Köln/Berlin (dpa) - Das in der Vertrauenskrise steckende Kinderhilfswerk UNICEF Deutschland hat nach falschen Angaben über Provisionszahlungen nun auch sein Spendensiegel verloren. Das vom Deutschen Zentralinstitut für soziale Fragen (DZI) vergebene Siegel gilt als Garant für die Seriosität einer Hilfsorganisation.
"Dieses Urteil trifft uns hart", sagte der amtierende Vorsitzende Reinhard Schlagintweit der Deutschen Presse-Agentur dpa. Das DZI teilte am Mittwoch in Berlin mit, UNICEF habe "seit 2005 wahrheitswidrig behauptet, keine Provisionen für die Vermittlung von Spenden" bezahlt zu haben.
Das DZI nannte als Hauptgrund der Aberkennung drei Provisionszahlungen: UNICEF habe von 2004 bis 2007 drei professionelle Spendenwerber - Fundraiser - erfolgsabhängig bezahlt. Bei den jährlichen Prüfungen seit 2005 sei dies wahrheitswidrig verschwiegen worden. Dies nannte das DZI "besonders schwerwiegend". Die Prüfer des DZI konnten diese Verstöße erst durch anonyme Hinweise und Medienberichte aufdecken. "Obwohl dem Vorstand von UNICEF spätestens seit dem Eingang anonymer Hinweise im Mai 2007 und einer Vorstandssitzung im Juni 2007 die Provisionszahlungen bekanntgewesen sind, erfolgte kein korrigierender Hinweis an das DZI", teilte das Institut mit. Spätere Angaben aus der UNICEF-Zentrale in Köln hätten eher zur "Verschleierung" beigetragen.
Hervorgehoben wird in der Liste der Verstöße eine Provisionszahlung von 30.000 Euro. Diese habe UNICEF "ohne nachvollziehbare Gegenleistung" einem Fundraiser für die Vermittlung einer Großspende über 500.000 Euro seitens des Lidl-Konzerns gezahlt.
Nach wochenlanger heftiger Kritik an UNICEF Deutschland wegen des Umgangs mit Spendengeldern waren die Vorsitzende Heide Simonis und der Geschäftsführer Dietrich Garlichs bereits zurückgetreten. Die Kölner Staatsanwaltschaft ermittelt weiter gegen Garlichs wegen des Anfangsverdachts der Untreue. Im April soll eine neue UNICEF-Spitze gewählt werden.
Ursprünglich hatte das DZI nach eigenen Angaben geplant, trotz der Verstöße auf einen Siegel-Entzug zu verzichten und UNICEF stattdessen "strikt kontrollierte Auflagen" zu machen. In den vergangenen Wochen sei aber deutlich geworden, dass die Mängel in Management, Aufsicht und Auskunftsverhalten derart gravierend seien, dass die Aberkennung unumgänglich wurde. Das deutsche Komitee müsse seine Strukturen "durchgreifend erneuern." Das DZI verschärft auch seine eigenen Vergabe-Kriterien als Folge der Mängel bei UNICEF. Unter anderem soll es zur Zulässigkeit von Provisionen genauere Vorschriften geben. Verträge mit externen Dienstleistern müssen dem DZI künftig immer angezeigt werden.
UNICEF will das Spendensiegel so schnell wie möglich zurückgewinnen, was aber frühestens für 2010 möglich ist. Voraussetzung für die Vergabe des Siegels ist unter anderem die sparsame und nachprüfbare Verwendung der Mittel sowie eine nachvollziehbare Rechnungslegung.
Zu der Frage, ob die Aberkennung zurecht erfolgt sei, sagte der Vorsitzende Schlagintweit: "Im Grunde haben die Leute recht, wenn sie sagen: "Dies sind unsere Normen, die habt ihr nicht eingehalten - jetzt ziehen wir die Konsequenzen."" Der Schaden für das Hilfswerk werde beträchtlich sein. Doch UNICEF werde die Krise überstehen: "Mit neuen Köpfen werden wir das Vertrauen der Öffentlichkeit in vollem Umfang zurückgewinnen", sagte Schlagintweit.
Die Vorsitzende der Kinderkommission des Bundestags, Miriam Gruß (FDP), verlangte den Rücktritt des kompletten UNICEF-Vorstands. UNICEF Deutschland hat im Zuge der Krise bereits mehr als fünf Prozent der 200.000 regelmäßigen Spender verloren.