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Umweltschutz: Klimakonferenz: Gipfel des Stillstands

Umweltschutz

Klimakonferenz: Gipfel des Stillstands

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    Es geht auch ohne Stuhl: Eine Delegierte der UN-Klimakonferenz im südafrikanischen Durban macht es sich zum Telefonieren auf dem Boden bequem.
    Es geht auch ohne Stuhl: Eine Delegierte der UN-Klimakonferenz im südafrikanischen Durban macht es sich zum Telefonieren auf dem Boden bequem. Foto: Nic Bothma dpa

    Heffa Schücking klopft an die Tür des Organisationsbüros der UN-Klimakonferenz von Durban. Ihre Umweltschutzorganisation „Urgewald“ aus Nordrhein-Westfalen wird am folgenden Tag eine Studie vorstellen, in der Banken auf die Finanzierung von Kohlekraftwerken untersucht wurden. Eine aufwendige Recherche, schließlich gehen Finanzhäuser wie die Deutsche Bank, die in dieser Rangliste weltweit Rang sechs belegt, mit solchen Zahlen nicht gerade hausieren.

    Auf dem Tagesprogramm aber, dem Wegweiser für 13000 Delegierte und 1300 Journalisten, ist die Veranstaltung nicht zu finden. So geht es vielen Umweltschutzorganisationen. „Wir wollen Papier sparen“, erklären die UN-Mitarbeiter der verdutzten Umweltschützerin. Die Veranstaltung sei aber auf den zahlreichen Flachbildschirmen des Kongresszentrums zu finden.

    Papier für PR-Veranstaltungen der Chinesen

    Schücking weist noch süffisant darauf hin, dass trotz dieser Bedenken offenbar genug Papier vorhanden sei, um auf PR-Veranstaltungen der Delegation aus China hinzuweisen – dem wenig kompromissbereiten, größten Produzenten des klimaschädlichen Kohlendioxids. Dann bereitet sie sich auf die Pressekonferenz vor, zu der schließlich doch mehr als 100 Gäste kommen.

    Eine Klimakonferenz, das steht auch einen Tag vor Ende der Veranstaltung in Südafrika fest, ist vor allem ein Kampf zwischen Industrie- und Umweltlobby. Seit elf Tagen verhandeln Vertreter aus gut 190 Ländern über die Rettung des Planeten, einmal mehr, zum 17. Mal seit der ersten Konferenz im Jahr 1992.

    Die Erwartungen sind gering, trotz alarmierender Zahlen: Setzen sich die derzeitigen Trends fort, prognostiziert die Internationale Energieagentur einen Temperaturanstieg bis Ende des Jahrhunderts um bis zu sechs Grad Celsius. Ein Horrorszenario, das Milliarden Menschen die Lebensgrundlage entziehen würde.

    Erste Verpflichtung zur CO2-Reduzierung läuft aus

    Für die Umsetzung des Ziels von maximal zwei Grad Anstieg bedarf es einer zweiten Verpflichtungsperiode des Kyoto-Abkommens. Die erste, in der sich 37 Industrienationen zu einer Reduzierung der CO2-Emissionen um durchschnittlich fünf Prozent gegenüber 1990 verpflichteten, läuft in einem Jahr aus. China drängt auf eine Verlängerung, beharrt aber weiterhin darauf, keine bindenden Klimaschutzmaßnahmen ergreifen zu müssen. Japan, Kanada und Russland haben bereits ihren Ausstieg aus dem Kyoto-Abkommen erklärt. So lässt sich Weltpolitik einmal mehr auf eine beinahe kindliche Logik reduzieren: Was der da drüben nicht muss, das muss ich schon gar nicht.

    Schließlich drücken sich nicht nur China, Brasilien und Indien um verbindliche Zusagen, sondern auch die USA. Eine Pattsituation, an der besonders Klimapolitiker aus der Europäischen Union verzweifeln, die an ihrem Reduktionsziel von 20 Prozent festhalten – unabhängig von der Fortsetzung des Kyoto-Abkommens. „Die Schwellenländer müssen mit ins Boot, und natürlich auch die

    CO2-Ausstoß 2010 weltweit (auf englisch)

    Kleinere Ziele bedeuten kleineres Scheitern

    Das ist derzeit Utopie. Seit dem kolossalen Scheitern von Kopenhagen 2009 agieren die Akteure gemäß der Devise: Kleinere Ziele bedeuten kleineres Scheitern. Und so wird man morgen wohl neben Absichtserklärungen für das 18.

    Gipfeltreffen lediglich Fortschritte bei der Finanzierung des Grünen Klimafonds vermelden, mit dem Entwicklungsländer die Auswirkungen des Klimawandels mildern sollen. Deutschland bewirbt sich um den Sitz des Fonds. Einigen sich die Minister, könnte bald Soforthilfe gestartet werden. 2020 soll der Fonds 100 Milliarden Dollar schwer sein.

    Schließlich muss der Eindruck vermieden werden, in Durban handele es sich um nicht mehr als einen Schaukampf von Politik und Industrie. Schon am Flughafen grüßt ein Plakat des Bergbaukonzerns Anglo American, dessen Kohlekraftwerke dazu beitragen, dass Südafrika als recht kleine Volkswirtschaft der dreizehntgrößte Kohlendioxid-Produzent der Welt ist.

    Man stehe für „eine substanzielle Zukunft“ ein, steht dort geschrieben. Autokonzerne präsentieren Elektroautos, und im Kongresszentrum wird das Essen mit biologisch abbaubarem Einmalbesteck serviert. Ach ja, die Wasserspender sind mit Leitungswasser gefüllt. So können die Plastikbehälter wiederverwertet werden.

    Fronten verhärtet

    Das macht Sinn, finden alle. Für wegweisende Entscheidungen aber scheinen die Fronten zwischen Industrie- und Schwellenländern zu verhärtet. Schon nach dem Einlass zum Tagungszentrum trennen sich die Wege der teilnehmenden Nationen. China, die Gruppe der G-77-Entwicklungsländer und mehrere afrikanische Länder haben ihre Büros im sonnendurchfluteten ersten Stock mit Blick auf wunderschöne Gärten.

    Die deutsche Delegation muss zusammen mit den Vertretern der EU, den USA und Kanada mit der Rolltreppe in die Tiefgarage fahren, wo sie von dünnen Wänden getrennt ihre Laptops aufgebaut haben – inmitten einer fensterlosen Betonlandschaft, was durchaus als kleiner symbolischer Gruß des Gastgebers Südafrika an die Industrienationen zu verstehen ist.

    Wer einige Tage den Verhandlungsmarathon beobachtet hat, versteht, warum viele Menschen den Glauben an einen Erfolg der Klimapolitik verloren haben. Am Wochenende gingen in Durban rund 20000 Demonstranten auf die Straße, um Druck auf die Politik auszuüben. Im Kongresszentrum aber wird abendfüllend darüber debattiert, ob ein Papier nun mit oder ohne „Klammertexte“ (Texte mit weiterem Diskussionsbedarf) an die nächste Verhandlungsebene weitergereicht wird.

    In dieser Woche diskutieren die Teilnehmerstaaten zudem über ein Dokument mit verschiedenen Optionen für die offenen Fragen, wie der völkerrechtlichen Verbindlichkeit eines neuen Abkommens. Dabei wird es am Ende dann doch voraussichtlich bei einem schnöden „No decision“ bleiben. Keine Einigung. Die Spielregeln internationaler Politik passen nicht zur Dringlichkeit der Angelegenheit. Aber es gibt keine anderen.

    Zunehmender Einfluss von Lobbyisten

    Zu diesen Regeln gehört auch der zunehmende Einfluss der Lobbyisten. „Wer hält uns zurück?“ fragte die Umweltschutzorganisation Greenpeace in einem zu Beginn der Konferenz veröffentlichten Bericht. Das Inkrafttreten des Kyoto-Protokolls hat die fossile Energieindustrie alarmiert. 2008 waren allein in den USA am Senat 2340 Industrielobbyisten für Umweltpolitik akkreditiert – eine Steigerung um 300 Prozent innerhalb von fünf Jahren. Es lässt sich erahnen, warum die Position vieler Nationen in Durban wie in Stein gemeißelt zu sein scheint.

    Die Opfer des Klimawandels treten in Durban dagegen oft ohne Anzug und Krawatte auf. Manchmal sogar barfuß. In traditionelle orangefarbene Gewänder gehüllt sitzt Shri Shri Soham Baba auf einem Sofa vor einem Konferenzsaal. Der spirituelle Führer, der im Himalaja in Höhlen lebt, hat drei Plastikdosen mit selbst zubereitetem Essen ausgebreitet. Es ist ein seltsamer Anblick der Ruhe inmitten der Umweltschützer, die mit ihren Laptops bewaffnet von Veranstaltung zu Veranstaltung eilen.

    Interview für Al Jazeera

    „Ich will den Entscheidungsträgern der Welt von meiner Erfahrung berichten“, sagt er, „in den vergangenen 22 Jahren bin ich Zeuge von vielen Veränderungen des Ökosystems im Himalaja geworden. Die Gletscher schmelzen, die Vögel fliegen nicht mehr und die Pflanzen wachsen nicht mehr.“ Dann bittet eine Reporterin des TV-Senders Al Jazeera zum Interview. Umweltorganisationen haben gelernt, dass sie ihre Botschaften medial geeignet verbreiten müssen.

    Ob er Einfluss auf die Beschlüsse hat, darf bezweifelt werden. Aber man glaubt den meisten Delegierten, dass sie sich in den 40 Sälen aufrichtig darum bemühen, wenigstens den kleinsten gemeinsamen Nenner zu finden. Doch es gibt auch Veranstaltungen wie jene mit dem Titel: „Informelle Treffen der G-77-Staaten zur Erarbeitung einer gemeinsamen Verhandlungsposition“.

    Der Vorsitzende begrüßt die rund 30 Delegierten, verteilt zwei Seiten Papier und fragt: „Wer möchte etwas sagen?“ Stille. Auch die Beobachter der Zivilgesellschaft dürften gerne etwas sagen. Doch weiter nichts als Stille. „Dann erlaube ich mir, wenn es akzeptabel ist, das Treffen zu beenden.“ Die Vertreter aus Südafrika und Pakistan merken jetzt noch an, wie wichtig es sei, geschlossen aufzutreten. Dann ist die Ideensammlung beendet.

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