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Ulm: Gauck: "Vulgärrationalismus" in Beschneidungsdebatte

Ulm

Gauck: "Vulgärrationalismus" in Beschneidungsdebatte

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    Gauck kritisiert "Vulgärrationalismus" in Beschneidungsdebatte: Er wisse, "dass in den letzten Monaten wieder Sorgen und Ängste aufgekommen sind, ob denn jüdisches Leben in Deutschland noch möglich sei", sagte Gauck laut Redetext bei der Einweihung der Neuen Synagoge am Sonntag in Ulm.
    Gauck kritisiert "Vulgärrationalismus" in Beschneidungsdebatte: Er wisse, "dass in den letzten Monaten wieder Sorgen und Ängste aufgekommen sind, ob denn jüdisches Leben in Deutschland noch möglich sei", sagte Gauck laut Redetext bei der Einweihung der Neuen Synagoge am Sonntag in Ulm. Foto: dpa

    Gauck kritisiert "Vulgärrationalismus" in Beschneidungsdebatte: Er wisse, "dass in den letzten Monaten wieder Sorgen und Ängste aufgekommen sind, ob denn jüdisches Leben in Deutschland noch möglich sei", sagte Einweihung der Neuen Synagoge am Sonntag in Ulm. Anlass dafür seien Angriffe auf jüdische Bürger gewesen, "aber auch die Beschneidungsdebatte, die sich an einem rechtsstaatlichen Urteil entzündete, aber sehr schnell Töne bekam, die auch mich erschreckt haben".

    Gauck: "Vulgärrationalismus" in Beschneidungsdebatte

    "Da haben sich echte, aufgeklärte Sorge um Kindeswohl und körperliche Unversehrtheit bei einigen gelegentlich mit einem Vulgärrationalismus gemischt, in dem auch antisemitische und antimuslimische Einstellungen sichtbar wurden", betonte das Staatsoberhaupt. "Das ist schlimm."

    Gauck unterstrich, eine säkulare Gesellschaft müsse Debatten über den Platz der Religion, über Religionsfreiheit und über religiöse Bräuche führen. Dies sei "nötig und richtig". "Seit der Aufklärung haben wir Schritt für Schritt gelernt: Auch der religiöse Glaube muss sich der Kritik der Vernunft stellen."

    Joachim Gauck: "Wir vergessen nicht"

    Der Bundespräsident fügte hinzu: "Wir vergessen aber auch nicht, welches Unrecht, welche Verbrechen begangen worden sind, wenn dem Glauben seine Existenzberechtigung abgesprochen wurde, wenn antireligiöse Bewegungen Macht über Millionen Menschen bekamen." Eine säkulare Gesellschaft könne nur dann eine humane Gesellschaft sein, "wenn religiöse Tradition, religiöse Sprache, religiöse Erfahrung ein Mitspracherecht bei der Gestaltung des Zusammenlebens haben".

    Beschneidungsdebatte in Deutschland

    Das Kölner Landgericht hatte im Mai Beschneidungen von Jungen aus rein religiösen Gründen als strafbare Körperverletzung gewertet. Als Reaktion auf das Urteil brachte die Bundesregierung einen Gesetzentwurf auf den Weg, der Beschneidungen von Jungen unter bestimmten Auflagen für zulässig erklärt. Eine Gruppe von Bundestagsabgeordneten legte hingegen einen Gesetzentwurf vor, der Beschneidungen von Jungen verbietet, solange diese nicht selbst darüber entscheiden können. (afp, AZ)

    Das ist Joachim Gauck

    Bundespräsident Joachim Gauck hat ein bewegtes Leben hinter sich. Seine wichtigsten Stationen.

    Gauck kommt 1940 in Rostock zur Welt. Sein Vater ist Kapitän, seine Mutter gelernte Bürofachfrau. Sein Vater wird von den Russen wegen angeblicher Sabotage in einem Lager in Sibirien verschleppt, als Gauck sechs Jahre alt ist. Er kommt erst viele Jahre später wieder frei.

    Nach dem Abitur studiert Joachim Gauck Theologie in Rostock und arbeitet dann ab 1967 als Pastor in Lüssow. Sein eigentlicher Berufswunsch Journalist zu werden, lässt sich in der DDR nicht erfüllen.

    Ab 1974 wird Joachim Gauck wegen seiner kritischen Predigten von der Stasi beobachtet.

    Als sich in der DDR Ende der achtziger Jahre Widerstandsgruppen formieren, wird Gauck Mitbegründer und Sprecher des „Neuen Forums“. Er leitet unter anderem Gottesdienste und führt Großdemonstrationen an.

    Das Ende des DDR-Regimes und die Wendezeit nennt Gauck die "prägende Zeit meines Lebens".

    1990 leitet er als Abgeordneter der frei gewählten DDR-Volkskammer den Sonderausschuss zur Kontrolle der Auflösung des Ministeriums für Staatssicherheit.

    Am Tag der Wiedervereinigung am 3. Oktober 1990 übernimmt Joachim Gauck die nach ihm benannte Stasi-Unterlagen-Behörde. Bis zum Jahr 2000, als er die Leitung an Marianne Birthler abgiebt, avanciert Gauck zum bekanntesten Gesicht der DDR-Demokratiebewegung.

    Nach dem Mauerfall trennt sich der Theologe von seiner Frau und findet eine neue Lebenspartnerin aus dem Westen - eine Journalistin aus Nürnberg. Bis heute sind beide nicht miteinander verheiratet.

    2003 wird Joachim Gauck aus den Reihen der FDP erstmals als Kandidat für das Amt des Bundespräsidenten ins Spiel gebracht.

    2005 wird Joachim Gauck, damals 65 Jahre alt, Ehrendoktor der Universität Augsburg.

    Der Vater von vier Kindern und mehrfache Großvater engagiert sich auch im Verein „Gegen Vergessen für Demokratie“. Als Vorsitzender kümmert er sich zusammen mit vielen Mitstreitern um die Aufarbeitung der Geschichte der Diktaturen in Deutschland.

    Im Sommer 2010 wird er von SPD und Grünen zum Kandidaten für das Amt des Bundespräsidenten nominiert. Dass er bei der durch Horst Köhlers Rücktritt nötig gewordenen Wahl knapp an Wulff scheitert, ändert nichts an seiner Beliebtheit.

    2011 sorgt Gauck für Schlagzeilen, als er Thilo Sarrazin für sein Buch „Deutschland schafft sich ab“ Mut attestiert. „Er hat über ein Problem, das in der Gesellschaft besteht, offener gesprochen als die Politik“, sagte Gauck, wobei er sich den den Inhalten des Buches distanzierte.

    Nach dem Rücktritt von Christian Wulff wird Gauck von Union, FDP, Grünen und SPD zum gemeinsamen Kandidaten für die Wahl eines neuen Bundespräsidenten nominiert.

    Am 18. März 2012 wählt ihn die Bundesversammlung mit großer Mehrheit zum Bundespräsidenten, am 23. März wird er vereidigt.

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