Weihnachten soll die neue Bundesregierung noch vereidigt werden

    Angestrebt wird ein Koalitionsvertrag bis spätestens Ende November, bevor in einem etwa zwei Wochen dauernden Verfahren die rund 470 000 SPD-Mitglieder per Briefwahl über die große Koalition abstimmen sollen. Erklärtes Ziel ist es, dass die neue Bundesregierung vor Weihnachten vereidigt ist.

    Wichtigste Bedingung für die SPD ist ein gesetzlicher Mindestlohn von 8,50 Euro deutschlandweit. Die Union findet diese Untergrenze zu hoch für den Osten und befürchtet den Verlust von Arbeitsplätzen.

    Sigmar Gabriel (SPD): "Kein Grund für unterschiedliche Löhne zwischen Ost und West"

    SPD-Chef Sigmar Gabriel unterstrich die Position seiner Partei in den Stuttgarter Nachrichten (Mittwoch). "Im Koalitionsvertrag wird ein flächendeckender gesetzlicher Mindestlohn in Höhe von 8,50 Euro stehen, weil das Hotelzimmer auf Rügen genauso viel kostet wie das in Eckernförde und es nicht einzusehen ist, dass das Hotelpersonal unterschiedlich bezahlt wird", sagte er. Es gebe keinen Grund, "unterschiedliche Löhne zwischen Ost und West festzusetzen, denn die Arbeitsleistung ist ja auch gleich".

    Schwarz-Rot oder Schwarz-Grün: Gemeinsamkeiten und Gegensätze

    STEUERERHÖHUNGEN: Die Union hat sich festgelegt: Steuererhöhungen kommen für sie nicht in Frage. Sowohl SPD als auch Grüne hatten im Wahlkampf dagegen für höhere Steuern geworben - und die Mehreinnahmen unter anderem für Schuldenabbau, Bildung und Infrastruktur vorgesehen. Inzwischen stellte SPD-Chef Sigmar Gabriel klar, Steuererhöhungen seien für seine Partei «kein Selbstzweck». Auch bei den Grünen wird die Steuererhöhungsforderung nach dem enttäuschenden Wahlergebnis inzwischen teilweise in Frage gestellt. Allerdings erwarten sowohl die Sozialdemokraten wie auch die Grünen von der Union Finanzierungsvorschläge. Insofern birgt das Thema für beide Konstellationen Sprengstoff.

    MINDESTLOHN: Hier ist die Ausgangslage in etwa gleich: Grüne und SPD wollen einen flächendeckenden gesetzlichen Mindestlohn von 8,50 Euro. CDU und CSU halten dagegen nichts von gesetzlichen Vorgaben - und setzen auf eine von den Tarifpartnern nach Branchen und Regionen ausgehandelte Lohnuntergrenze. Ein Kompromiss scheint hier aber möglich, wenn beispielsweise Mindestlöhne nicht vom Staat, sondern durch eine Kommission festgesetzt werden.

    RENTEN: Die Rente mit 67 hatten Union und SPD gemeinsam eingeführt. Allerdings fordert die SPD inzwischen deren Aussetzung, solange nicht mindestens die Hälfte aller 60- bis 64-Jährigen sozialversicherungspflichtig beschäftigt ist. Hier hätte die Union mit den Grünen weniger Probleme: Diese wollen die Rente mit 67 derzeit nicht antasten. Die Union will zudem unbedingt eine Verbesserung der Rente für ältere Mütter durchsetzen und dies aus der Rentenkasse finanzieren.

    UMWELT UND ENERGIE: Die Kluft zwischen Union und Grünen ist hier tiefer: Die Umweltpartei formuliert ehrgeizige Ziele für die Energiewende und will bis 2030 den Ökostrom-Anteil so weit steigern, dass ein Ausstieg aus der Kohle möglich ist. Die Union hingegen will die Förderung der erneuerbaren Energien zugunsten geringerer Strompreise beschneiden. Die SPD hat wie die CDU/CSU auch die Interessen der Industrie im Blick: Zur Absicherung der Energieversorgung will auch sie neue Kohlekraftwerke bauen. Allerdings will die SPD die Stromsteuer senken, was die Union ablehnt.

    FAMILIE: Das Betreuungsgeld wollen Sozialdemokraten und Grüne gleichermaßen abschaffen. Vor allem die CSU aber will daran nicht rütteln. Vielleicht ließe die SPD sich überzeugen, wenn im Gegenzug für ein Beibehalten der Familienleistung mehr Geld in die von ihr geforderte Ganztagsbetreuung flösse. Auch die Grünen verweisen darauf, dass am Ende die «Gesamtmischung» stimmen müsse. Allerdings trennt sie auch in anderen gesellschaftspolitischen Fragen viel von der Union.

    FRAUEN, HOMOSEXUELLE, DOPPELTE STAATSBÜRGERSCHAFT: Die Grünen fordern eine Frauenquote von 50 Prozent in Aufsichtsräten, die Ehe auch für gleichgeschlechtliche Partnerschaften und doppelte Staatsbürgerschaften für hierzulande geborene Kinder ausländischer Eltern. Mit der SPD würde es allerdings nicht wesentlich leichter für die wertkonservativen Vertreter in der Union: Frauenquote, Homo-Gleichstellung und doppelte Staatsbürgerschaft stehen auch in deren Programm.

    VERKEHR: Der Streit um die Pkw-Maut wird vor allem von CSU und CDU geführt. Die aus Bayern geforderte Abgabe wollen aber auch SPD und Grüne nicht. Für schwarz-grünen Zwist gibt es in der Verkehrspolitik darüber hinaus genügend Anlass: Der von der Union geplante Ausbau von Autobahnen stößt bei den Grünen auf Widerstand; sie setzen statt Neubau auf Erhalt des bestehenden Straßennetzes sowie ein Umsteuern hin zur Bahn und anderen öffentlichen Verkehrsmitteln.

    GESUNDHEIT: Hier ist weder mit Schwarz-Rot noch mit Schwarz-Grün viel Bewegung zu erwarten: Mit einer Bürgerversicherung für alle wollen Grüne und SPD das «Zweiklassen-System» in der Gesundheitsversorgung ablösen. Die Union will am Nebeneinander von privaten und gesetzlichen Kassen festhalten. Einig sind sich SPD und Union zumindest darin, dass die Beiträge zur Pflegeversicherung leicht steigen sollen.

    Der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) forderte Union und SPD auf, in den ersten 100 Tagen Regierungszeit einen flächendeckenden gesetzlichen Mindestlohn von mindestens 8,50 Euro einzuführen. "Wir erwarten von der neuen Bundesregierung, dass sie eine neue Ordnung der Arbeit durchsetzt", sagte die stellvertretende DGB-Vorsitzende Elke Hannack der "Welt" (Mittwoch). Die Präsidentin des Sozialverbandes VdK, Ulrike Mascher, sagte den Ruhr Nachrichten (Mittwoch): "Wir brauchen einen Mindestlohn, denn mit Hungerlöhnen erwirbt man keine ausreichenden Rentenansprüche."

    Familienunternehmen warnen vor einem einheitlichen Mindestlohn

    Die Familienunternehmen warnten hingegen vor einem einheitlichen Mindestlohn. "Natürlich sagt jeder Bürger, man solle von seinem Geld auch leben können - aber differenziert nach Branchen und Regionen", sagte Verbandspräsident Lutz Goebel der Deutschen Presse-Agentur.

    DGB und Deutsche Rentenversicherung (DRV) warnten die künftigen Koalitionäre in der Süddeutschen Zeitung (Mittwoch) davor, für eine bessere Mütterrente in die Rentenkasse zu greifen. Sonst müsse der Rentenbeitrag bald wieder steigen. Stattdessen solle die neue Koalition eine Ausweitung der Kindererziehungszeiten aus Steuermitteln finanzieren, sagten ein Sprecher der DRV und DGB-Vorstandsmitglied Annelie Buntenbach dem Blatt. (dpa)

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