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Union: Der Rechtsruck in der Werte-Union bringt CDU-Chef Laschet in Bedrängnis

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Der Rechtsruck in der Werte-Union bringt CDU-Chef Laschet in Bedrängnis

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    Armin Laschet will sich von der Werte-Union abgrenzen.
    Armin Laschet will sich von der Werte-Union abgrenzen. Foto: Federico Gambarini, dpa

    Es gab Zeiten, da war Max Otte ein gefeierter Redner. Während der Wirtschaftskrise Mitte der 2000er Jahre war er Dauergast in vielen Talkshows, begehrter Interviewpartner. Als „Crash-Prophet“ wurde er betitelt, weil der Ökonom so manches wirtschaftspolitische Unheil heraufziehen sah. Kurz vor der Krise hatte er das Buch „Der Crash kommt“ veröffentlicht – genug, um an seine Kompetenz zu glauben. Vieles von dem, was er später vorhergesagt hat, ist indes nicht eingetreten.

    Der 56-Jährige entwickelte fast schon eine Besessenheit für düstere Prognosen. Statt mit wirtschaftlichem Sachverstand fiel er auf mit politischer Kraftmeierei. Ein Querdenker, würde man heute wohl sagen – ein Mann, zu dessen Selbstverständnis es gehört, vermeintlich unangenehme Wahrheiten mutig auszusprechen. Als er, das CDU-Mitglied, vor der Bundestagswahl 2017 verkündete, die AfD zu wählen, überraschte das kaum noch einen Beobachter. Noch bis Januar 2021 war er Kuratoriumsvorsitzender der AfD-nahen Desiderius-Erasmus-Stiftung.

    Selbst Hans-Georg Maaßen ist der neue Chef der Werte-Union zu rechts

    Nun nimmt Max Otte einen neuen Anlauf: Seit er sich am Wochenende zum Vorsitzenden der so konservativen wie umstrittenen Werte-Union wählen ließ, brodelt es. Und zwar gewaltig. Selbst für den früheren Geheimdienstchef Georg Maaßen, der sich selbst gerne ein paar Schritte weit rechts von der CDU aufstellt, wurde damit eine rote Linie überschritten. Die Werte-Union habe unter ihrem früheren Vorsitzenden Alexander Mitsch viel geleistet, schrieb Maaßen bei Twitter. „Ich werde genau beobachten, wie sich die WU entwickelt, und lasse daher meine Mitgliedschaft ruhen.“ Er verfolge die Entwicklung der Werte-Union mit Sorge.

    Der Ökonom Max Otte war angesehener Wirtschaftsexperte. Bis er sich dem rechten Lager anschloss.
    Der Ökonom Max Otte war angesehener Wirtschaftsexperte. Bis er sich dem rechten Lager anschloss. Foto: Karlheinz Schindler, dpa

    Und mit dieser Sorge ist Maaßen keineswegs der Einzige. Zwar ist die Werte-Union offiziell keine Gruppierung der Union. Doch sie selbst sieht sich eben durchaus als Vertreterin der konservativen Strömung innerhalb von CDU und CSU. Rund 4000 Mitglieder hat der Zusammenschluss, immer wieder fiel er auf durch massive Kritik an der Politik von Angela Merkel. Vor allem während der Flüchtlingskrise positionierte sich die Werte-Union nahe der AfD. Dass es selbst innerhalb dieser Gruppe nun Frust über die Wahl Ottes gibt, lässt tief in die Gesinnung und Radikalisierung Ottes blicken. Am Montag distanzierte sich der sächsische Landesvorstand geschlossen von der Wahl. „Wer eine Partei verändern möchte, muss die Akzeptanz der Parteibasis suchen. Dies erscheint uns nun kaum mehr möglich“, hieß es in einer Erklärung. Ottes Amtsvorgänger Mitsch kündigte an, „einen radikalen Kurswechsel durch den neuen Vorstand“ nicht mitgehen zu wollen. Auch er wolle seine Werte-Union-Mitgliedschaft vorerst ruhen lassen. Glückwünsche kamen vom AfD-Vorsitzenden Tino Chrupalla.

    Armin Laschet betont: Werte-Union hat mit der CDU nichts zu tun

    Für die Union kommen die Turbulenzen zur Unzeit. Keine vier Monate sind es mehr bis zur Bundestagswahl. CDU-Chef und Kanzlerkandidat Armin Laschet versucht, seine ganze Energie darauf zu verwenden, die schlechten Umfragen zu drehen und den Grünen wieder das Wasser abzugraben. Maximale Distanz zur Werte-Union hat er deshalb ausgerufen. Wer da Mitglied sei, organisiere sich außerhalb der Partei, sagte Laschet am Dienstag im Deutschlandfunk. „Sie hat mit der CDU nichts zu tun“, erklärte er. Die Positionen des neu gewählten Vorsitzenden Max Otte teile er nicht. „Wir werden mit ihm keine Gespräche führen.“ Viel mehr bleibt Laschet nicht, ein Ausschluss Ottes aus der CDU hätte wenig Erfolgsaussichten und würde sich so lange hinziehen, dass der Schaden bis zur Wahl kaum behoben wäre. Das weiß auch der CDU-Chef: „Ein Parteiausschluss hat in Deutschland sehr strenge Regeln. Insofern ist das für uns kein Thema, weil die Werte-Union kein Thema ist.“

    Ob seine Rechnung aufgeht oder ob er als Getriebener des rechten Parteiflügels wirkt, wird Laschet schon an diesem Sonntag beobachten können. Dann wird in Sachsen-Anhalt ein neuer Landtag gewählt. Ministerpräsident Reiner Haseloff (CDU) sitzt die AfD im Nacken. Dennoch bemüht sich die Union, die Brandmauer nach rechts zu halten. „Wir können nicht wollen, dass eine rechtsradikale Partei in einem deutschen Landtag stärkste Partei wird“, sagte Laschet. Otte hingegen sagt offen, er habe „keine Berührungsängste“ gegenüber der AfD. Mit öffentlichen Kommentaren wird er die Union immer wieder in Bedrängnis bringen können – allein, indem er sie zu öffentlichen Äußerungen zwingt. Flügelkämpfe aber kann die Union nicht gebrauchen, wo es ihr doch schon in der Mitte schwerfällt, Einigkeit zu beschwören.

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