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Überwachung: Vorratsdatenspeicherung: "Die Menschen werden belogen"

Überwachung

Vorratsdatenspeicherung: "Die Menschen werden belogen"

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    Das Bundeskabinett hat die Neuregelung zur  Vorratsdatenspeicherung auf den Weg gebracht - in Rekordzeit. Einer der schärfsten Kritiker des Vorhabens ist Markus Beckedahl.
    Das Bundeskabinett hat die Neuregelung zur Vorratsdatenspeicherung auf den Weg gebracht - in Rekordzeit. Einer der schärfsten Kritiker des Vorhabens ist Markus Beckedahl. Foto: Britta Pedersen/dpa

    Das

    Bundeskabinett

    hat am Mittwoch die Neuregelung zur umstrittenen

    Vorratsdatenspeicherung

    auf den Weg gebracht - in

    Rekordzeit

    . Einer der schärfsten Kritiker des Vorhabens ist

    Markus Beckedahl

    , Netzaktivist, Sprecher des Vereins

    Digitale Gesellschaft e.V

    , und Gründer des größten deutschen Internet-Kongresses re-publica. Er erklärt, warum er auf ein Scheitern des Gesetzes vor dem

    Bundesverfassungsgericht

    hofft.

    Die Vorratsdatenspeicherung soll den Ermittlungsbehörden im Kampf gegen Terror und Verbrechen helfen. Was ist so schlimm daran?

    Beckedahl: Es hat schon seinen Grund, warum die Bundesregierung dieses Gesetz so schnell durchpeitscht: Sie hat Angst vor einer gesellschaftlichen Debatte, ob es wirklich verhältnismäßig ist, die gesamte Bevölkerung unter Generalverdacht zu stellen.

    Und, ist es verhältnismäßig?

    Beckedahl: Nein. Mit der Vorratsdatenspeicherung wird die Unschuldsvermutung praktisch aufgehoben. Wir alle sind plötzlich verdächtig. Dabei gibt es bis heute keinen Beweis, dass die anlassunabhängige Vorratsdatenspeicherung, die wir ja schon einmal in Deutschland hatten, die Aufklärungsquote wirklich effektiv erhöht hätte.

    Aber warum wird sie dann jetzt wieder eingeführt?

    Beckedahl: Ich denke, da geht es vor allem um persönliche Gründe: Kein Politiker möchte verantwortlich dafür gemacht werden, wenn es doch irgendwann einmal einen - statistisch ja nicht ganz unmöglichen - Terroranschlag in Deutschland geben sollte. Es ist schon bemerkenswert, dass die Menschen sogar klar belogen werden, um die Vorratsdatenspeicherung durchzubringen.

    Was meinen Sie konkret?

    Beckedahl: Denken wir nur an Sigmar Gabriel, der öffentlich behauptete, dank Vorratsdatenspeicherung sei Anders Breivik, der Attentäter von Oslo, schnell enttarnt worden. Tatsache, dass es damals in Norwegen gar keine Vorratsdatenspeicherung gab. Oder an die Behauptung, die Datenherausgabe bei der Vorratsdatenspeicherung stehe unter Richtervorbehalt. Tatsache ist: Es gibt zwar einen Richtervorbehalt - aber einer von uns aufgedeckten Nebenabrede zufolge gilt dieser nicht bei Bestandsdaten

    Viele Menschen scheinen trotzdem nichts gegen eine Vorratsdatenspeicherung zu haben - im Gegenteil. Woran liegt das?

    Beckedahl: Durch zu viel Überwachung verlieren wir unsere Freiheit. Aber im digitalen Leben merkt man das nicht auf Anhieb. Anders im analogen Leben: Würden die Menschen feststellen, dass man speichert, wen sie am Gartenzaun getroffen haben oder mit wem sie ein Kaffeekränzchen gehalten haben, wäre der Widerstand sicher größer.

    Fast 30 Millionen Menschen in Deutschland haben auch kein Problem damit, ihre Daten Facebook zu geben...

    Beckedahl: ... was im Umkehrschluss bedeutet, dass 50 Millionen Menschen in Deutschland durchaus ein Problem damit haben.

    Google speichert massenhaft Daten seiner Nutzer und ist trotzdem die beliebteste Suchmaschine Deutschlands.

    Beckedahl: Das Problem ist, dass viele Menschen noch immer digitale Analphabeten sind und nicht ahnen, wie wertvoll ihre Daten eigentlich sind.

    2010 hat das Bundesverfassungsgericht das damalige deutsche Gesetz zur Vorratsdatenspeicherung für ungültig erklärt. 2014 erklärte auch der Europäische Gerichtshof die EU-Richtlinie zur Vorratsdatenspeicherung für ungültig. Wird es diesmal wieder Klagen geben?

    Beckedahl: Es haben diverse Menschen und Gruppierungen Klagen vor dem Verfassungsgericht angekündigt. Ich wünsche allen viel Erfolg.

    Und wenn die Klagen scheitern?

    Dann werden wir nie wieder über weniger Überwachung in Deutschland sprechen - sondern nur noch über eine Ausweitung.

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