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Recep Tayyip Erdogan besuchte am Sonntag die Hagia Sophia.

Umwandlung zur Moschee
22.07.2020

Erdogan lässt christliche Mosaike in Hagia Sophia verhüllen

Von Susanne Güsten

Der Präsident lässt die Hagia Sophia in eine Moschee umbauen. Am Freitag will er dort das erste Gebet sprechen. Nun müssen christliche Mosaiken verschwinden.

In der Hagia Sophia drängen sich um diese Jahreszeit normalerweise Touristen aus aller Welt. Derzeit ist es – noch – still unter der riesigen Kuppel des anderthalb Jahrtausende alten Baus. Einer der wenigen, der ihn nun besuchte: der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan. Er war am Sonntag vor Ort, um den Umbau des Bauwerks in eine Moschee zu inspizieren. Zusammen mit Beratern schaute sich Erdogan unter anderem den Teppich an, der vor dem ersten Freitagsgebet am 24. Juli auf dem Steinboden ausgerollt werden soll.

Dessen leuchtend blau-grüner Stoff sorgte sofort für Diskussionen. Eine hässlichere Farbe hätte die Regierung nicht auswählen können, schrieb ein Erdogan-Kritiker auf Twitter. Doch nicht nur über den Teppich wird gestritten: Eiferer fordern inzwischen die Zerstörung der weltberühmten christlichen Mosaiken in der früheren Kirche.

Erdogan betrachtet das Gebet an diesem Freitag als historische Zäsur. Im sechsten Jahrhundert als Reichskirche der Byzantiner gebaut, wurde die Hagia Sophia im 15. Jahrhundert von den osmanischen Eroberern von Istanbul zur Moschee erklärt. Vor mehr als 80 Jahren wandelte Mustafa Kemal Atatürk, der Gründer der modernen Türkei, das Gebäude im Herzen der Istanbuler Altstadt dann in ein religiös neutrales Museum um. Jetzt wird die Hagia Sophia wieder zur Moschee.

Erdogan-Kritiker: Gebete sind für Gott da, nicht für politische Zwecke 

Seitdem der türkische Verwaltungsgerichtshof am 10. Juli entschied, ihren Museumsstatus zu streichen und Erdogan umgehend per Erlass die Umwandlung in ein islamisches Gotteshaus verfügte, ist die Hagia Sophia für die Umbauarbeiten geschlossen. In dem Gebäude wurden am Dienstag bereits Tribünen für die Fernsehteams aufgebaut, die beim Freitagsgebet dabei sein werden. Die türkische Polizei verstärkte die Sicherheitsvorkehrungen in der Umgebung und errichtete Absperrgitter.

Rund 2000 Gläubige, die Sondereinladungen erhalten, sollen am Freitagmittag zusammen mit Erdogan in der Hagia Sophia das erste feierliche Gebet sprechen. Das „VIP-Gebet“, wie türkische Medien das Ereignis schon nannten, wird die tiefen politischen Gräben in der Türkei nicht überbrücken können. Ganz und gar nicht. Oppositionsführer Kemal Kilicdaroglu lehnte die Einladung ab und erklärte in Anspielung auf Erdogans Bemühungen um islamistische und nationalistische Wähler, Gebete seien für Gott da und nicht für politische Zwecke und die Kameras.

Gelöst sein muss bis Freitag die Frage der Mosaiken. Da der Islam die bildliche Darstellung von Menschen verbietet, müssen die Bilder von Maria, Jesus und Heiligen während der islamischen Gebete verschwinden. Die Regierung betont seit Wochen, die christlichen Kulturschätze der Hagia Sophia würden erhalten bleiben. Außerhalb der Gebetszeiten werde die Hagia-Sophia-Moschee auch für alle Besucher offen sein, so wie es auch bei der Blauen Moschee nur wenige hundert Meter entfernt gehandhabt werde.

Mit Vorhängen sollen die Mosaiken also während der Gebete verhüllt werden, sagte der Sprecher Recep Tayyip Erdogans, Ibrahim Kalin, im Fernsehen. Einfach sei diese Lösung jedoch nicht, warnen Fachleute. So stelle sich die Frage, wo in dem historischen Gemäuer die Löcher für die Halterungen gebohrt werden sollten, schrieb Tugba Tanyeri-Erdemir, eine Expertin für religiöse Minderheiten im Nahen Osten, auf Twitter. Die zwei Wochen zwischen der Gerichtsentscheidung und der Wiedereröffnung als Moschee seien auf keinen Fall genug Zeit, um die vielen schwierigen Fragen zu klären.

Muslime sollen nicht unter Bildnis einer "Hure" beten müssen, twittert ein Historiker

Einige Mosaik-Gegner wollen dagegen gleich kurzen Prozess machen. Der Historiker Ebubekir Sofuoglu forderte zum Beispiel, die Mosaiken sollten von den Wänden entfernt werden. Sonst werde die Hagia Sophia die erste Moschee der Welt sein, in der Muslime unter dem Bildnis einer „Hure“ beten müssten, twitterte er. Er meinte damit ein Mosaik, das die byzantinische Kaiserin Zoe aus dem 11. Jahrhundert zeigt. Sie war mehrmals verheiratet und soll viele Liebhaber gehabt haben.

Selbst wenn sich extreme Forderungen wie die von Ebubekir Sofuoglu nicht durchsetzen, könnte die Hagia Sophia als Moschee Gefahren ausgesetzt sein, vor denen sie als Museum noch geschützt war. Tugba Tanyeri-Erdemir verwies zum Beispiel darauf, dass islamistische Eiferer versuchen könnten, die teilweise leicht erreichbaren Mosaiken zu zerstören. Bisher wachte Museumspersonal darüber, dass ihnen niemand zu nahe kam und dass niemand Graffiti an die Wände sprühen konnte. Künftig allerdings wird die Hagia Sophia vom Frühgebet bis zum späten Abend geöffnet sein – ohne Museumswächter.

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