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Ukraine: Augsburger Fotograf in der Ukraine: Welche Bilder bleiben?

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Augsburger Fotograf in der Ukraine: Welche Bilder bleiben?

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    27. Februar 2014 in Kiew. Biskup fotografiert die Trauerfeier für einen von Scharfschützen erschossenen Maidan-Demonstranten.
    27. Februar 2014 in Kiew. Biskup fotografiert die Trauerfeier für einen von Scharfschützen erschossenen Maidan-Demonstranten. Foto: Daniel Biskup

    Der Augsburger Fotograf Daniel Biskup war in den vergangenen Monaten immer wieder in Kiew, wo er auf dem Maidan den Umsturz in der Ukraine beobachtete. Biskup, 51, arbeitet u. a. für Bild, fotografiert aber auch unabhängig von Auftraggebern. So war das schon 1989, als er den DDR-Umbruch mit Mauerfall fotografierte. Seine Fotos sind international gefragt und in Buch und Ausstellung zu sehen. Auch den russischen Präsidenten Putin hat Biskup bereits porträtiert. Wir sprachen mit ihm über die Bedeutung von Fotos in Zeiten digitaler Beschleunigung und Massenproduktion.

    Geht man als Fotograf, so wie Sie zuletzt in Kiew, gezielt auf die Suche nach dem einen, dem besonderen Bild?

    Biskup: Zunächst muss ich mich informieren, bevor ich überhaupt dorthin fahre. Geschichte des Landes, Entwicklungen, Standpunkte – worum geht es. Ich muss die Situation verstehen können. Und ich brauche einen Übersetzer, der mich möglichst rund um die Uhr begleitet und mir erklärt: Was steht da auf Plakaten, was reden die Leute? In Kiew wirst du von den Bildern erdrückt. Es gibt tausende Situationen, zehntausende Menschen, da hast du gar nicht die Zeit für solche Überlegungen wie: Das ist jetzt das eine Bild ... Ich mache 300 bis 500 Fotos an so einem Tag.

    Das heißt, man kann während des Fotografierens noch gar nicht einschätzen, welchen Stellenwert ein Einzelbild hat?

    Biskup: Die alte Frage: Was bleibt von einem Bild? Gibt es den einen Schuss, der alles verdichtet? Eine Antwort darauf braucht Zeit. Was ist jetzt interessant? Was wird in 25 Jahren interessant? Das lässt sich in Echtzeit gar nicht beurteilen. Ob man die Ikone geschossen hat, entscheidet sich später, in zehn, in 20 Jahren. Ich bin jetzt 51. Ich weiß inzwischen: Es sind oft die stillen Bilder, die interessanter werden als die lauten. Die Wertigkeit eines Fotos ändert sich mit der Zeit.

    Aber es müssen Menschen im Mittelpunkt stehen?

    Biskup: Nicht zwingend. Menschen berühren eher, das stimmt. Aber es gibt Situationen, wo sozusagen die Abwesenheit von Menschen noch mehr berühren kann. In Kiew habe ich eine Straße fotografiert, wo zwei Tage zuvor noch tausende Demonstranten und Polizei sich gegenüberstanden zwischen brennenden Barrikaden. Später war das eine geisterhafte Kulisse: Runtergebrannt, leer, wie eine Filmkulisse.

    Sind es solche Momente, die das Arbeiten ausmachen?

    Biskup: Als Fotograf denke ich nicht daran: Ich will hier die Ikone für die Zukunft finden. Ich habe Geschichte und Politik studiert, mich interessieren diese Entwicklungen. Die Ukraine: das ist Teil unserer gemeinsamen Geschichte in Europa. Stefan Moses hat gesagt, Aufgabe des Fotografen sei es, Geschichte festzuhalten, bevor sie aus dem Augenblick fällt. Das ist es, was mich antreibt.

    Wie gehen Sie mit der Gefahr um, in die Falle einer Inszenierung zu geraten?

    Biskup: In Kiew gibt es das nicht. Wenn ich jetzt mit Putin unterwegs wäre, wäre das was anderes  ...

    Sie haben den ja auch fotografiert.

    Biskup: Ja, er hat Interesse für Fotografie und ein Gespür fürs Motiv, und natürlich setzt er das Bild auch für seine Zwecke ein. Das macht Obama nicht anders, der seinen persönlichen Fotografen im Weißen Haus hat.

    Heutzutage fotografiert jeder und überall. Die Bilder erscheinen in Echtzeit im Internet, Millionen neue Motive täglich. Welchen Wert hat ein Foto in dieser digitalen Raserei und Masse?

    Biskup: Der Wert des einzelnen Fotos ist nach wie vor da, davon bin ich überzeugt. Egal, wie viele Tonnen Bilder es gibt, eine Entwertung sehe ich da nicht. Man muss nur das gute Bild finden ... Ich twittere inzwischen auch meine Fotos, das finde ich sehr spannend. Es gibt über das Internet weltweit Reaktionen auf ein Foto, du erreichst andere Zielgruppen, die Wirkung ist direkter. Das gute Bild hat seinen Wert.

    Aber der Schritt vom analogen Fotografieren zum digitalen Massenphänomen hat doch Auswirkungen?

    Biskup: Natürlich gibt es da Effekte und Verschiebungen. Wie jetzt bei der Oscar-Verleihung: Das Gruppenbild, das hätte dort jeder Fotograf gerne gemacht. Jetzt machen es die Stars selbst, als Selfie mit dem Handy. Oder Heidi Klum twittert das Bild ihres Babys selbst.

    Wie sehen Sie die Gefahr einer Übersättigung?

    Biskup: Ich nehme das Gegenteil wahr. Das Interesse an Fotografie ist riesig, es ist viel größer geworden. Die Möglichkeiten, dass ein Foto heute wandern kann, sich verbreitet, die sind faszinierend.

    Kein Überdruss der Betrachter – aber wie geht es dem Fotografen selbst?

    Biskup: Ganz einfach: Du willst immer raus, immer auf die Straße, weil das spannend ist. Der Fotograf muss immer das Ziel haben, ein Bild zu machen, das nicht stirbt. Und es ist dabei ganz egal, wo du das machst: auf dem Stadtmarkt in Augsburg oder auf dem Maidan in Kiew.

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