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Umwelt: Europäischer Gerichtshof: Gentechnik bleibt Gentechnik

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Europäischer Gerichtshof: Gentechnik bleibt Gentechnik

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    Mit dem Urteil des Europäischen Gerichtshofs haben die Verbraucher auch in Zukunft die Freiheit, zwischen gentechnikfreien und gentechnisch veränderten Lebensmitteln zu wählen.
    Mit dem Urteil des Europäischen Gerichtshofs haben die Verbraucher auch in Zukunft die Freiheit, zwischen gentechnikfreien und gentechnisch veränderten Lebensmitteln zu wählen. Foto: Patrick Pleul, dpa

    Auf dieses Urteil war mit Spannung gewartet worden. Unterliegen auch neue gentechnische Verfahren, die unter dem Begriff „Genome Editing“ fallen, den strikten Regeln des EU-Gentechnikgesetzes? Diese Frage mussten die Richter des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) in Luxemburg entscheiden, nachdem französische Landwirtschafts- und Naturschutzorganisationen geklagt hatten.

    Am Mittwoch hat er mit seinem Urteil verhindert, dass in Zukunft gentechnisch veränderte Lebensmittel in den Supermarktregalen stehen, ohne dass der Verbraucher sie erkennen kann. Händler sind verpflichtet, genmodifizierte

    Genschere beinhaltet Innovationen für Kartoffeln, Champignons, Sojabohnen

    Zu den neuen gentechnischen Verfahren gehört die sogenannte Crispr/Cas-Methode, auch „Gen-Schere“ genannt. Der Unterschied zur herkömmlichen Gentechnik ist, dass die Forscher keine artfremden Gene in den Organismus einfügen. Die Veränderungen, die Crispr an der Pflanze vornimmt, können theoretisch auch auf natürlichem Weg oder durch konventionelle Züchtung entstehen. Im Labor erzeugen die Forscher diese Mutationen im Erbgut zielgerichtet.

    In der Forschung und Entwicklung werden die neuen gentechnischen Verfahren vielseitig angewendet: Die Liste der Pflanzenzüchtungen, die die „Gen-Schere“ ermöglicht, ist lang – und wird immer länger: Sie beinhaltet Innovationen wie Kartoffeln, die weniger krebserregendes Acrylamid erzeugen, Sojabohnen, die kaum Wasser benötigen, oder Champignons, die länger haltbar sind. Wissenschaftler werden auch in Zukunft mit der „Gen-Schere“ arbeiten. Das Urteil des EuGH ist kein Verbot des Crispr-Verfahrens. Die Richter stellten lediglich fest, dass alle Eingriffe in die DNA von Organismen rechtlich gleich zu bewerten sind.

    Dass die genveränderten Pflanzen auch durch natürliche Kreuzung entstehen können, war das Hauptargument der Gentechnik-Befürworter. Sie befürchten nun, dass Europa in der Biotechnologie hinter Länder wie die USA und China zurückfällt. Ricardo Gent, Geschäftsführer der Deutschen Industrievereinigung

    Bundeslandwirtschaftministerium ist beim EuGH-Urteil zwiegespalten

    Das Bundeslandwirtschaftministerium zeigt sich zwiegespalten. Staatssekretär Hermann Onko Aeikens (CDU) sagte nach dem Urteil: „Aus Sicht des Verbrauchers ist es ein ambivalentes Urteil. Wir haben eine Situation, dass Innovation ein Stück weit ausgebremst wird.“ Bereits im Vorfeld war aus Kreisen des Ministeriums zu vernehmen, dass die Behörde mehr Chancen als Risiken in den neuen gentechnischen Methoden sieht. Da das Crispr-Verfahren vergleichsweise günstig sei, könnten kleinere und mittelständische Züchter und Labors damit arbeiten. Momentan forschen in der Gentechnik vor allem eine Handvoll Großkonzerne, wie der Saatguthersteller Monsanto-Bayer. Sie haben auch die finanziellen Mittel, sich die teuren und langwierigen Zulassungsverfahren für gentechnische Produkte zu leisten.

    Verbraucherschutz- und Umweltorganisationen freuen sich über die Entscheidung des EuGH. Sie hatten bereits im Vorfeld des Urteils gewarnt, dass die „Gen-Schere“ wenig untersucht ist. Das Crispr-Verfahren wurde 2012 zum ersten Mal in einem Wissenschaftsjournal veröffentlicht. Wie sich das veränderte Genmaterial auf Menschen, Tiere und die Umwelt auswirkt, sei nicht sicher, sagen Umweltschützer. Ein großes Problem sei, dass die gezielten Eingriffe in die Genstruktur durch „Genome Editing“ nicht rückverfolgbar sind. Am Ende wäre es möglich, dass sie auch die natürliche Flora durchsetzen, weil sie widerstandsfähiger als natürliche Pflanzen sind.

    Bio-Hersteller und -Verbände kämpfen mit Unterschriftenliste gegen "Genome Editing"

    Vergangene Woche hatten Vertreter von Bio-Herstellern und Bio-Verbände 108.000 Unterschriften an Umweltministerin Svenja Schulze (SPD) überreicht. Es war ein Appell an die Politik, „Genome Editing“ als gentechnisches Verfahren einzustufen. Am Mittwoch zeigte sich Joseph Wilhelm, Initiator dieser Aktion und Gründer des Allgäuer Naturkost-Unternehmens „Rapunzel“, erleichtert über das Urteil: „Es ist eine Stärkung gegen Gentechnik auf den Feldern und auf den Tellern.“ Er begrüßte, dass nationale Entscheidungen sich in Zukunft an dem Urteil des EuGH orientieren.

    In deutschen Supermärkten finden sich nur vereinzelt als Gentechnik gekennzeichnete Lebensmittel zu. Zu groß ist die Ablehnung in der Bevölkerung. Eine Umfrage des Bundesumweltministeriums im vergangenen Jahr ergab: Knapp 80 Prozent der Verbraucher sprechen sich gegen Gentechnik in der Landwirtschaft aus. (mit dpa)

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